Jan* (Name geändert), 29 Jahre, hat eine Geisteswissenschaft studiert und arbeitet als Kulturanthropologe in Berlin. Er verdient sein Geld als Freiberufler für Kultureinrichtungen und Museen. Sein Netto-Gehalt von knapp 800 Euro monatlich braucht er für Miete, Essen, Handy und Krankenversicherung.
Aus materieller Hinsicht müsste ich mich wohl als arm bezeichnen. Ich kenne die Zahlen, anhand derer die relative Armut berechnet wird. Da wird unterschieden zwischen arm, Existenzminimum und armutsgefährdet. Wenn ich mir mein Einkommen der letzten Jahre anschaue, liege ich stets in einem dieser Bereiche.
Ich merke es jeden Tag. Denn fast alles, womit ich in Berührung komme hat einen Preis. Abgesehen von der Luft ist nichts kostenfrei. Ganz im Gegenteil, manchen Kosten kann ich gar nicht entkommen, wie zum Beispiel den Mietkosten oder den Beiträgen zur Krankenversicherung. Ich bin umgeben von Preisen für Waren und Dienstleistungen. Im Supermarkt, im Kaufhaus, in der Werbung, in den Nachrichten – offline und online. Auch unter Freunden oder in der Familie ist Geld immer ein Thema. Wenn zum Beispiel Freunde fragen, ob wir gemeinsam in den Urlaub fahren möchten oder auch nur wo wir zusammen essen sollen – weil ich arm bin, muss ich immer rechnen.
Ich musste kürzlich eine größere Summe ab bezahlen. Ich wusste vorher schon, dass ich das Geld dafür nicht habe beziehungsweise es nur für die Miete reicht.
Dann hieß es warten und hoffen. Ich hatte Glück, denn die Kurse stiegen. Ich bin ausgestiegen, als ich genug beisammen hatte. Die Kurse sind danach weiter gestiegen, aber das war mir egal. Klingt vielleicht nicht so krass, aber ich achte eigentlich immer darauf nie wirklich in eine prekäre Lage zu geraten, also in erster Linie die Miete nicht zahlen zu können. Dass ich dafür mal auf Aktien wetten muss, hätte ich nicht gedacht.
Das war ein Urlaub vor zwei Jahren. Ich war zwei Wochen in Spanien, das Ganze hat rund 1500 Euro gekostet.
Da ich kein regelmäßiges Einkommen habe, gibt es bei mir keine festen Rhythmen. Wenn ich mal wieder etwas Geld verdient habe, kann ich ungefähr abschätzen, für wie lange das reicht. Meistens habe ich 1-2 Monate Ruhe nach einem Auftrag. Wenn in der Zeit keine neuen Aufträge kommen, dann wird es knapp.
Ich weiß wirklich nie, wann ich wieder Geld habe und wenn ich es nicht habe, kann ich nur hoffen. Manchmal schaue ich nach Gelegenheitsjobs, die ich am Ende gar nicht annehme. Aber alles mache ich auch nicht, zum Beispiel Jobs, wo man bewertet wird. Ich hab zwar kein Geld, aber meinen Stolz habe ich noch.
In Zahlen? Ich finde, das ist eine sehr triviale Frage und darum nicht leicht oder eigentlich gar nicht zu beantworten. Wenn jemand darauf eine plausible und allgemein gültige Antwort geben könnte, dann würde das gesamte System der sogenannten westlichen Welt zusammenstürzen.
Das Thema langweilt mich mittlerweile ein wenig. Wenn es denn mal zur Abstimmung stehen sollte, dann stimme ich dafür. Bis dahin habe ich andere Sorgen.