Jamaika-Urlauber sitzen wegen Hurrikan in Hotels fest – doch Einheimische trifft es härter
Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 295 Kilometern pro Stunde traf "Melissa" am Dienstag in der Karibik auf Land. Der Sturm der höchsten Kategorie 5 hatte zwischenzeitlich eine riesige Ausdehnung und ist einer der stärksten Hurrikane, die bisher je im Atlantik gemessen wurden.
"Für Jamaika wird dies der Sturm des Jahrhunderts", erklärte Anne-Claire Fontan von der Weltmeteorologie-Organisation WMO noch am Dienstag. Sie warnte vor bis zu 700 Liter Regen pro Quadratmeter und dadurch bedingten katastrophalen Sturzfluten und Erdrutschen. "Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen."
Wer konnte, suchte Schutz in Notunterkünften oder verließ Jamaika rechtzeitig mit dem Flugzeug. Gerade Urlauber:innen versuchten noch ein Flugticket zu ergattern. Hauptsache weg, dachten sich viele wohl. Doch das gelang nicht allen.
Jamaika: Urlauber sitzen wegen Hurrikan in Hotels fest
"Zuerst kam es zu einem Fehler bei der Umbuchung mit Delta Airlines. Als wir dann auf einen anderen Flug wechseln wollten, war schon alles ausgebucht", erklärt eine Urlauberin dem Schweizer Portal "20 Minuten". Eigentlich hätten sie und ihr Vater schon am Montag abreisen wollen, aber am Ende blieb ihnen nichts anderes übrig, als den Wirbelsturm im Hotel auszusitzen.
"Wir haben Chips, Riegel und genug zu trinken für drei Tage besorgt", erzählt die Schweizerin weiter. Das Hotel habe sie erst am Montagabend über den sich anbahnenden Hurrikan informiert. Doch über den Wetterdienst, lokale Medien und Gespräche mit Einheimischen hätten sie schon vorher Bescheid gewusst.
Im Hotel selbst fühlten sich die beiden Urlauber:innen relativ sicher. "Wir haben noch Strom und Internet und können unsere Familie in der Schweiz regelmäßig beruhigen", erklärt die 29-Jährige gegenüber "20 Minuten". Es sei erstaunlich, dass noch alles funktioniere.
Der Blick nach draußen sei aber beängstigend. "Es ist krass, was alles herumfliegt – so etwas habe ich noch nie erlebt", sagt die Schweizerin.
Tiktok-Video zeigt Zerstörung in Luxus-Hotel
Auf Tiktok finden sich Videos von Urlauber:innen, die ebenfalls wegen des Hurrikans in ihren Hotels festsaßen. Eine Frau zeigt in einem knapp vierminütigen Clip, wie sehr der Wirbelsturm ein Luxus-Hotel getroffen hat.
Zunächst sind viele Menschen zu sehen, die mit ihrem Gepäck, Kopfkissen und Decken offenbar im Erdgeschoss der Hotelanlage ausharren. Unweit des Eingangs erkennt man aber, wie Teile der Decke zerstört worden sind. Angestellte haben große Plastikbehälter aufgestellt, um das herunterplätschernde Wasser aufzufangen.
Der Strom scheint nichtsdestotrotz weiter zu funktionieren, im Hintergrund leuchten riesige Kronleuchter. In weiteren Videos der Userin ist zu sehen, dass auch andere Räume beschädigt worden sind. Von Verletzten oder Toten berichtet die Frau nichts.
Teilweise seien sie im Keller des Hotels untergebracht worden. Vor allem den Angestellten macht die Urlauberin große Komplimente: "Danke an das Hotelpersonal – sie haben wirklich alles gegeben und weit mehr getan, als man erwarten kann."
Folgen für die Einheimischen noch nicht absehbar
Die meisten Hotel-Urlauber:innen haben den Hurrikan wohl gut überstanden. Gleiches kann man aber nicht für die Einheimischen sagen. "Die haben sicher große Angst und werden wahrscheinlich alles verlieren. Wir sind in unserer Anlage geschützt, aber sie haben keine Chance gegen diesen Wind", erklärt die bereits erwähnte Urlauberin gegenüber "20 Minuten".
Auf dem Weg zum Hotel habe sie viele Hütten gesehen, in denen manche Einheimische leben. "Am Schluss steht wohl keine einzige mehr. Das ist Weltuntergangsstimmung", zeigt sich die Urlauberin erschüttert.
Aktuell lässt sich das gesamte Ausmaß der Zerstörung noch nicht beziffern. Die Regierung hat die Karibikinsel aber bereits zum Katastrophengebiet erklärt. Mehr als eine halbe Million Haushalte seien von der Stromversorgung abgeschnitten.
Krankenhäuser und Brücken wurden den Behördenangaben zufolge durch den Hurrikan beschädigt. Wassermassen schoben sich durch die Straßen. Der Sturm ließ Bäume und Strommasten umstürzen. Zahlreiche Straßen wurden dadurch blockiert. Die Region St. Elizabeth im Südwesten des Landes stehe "unter Wasser", sagte der Minister für lokale Verwaltung, Desmond McKenzie. Dort seien die Schäden erheblich.
"Ich habe noch keine verlässlichen Informationen über Tote, aber angesichts der Schäden durch den Hurrikan der Kategorie 5 gehen wir davon aus, dass Menschen ihr Leben verloren haben", erklärte Ministerpräsident Andrew Holness dem US-Fernsehsender CNN.
Zerstörte Häuser und Angehörige, die ums Leben gekommen sind: Während es für die meisten Urlauber:innen nach einer nervenaufreibenden Nacht wohl schnell wieder nach Hause geht, werden viele Einheimische noch lange mit den Folgen des Hurrikans zu kämpfen haben. Und das gilt nicht nur für Jamaika.
Am Mittwochmorgen hat "Melissa" nach Angaben des US-Hurrikanzentrums NHC am Mittwochmorgen (Ortszeit) den Inselstaat Kuba erreicht. Mittlerweile hat sich der Sturm zwar zu einem Hurrikan der Kategorie 3 abgeschwächt, trotzdem werden Windgeschwindigkeiten von bis zu 195 Kilometern pro Stunde erwartet.
(mit Material von dpa und afp)
