
Achtung am Gleis, ein Zug fährt durch!Bild: pexels / ryan le
watson on tour
Virale Videos haben der Train Street riesige Reichweiten auf Social Media beschert. Unser Kollege war in Vietnam und hat selbst vorbeigeschaut. Hier schreibt er einen ehrlichen Erfahrungsbericht.
11.09.2025, 09:2911.09.2025, 09:29
Laura zündet sich die dritte Zigarette des Abends an. Sie zieht an der Kippe, legt den Kopf in den Nacken und bläst den Rauch in den Nachthimmel von Hanoi. Sie hält an ihrem Rhythmus fest: Alle 45 Minuten bestellt sie ein neues Bier. Bevor sie den ersten Schluck nimmt, greift sie zur Schachtel, die auf dem winzigen Tisch neben ihr liegt.
Ich weiß nicht, wie viele Zigaretten Laura an anderen Abenden raucht. Womöglich raucht sie zu Hause gar nicht. Ich kenne Laura nicht. Ich weiß nicht einmal, ob Laura wirklich Laura heißt. Ich nenne sie nur in Gedanken so, während ich die Zeit totschlage und dabei die Menschen um mich herum beobachte.
Laura und ich und Hunderte andere Tourist:innen warten auf einen Zug. Wir sitzen in der Train Street, einem der touristischen Highlights in der Hauptstadt Vietnams.
Das ganze Jahr über pendle ich beruflich von München nach Berlin und fluche Woche für Woche über die Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn. Nun bin ich zur Entspannung einmal um die halbe Welt geflogen und warte auf einen Zug, von dem niemand weiß, wann er kommt.
Die Train Street in Hanoi steht schon lange in Reiseführern. Das Besondere an ihr ist, dass sie exakt so breit ist, dass ein Zug geradeso durchpasst. Links stehen Häuser, rechts stehen Häuser, in der Mitte liegen Gleise.
Was man hier erlebt, wäre in Deutschland aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt. Denn entlang der Gleise sind über die Jahre viele, viele Cafés und Restaurants entstanden, deren erste Stuhlreihen zum Teil so nah an den Schienen stehen, dass es lebensgefährlich werden würde, wenn man im falschen Moment nicht auf die eingezeichneten Linien auf dem Fußboden achtet.
Weltbekannt ist die Straße geworden, als Videos aus ihr viral gegangen sind. Das Drehbuch der gestellten Clips ist immer gleich: Eine Person sitzt an einem Tisch, trinkt oder isst, sieht gelangweilt in die Luft. Und schaut urplötzlich erschrocken und völlig verwirrt in die Kamera, als plötzlich ein Zug direkt neben ihr vorbeifährt. Konnte ja niemand wissen, was hier passiert.
Ich mag einige Videos, die ich vorab gesehen hatte, albern finden, aber auch bei mir haben sie ihre Wirkung nicht verfehlt. Mit der Buchung des Hotels in Hanoi war für mich klar: Das werde ich mir live anschauen wollen.
Train Street in Hanoi: Um wie viel Uhr kommen die Züge?
Meine gewissenhafte Vorbereitung erwies sich dabei allerdings als einigermaßen sinnlos. Ich habe online nach den Zeiten gesucht, an denen der Zug kommt. Ich habe an der Rezeption des Hotels nach einer Meinung gefragt. Und ich sollte später einen offiziellen Fahrplan in der Speisekarte des Cafés finden, für das ich mich entschieden habe. Keine einzige Info war korrekt.
Ich wiederhole die falschen Angaben daher an dieser Stelle nicht. Dennoch würde ich dazu raten, zumindest grob zu checken, wie oft der Zug an welchem Tag in der Theorie durch die Train Street fährt. Denn zwischen Werk- und Wochenendtagen gibt's da zum Teil große Unterschiede.
Ab dann gilt allerdings: Geduld mitbringen. Wir saßen mehr als zweieinhalb Stunden in unserem Café, ehe urplötzlich die Glocke ertönte, die die Durchfahrt ankündigt. Nur um 20 Minuten später einen zweiten Zug zu Gesicht zu bekommen.
Kostet die Train Street in Hanoi Eintritt?
All das gibt's for free. Abgesehen davon, dass man in einem Café oder Restaurant natürlich ein Bier oder einen Kaffee bestellen sollte, wenn man sich an die Gleise setzt. (Und Platz zum Stehen ist kaum vorhanden.)

Es sind wirklich nur Zentimeter, die die Menschen von den Zügen trennen.Bild: imago images / frank bienewald
Die Gaststätten entlang der Gleise ähneln sich bezüglich des Angebots stark. Wer eine Weile sitzt, kann auch beobachten, dass gekochte Gerichte zum Teil aus einem Gebäude in verschiedene Restaurants getragen werden, schließlich ist nicht jedes Haus entlang der Gleise groß genug für eine eigene Küche.
Zur Wahrheit gehört auch: An sehr, sehr vielen Orten in Hanoi gibt es besseres und zugleich günstigeres Essen. Dennoch kommen mehr Tourist:innen abends als tagsüber, was durchaus seinen Charme hat: Die beleuchtete Straße wirkt abends einladender, versprüht einen anderen Vibe. (Allerdings sind die Lichtverhältnisse für tiktokisierbare Videos auch nicht mehr ganz so gut.)
Wie sicher ist die Train Street in Hanoi?
Apropos Videos: Zu regelmäßig kommt es in der Train Street zu lebensbedrohlichen Situationen, verursacht durch die schiere Unvernunft einiger Tourist:innen, die mit Selfiesticks hantieren, für ein Selfie auf den Gleisen stehen wollen oder ihr Smartphone ins Gleisbett legen.
2019 und auch 2022 war die Train Street vorübergehend komplett gesperrt, weil die Sicherheitsbedenken der vietnamesischen Behörden zu groß waren. Heute ist der Zugang wieder möglich. Zum Großteil übernehmen nun Kellner:innen den Job des Sicherheitspersonals. Sobald die Glocke ertönt, wird es hektisch. Und unvernünftige Touris werden mit Nachdruck hinter die eingezeichneten Linien geschoben.
Ein paar Sekunden bleiben allerdings, um in Ruhe noch einige Münzen auf die Gleise zu legen. Unzählige Tourist:innen lassen sich als Mitbringsel aus der Train Street ihr Kleingeld plätten.
Die Train Street in Hanoi: Lohnt es sich?
Bleibt also die Frage: Lohnt sich ein Besuch in der Train Street wirklich? Mein Fazit ist: ja und nein. Nein, weil Hanoi kaum einen Platz zu bieten hat, der derart touristisch geprägt ist wie dieser. Die Straße ist zu voll, die Cafés sind tendenziell teuer, an jeder Ecke wird irgendein Souvenir verkauft.
Und trotzdem würde ich empfehlen, sich die Train Street anzusehen. Es ist ein Erlebnis der anderen Art, die Stimmung in den Kneipen ist entspannt, selbst die ewige Warterei löst etwas in den Menschen aus. Spätestens dann, wenn beim Ertönen der Glocke Jubel ausbricht.
Und eines darf man bei all dem Gedränge ja nicht vergessen: Die Train Street wurde nicht als Tourismusziel hochgezogen, sondern ist historisch so gewachsen. Das ist durchaus bemerkenswert. Und lässt einen vielleicht auch etwas entspannter bleiben, wenn man in Deutschland an einem Bahnhof steht und auch hier mal wieder viel zu lange auf einen Zug wartet.
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