Fachleute hatten den Fall des Lebensmittel-Lieferdienstes Gorillas schon von Anfang an prognostiziert. Der baut nun Hunderte Stellen ab und will damit profitabler arbeiten. Ganz wird diese Begründung dem Unternehmen aber nicht abgekauft. Nach Bekanntgabe der Nachricht kassiert das Start-up heftige Kritik – eine Debatte über das Geschäftsmodell der digitalen Lieferdienste ist entbrannt.
Der Lieferdienst Gorillas trennt sich offenbar von der Hälfte seines Verwaltungsapparats. 300 von 600 dort beschäftigten Mitarbeitern müssen über alle Standorte hinweg gehen. Die Fahrerinnen und Fahrer, die sogenannten Rider, seien vom Stellenabbau nicht betroffen, betonte ein Sprecher.
Gorillas will eigenen Angaben zufolge mit dem Schritt vor allem Kosten sparen, um langfristig profitabel zu werden. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters hat Firmenchef Kagan Sümer die geplante Neuausrichtung der Strategie beschrieben. "Mit Blick auf die Kapitalmärkte im Moment müssen wir weitere Schritte unternehmen, um den Weg zur Profitabilität zu beschreiten", sagt Sümer. Man wolle als profitables Unternehmen an die Börse gehen.
Rasantes Wachstum sei somit kein strategisches Ziel mehr. Fortan soll sich das Geschäft auf die fünf Kernmärkte Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Großbritannien und die USA konzentrieren.
Diese Begründung kaufen ihm aber viele nicht ab.
Tech-Reporterin Hannah Schwär ist davon überzeugt, dass der Stellenabbau nicht einfach auf einen Strategiewechsel zurückzuführen ist. Sie fasst die über tausend Entlassungen bei den Startups Kontist, Gorillas und Klarna allein diese Woche zusammen und ist überzeugt: "Das ist wahrscheinlich nur der Anfang." Ihre Prognose: "Auf den Boom folgt ein harter Startup-Winter. Gerade Firmen, die für Wachstum bisher exzessiv Geld verbrennen, werden Kahlschlag machen", schreibt sie auf Twitter.
Auf Twitter ist unterdessen eine Debatte über das Geschäftsmodell der digitalen Lieferdienste entbrannt.
Ein User bezeichnet digitale Lieferdienste als "Tristesse" und schießt gegen das Geschäftsmodell: "Man kann Gorillas, Getir & Co in OMR Podcasts abfeiern als gäb‘s kein Morgen. Aber sein wir mal ehrlich: Als vermeintlich modernes Geschäftsmodell ist das schon Tristesse pur. Chipsletten in 15 Minuten abends um 8, weil‘s geht. Und dann läuft‘s auch noch schlecht."
Ein weiterer User schreibt: "Was Start-ups wie Gorillas sehr gut können: Geld und Arbeiter:innen verbrennen."
Auch die Berliner Grünen-Politikerin Tuba Bozkurt meldete sich zu Wort. Bozkurt, die in ihrer Partei auch Sprecherin für Industrie und Digitalwirtschaft ist, kritisiert das Geschäftsmodell von Gorillas scharf und fordert ein Vorgehen gegen "disruptive Praktiken". Digitale Lieferdienste wie Gorillas würden häufig Arbeitsschutz missachten und viel zu selten kontrolliert werden. Das müsse sich ändern.
Bei Gorillas können Kundinnen und Kunden per App Supermarktprodukte bestellen. Das Unternehmen bewirbt die Lieferung innerhalb von zehn Minuten. Oft kann der Lieferant diese Zeit jedoch nicht ganz einhalten. Um so schnell wie möglich vor Ort zu sein, betreibt Gorillas ein dichtes Netz an Warenhäusern in den Städten, von denen aus die Produkte ausgeliefert werden.
Das Unternehmen ist seit seiner Gründung im Jahr 2020 immer wieder aufgrund von Konflikten mit seinen Fahrerinnen und Fahrern in die Schlagzeilen geraten. Diese kritisierten vor allem die Arbeitsbedingungen und verliehen ihren Forderungen mit sogenannten wilden Streiks Nachdruck. Inzwischen haben die Rider einen eigenen Betriebsrat.