Dass auf der Welt längst alles wirtschaftlich zusammenhängt, merken Menschen oft erst in Krisenzeiten. Wegen Corona etwa gab es plötzlich Engpässe bei Lieferketten, wo zuvor alle Rädchen reibungslos ineinander gegriffen hatten. Das aber unbemerkt von Privatleuten, die es in Deutschland einfach gewohnt waren, kaufen zu können, was sie gerade wollten. Corona war noch nicht vorbei, da griff Russland die Ukraine an.
Seit Ende Februar ist Krieg in Europa, und plötzlich werden die Menschen in Deutschland auch im Alltag an daran erinnert. Auf eine im Prinzip harmlose, aber doch spürbar Weise: Sonnenblumenöl ist aus. Vorher dürften die wenigsten drüber nachgedacht haben, aber jetzt müsste allen klar sein: Die Ukraine ist der größte Lieferant für den Stoff, der sonst im Überfluss vorhanden ist. Und Fachleute erwarten vorerst keine Verbesserung der Situation. "Bei Sonnenblumenöl ist die Ukraine der wichtigste Lieferant weltweit", sagt ein Sprecher des Verbands der ölsaatenverarbeitenden Industrien (Ovid) in Berlin der Deutschen Presse-Agentur.
Über die Hälfte der weltweiten Exporte von Sonnenblumenöl komme aus dem osteuropäischen Land. Die Exporte sind wegen des Kriegs zum Erliegen gekommen. "Das wird sich auf absehbare Zeit nicht verbessern", so der Ovid-Sprecher.
Privatleute das schon länger: In den Supermärkten sind die sonst stets gefüllten Supermarktregale leer, wo sonst Sonnenblumenöl stand. Inzwischen müssen aber auch die reagieren, die sonst auf Vorrat einkaufen: die Gastronomie. Wer Öl in rauen Mengen verbraucht, ist etwa Fastfood-König McDonald's. Der reagierte nun – und änderte die Rezeptur des Öls, in dem die Pommes frites zubereitet werden.
"Wir nutzen zum Frittieren unserer Pommes eine Pflanzenölmischung – unter anderem aus Sonnenblumen- und Rapsöl – wobei Sonnenblumenöl nur einen kleineren Teil ausmacht", sagt eine Sprecherin von McDonald's Deutschland in München. "Aufgrund der aktuell eingeschränkten Verfügbarkeiten werden wir diesen geringeren Anteil von Sonnenblumenöl vorübergehend weiter reduzieren."
Raps wird an mehr und mehr unterschiedlichen Orten angepflanzt, da herrscht beim Öl kein Mangel. "Beim Raps gibt es kein Problem", bestätigt der Ovid-Sprecher. Allein in Deutschland, Frankreich oder Polen werde Raps auf jeweils einer knappen Million Hektar angebaut. Dass auch Rapsöl derzeit in vielen Supermärkten nicht oder nur schwer zu bekommen ist, liegt laut Verband sowohl an Hamsterkäufen als auch an Logistikproblemen. Denn, auch da gibt es Zusammenhänge, über die normalerweise niemand nachdenkt: Es fehlen Lkw-Fahrer aus der Ukraine, von denen viele bislang für polnische Speditionen arbeiteten.
Gastronomie und Lebensmittelindustrie spüren ebenso wie die Verbraucher, dass die Kosten für Speiseöl in die Höhe schießen. "Wir sehen auf jeden Fall, dass die Preise für Speiseöle drastisch angestiegen sind", sagt Thomas Geppert, der Landesgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga in München. "Es ist durchaus vorstellbar, dass der eine oder andere Gastronom seine Rezeptur anpasst."
Auch McDonald's hat den Betreibern seiner Restaurants bereits empfohlen, die Preise für einige Gerichte auf der Speisekarte zu erhöhen.
Es gibt übrigens noch ein anderes Problem für Hersteller von Speiseöl als den mangelnden Rohstoff: Die Inhaltsangaben auf der Verpackungen müssen stimmen, so ist es natürlich vorgeschrieben. In der Praxis sieht das so aus, dass Verpackungen "oft auf Monate im Voraus produziert" werden, Schnelle Änderungen seien kaum umsetzbar, "zumal wir auch bei Verpackungsmaterialien Engpässe haben", wie eine Sprecherin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie sagt. Sie appelliert an der Stelle an die Behörden: "Hier kann ein Engpass aber durch entsprechende Regelungen der Behörden verhindert werden."
(andi/dpa)