Wer schonmal bei Amazon bestellt hat, weiß: Das Buch, die Handyhülle oder der Föhn kommen häufig umhüllt von Plastik-Füllmaterial zu uns nach Hause. Welche Mengen das insgesamt werden, hat die Umweltschutzorganisation Oceana nun berechnet: Demnach bringen Amazons wachsende Sendungsmengen jährlich tausende Tonnen Plastikmüll mit sich – und in die Umwelt. Amazon habe 2019 weltweit etwa 211.000 Tonnen Plastikverpackungen verursacht; schätzungsweise 10.000 Tonnen seien in Meeren und Gewässern gelandet, wie Oceana erklärte. Der Onlinehändler rechtfertigte sich: Oceana habe den Plastikverbrauch "drastisch falsch berechnet und um mehr als 350 Prozent zu hoch angegeben".
Für ihre Studie hatte die Organisation nach eigenen Angaben unter anderem Amazons Anteil am Onlinehandel in neun Schlüsselmärkten mit dem Verpackungsaufkommen in Verbindung gesetzt und Prognosen zu Abfallmengen betrachtet. Die Ergebnisse wurden auf die weltweiten Aktivitäten des Handelskonzerns hochgerechnet. Laut der Organisation fielen 2019 weltweit knapp eine Million Tonnen Verpackungsmaterial aus Plastik im gesamten Onlinehandel an. Für das Jahr 2025 rechnet Oceana mit einer doppelt so hohen Zahl. Die Organisation fordert deshalb, Amazon müsse sich verpflichten, "seinen enormen Plastik-Fußabdruck zu verkleinern", anstatt "leere Behauptungen über das Recycling aufzustellen".
In Deutschland fielen den Berechnungen zufolge im vergangenen Jahr knapp 55.000 Tonnen Plastikverpackungen an. Davon steuerte Amazon laut Oceana knapp 27.000 Tonnen bei – basierend auf einem angenommenen Marktanteil von 48 Prozent hierzulande. Amazon hält dagegen: Laut einem Konzernsprecher verwendet Amazon nur gut ein Viertel der "in Oceanas Bericht geschätzten Menge an Plastikverpackungen". Der Onlineriese kritisierte die Studie als signifikant falsch: insbesondere die Methodik zur Berechnung des Plastikaufkommens anhand des Anteils an den Online-Verkäufen in einem Land sei fehlerbehaftet. Ein Meeresforscher sagte dagegen in der "Tagesschau", er sehe keinen Anlass, die Studie grundsätzlich infrage zu stellen.
Den Umweltschützern zufolge kommt der viele Plastikmüll vor allem durch die von Amazon verwendeten Luftpolster und anderes Innenfutter von Paketen und Briefumschlägen zustande. Der anfallende Müll werde größtenteils deponiert oder verbrannt oder gelange in die Umwelt, denn die von Amazon hauptsächlich verwendete Plastikfolie werde "so gut wie nie recycelt", erklärte Oceana. Das Material hat demnach auf dem Recyclingmarkt "nahezu keinen Wert" und wird von den meisten kommunalen Verwertungsprogrammen in den USA, Kanada und Großbritannien nicht akzeptiert.
Angesichts der durch die Corona-Krise gestiegenen Bestellmengen und des Wachstums von Amazon steige auch der Plastikabfall "mit beängstigender Geschwindigkeit", warnte Oceana-Strategieexperte Matt Littlejohn. "Es ist höchste Zeit, dass Amazon auf seine Kunden hört, die laut jüngsten Umfragen plastikfreie Lieferungen wollen." Laut einer Umfrage der Organisation unter 5000 Amazon-Kunden in den USA, Kanada und Großbritannien in diesem Jahr wünschten sich 87 Prozent plastikfreie Lieferoptionen.
(ftk/afp)