Das Elektroauto-Unternehmen Tesla ist aus dem ESG-Index für angeblich nachhaltige Investments gestrichen worden. Tesla-Chef Elon Musk zeigt sich darüber verärgert – und beschwert sich unter anderem auf Twitter. Der 50-Jährige bezeichnet die Anlagekategorie ESG als "Schwindel" und schreibt, dass der Index-Anbieter seine Integrität verloren habe. Musk zieht dabei auch einen Vergleich zum Ölkonzern Exxon, der weiterhin in den Top-10 der nachhaltigen Anlagen der ESG gelistet sei.
Die Abkürzung ESG steht für "Environmental, Social, and Governance", womit in der Finanzwelt die Kriterien gemeint sind, nach denen eine nachhaltige Unternehmensführung bewertet wird. Erfüllt ein Unternehmen diese, wird es oft in "nachhaltig" gekennzeichnete Aktienfonds aufgenommen – und kann damit auch an finanziellem Wert gewinnen.
Trotz der Tatsache, dass die Elektroautos von Tesla beim Fahren kein CO2 ausstoßen und sich das Unternehmen unter anderem auf die Herstellung von Solarzellen spezialisiert, hat es Tesla nicht auf die Liste der "nachhaltigsten" Anlagen geschafft. S&P Dow Jones Indices erläuterte die Entscheidung in einem Firmenblog. Es gebe "viele Gründe", dass Tesla – trotz der selbst erklärten Mission, den Übergang zur nachhaltigen Energie zu beschleunigen – nicht mehr in den S&P 500 ESG Index gehöre.
Dazu zählten Rassismus-Vorwürfe und Klagen über schlechte Arbeitsbedingungen in Teslas US-Autofabrik sowie der Umgang mit Untersuchungen zu teilweise tödlichen Unfällen in Verbindung mit dem Fahrassistenten "Autopilot", erklärte S&P-Analystin Margaret Dorn. Trotzdem sei Teslas Nachhaltigkeitsranking im vergangenen Jahr relativ stabil geblieben. Doch der Rest der Autobranche habe sich deutlich verbessert, wodurch Tesla im Vergleich abgerutscht sei.
Elon Musk machte seinem Ärger in einer Reihe von Tweets Luft. So postete er ein Meme, in dem er schreibt, was den ESG-Index ausmache: "Er bestimmt, wie konform dein Unternehmen mit der linken Agenda geht". Als Bildbeschreibung verkündete Musk dazu: "Obwohl Tesla mehr als jedes andere Unternehmen jemals für die Umwelt tut!"
Tesla hatte ESG-Kriterien zuvor schon als "grundlegend fehlerhaft" bemängelt. Kritik an ESG-Finanzprodukten gibt es schon länger. Gängige Vorwürfe von Experten sind etwa, dass der Markt nicht ausreichend reguliert sei und der Finanzindustrie das Label eher als Verkaufshilfe diene. Durch einen Mangel an klaren und einheitlichen Definitionen, was eigentlich als nachhaltige Geldanlage gilt, besteht zum Beispiel bei entsprechenden Investmentfonds mitunter "Greenwashing"-Verdacht.
Doch was genau ärgert Musk so sehr am Rausschmiss aus nur einem Aktienindex? "Elon Musk geht es nicht vorrangig um den finanziellen Schaden, sondern um einen Reputationsschaden", sagt Christian Klein, Professor für nachhaltige Finanzwirtschaft an der Universität Kassel, auf Anfrage von Watson.
Zum Tesla-Ausschluss stehe allerdings gerade eine wichtige Grundsatzdiskussion im Vordergrund: "Es geht darum, was ist überhaupt Nachhaltigkeit und wie messe ich das? Momentan gibt es viele Rating-Agenturen, die unter anderem auch Nachhaltigkeits-Ratings machen. Sie bewerten eben unterschiedliche Unternehmen und vergeben 'Schulnoten' wie sehr Unternehmen nachhaltig sind – oder eben nicht", erklärt Klein.
"Speziell bei Tesla ist jetzt der Witz, dass es der weltweit führende Hersteller von Elektroautos ist: Aus dem Blickwinkel heraus, dass wir Elektroautos wegen Klimaschutz brauchen, wird Tesla dann im einen Ranking als durchaus nachhaltig eingestuft", ordnet Klein im Gespräch mit watson ein.
Doch da jedes Rating-Agenturen bisher nach sehr unterschiedlichen Kriterien vorginge, würden für dasselbe Unternehmen je nach Agentur andere Ergebnisse bei der Beurteilung über seine Nachhaltigkeit zustande kommen.
Auf Twitter äußerte sich auch Klimaexperte Volker Quaschning zu Elon Musk und dessen jetzt deutlich abgenommenes Interesse am Klimaschutz.
Quaschning kritisierte, dass Musk Klimaschutz nur für ein besseres Unternehmensimage von Tesla verfolge, das Unternehmen an sich aber "kein Beitrag gegen die Klimakrise" sei. "Die Umweltstandards von Tesla, zum Beispiel der Einsatz erneuerbarer Energien oder das Wassermanagement, sind sicher verbesserungswürdig – insofern wundert mich die Entscheidung des ESG-Index nicht", bewertete Quaschning die Entscheidung auf Nachfrage von Watson.
(si/dpa)