Zwei Klimaaktivisten der Klimaschutz-Bewegung "Just Stop Oil" sind am Mittwochabend in Den Haag zu Haftstrafen von je zwei Monaten verurteilt worden.
Ihre Straftat: Sie hatten das weltberühmte Gemälde "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" von Johannes Vermeer mit Tomatensoße bekleckert und sich mit Klebstoff an der Schutzscheibe des im Museum Mauritshuis in Den Haag ausgestellten Gemäldes festgeklebt.
Ein dritter an der Aktion beteiligter Mann, der Tomatensoße auf das Bild geworfen und zudem gefilmt hatte, soll erst am Freitag vor Gericht erscheinen. Beschädigt worden war das Gemälde bei der Aktion nicht. Leichte Schäden gab es dem Museum zufolge aber an der Wand, der Rückseite des Bildes und am Rahmen.
Das Gericht in Den Haag sprach bei der Urteilsverkündung dennoch von einer "schockierenden" Tat, wie die niederländische Nachrichtenagentur ANP berichtete. In einer Pressemitteilung, in der das Urteil verkündet wurde, sagten die Staatsanwälte, sie wollten Aktivist:innen damit "ein Signal senden" und fügten hinzu: "Ein Kunstwerk, das dort hängt, damit jeder, wir alle, es genießen können, wurde von den Angeklagten beschmiert, die fühlten, dass ihre Botschaft Vorrang vor allem anderen hätte."
Auch in Deutschland kam es vor allem in den letzten zwei Wochen vermehrt zu Blockaden und Protestaktionen von Klimaaktivist:innen. Unter anderem bewarfen Mitglieder der "Letzten Generation" im Potsdamer Museum Barberini ein Monet-Gemälde mit Kartoffelbrei, blockierten Straßen und klebten sich neben Dinosaurierskelette im Berliner Naturkundemuseum.
Laut dem deutschen Justizminister Marco Buschmann (FDP) wären in bestimmten Fällen auch Gefängnisstrafen für Klimaaktivist:innen möglich. "Wer Kunstwerke bewirft, kann sich einer Sachbeschädigung strafbar machen. Eine Straßenblockade kann als Nötigung bestraft werden. Und wenn Rettungswagen ausgebremst werden, kommt auch eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung in Betracht", sagte er der "Bild"-Zeitung.
watson hat dafür bei Joschka Selinger nachgefragt. Er ist Rechtsanwalt bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte.
Aktuell würden in Deutschland zahlreiche Strafverfahren gegen Aktivist:innen der "Letzten Generation" laufen, denen etwa aufgrund ihrer Teilnahme an Sitzblockaden Nötigung vorgeworfen wird, erklärt er.
Da es sich aber um viele unterschiedliche Aktionen handele, könne man die Rechtmäßigkeit der einzelnen Protestaktionen nicht pauschal beurteilen, gibt der Rechtsexperte zu bedenken. Gegenüber watson betont er jedoch:
Deshalb komme es auf eine Güterabwägung im Einzelfall an: mit der Versammlungsfreiheit der Aktivist:innen auf der einen und der Fortbewegungsfreiheit der blockierten Autofahrer:innen auf der anderen Seite der Beurteilung.
Als Beispiel nennt Selinger den Fall einer Berliner Aktivistin: Sie sei kürzlich vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen worden, weil das Gericht davon ausging, dass die Ausübung der Versammlungsfreiheit überwog.
Anders verhalte sich die Rechtslage bei Aktionen, die keine Versammlungen sind, etwa wenn Aktivist:innen die Parteizentralen in Berlin mit Farbe besprühen. "Hier stehen andere Straftatbestände wie Sachbeschädigung im Raum an", ordnet Selinger ein.
Ähnlich wie die Protestaktion in Den Haag hatten Klimaaktivist:innen auch ein Monet-Gemälde in Potdam mit Kartoffelbrei beworfen. Müssen sie deshalb auch mit Haftstrafen rechnen?
Hier müsse zunächst festgestellt werden, ob es überhaupt zu einer Beschädigung des Gemäldes oder des Rahmens kam, antwortet Selinger auf Nachfrage von watson. "Wenn das nicht der Fall ist, etwa weil das Gemälde durch eine Glasscheibe geschützt und der Rahmen nicht beschädigt ist, scheidet eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung aus."
Sollte das anders sein, hänge das Ausmaß der Strafe von den konkreten Umständen des Falls ab, "also etwa von der Höhe des Schadens oder den Motiven und dem Vorleben der Aktivist:innen". Das Vorleben, also auch schon frühere Protestaktionen der "Just Stop Oil"-Aktivist:innen, hätten nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters bei der Urteilsbildung in Den Haag mitreingespielt. So hätten die Staatsanwälte ursprünglich vier Monate Haft je Angeklagtem beantragt.
"Die Gerichte berücksichtigen die Motivation der Aktivist:innen in der Regel auch bei der Strafzumessung", antwortet Selinger. So hätten viele Richter:innen durchaus deutlich gemacht, dass sie die Anliegen der Aktivist:innen ernst nehmen würden. "Die Strafen bewegen sich bislang am unteren Ende des Strafrahmens."
Auch auf ausdrücklichen Entschluss der Richterin wurde beim Urteil in Den Haag die Haftstrafe auf je zwei Monate halbiert. Die Richterin begründete ihre Entscheidung damit, dass sie mit dieser Strafe nicht andere Menschen von der Demonstration abhalten wolle.