Am 3. April startet der Vorverkauf des 49-Euro-Tickets – es ist der preislich angehobene Nachfolger des beliebten 9-Euro-Tickets vom vergangenen Sommer. Mit dem bundesweit gültigen Monatsticket für den Nahverkehr will das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) einen starken Anreiz zum Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel geben.
Das Deutschlandticket ist dabei personengebunden, also nicht übertragbar und jeder Nutzende muss ein Abonnement abgeschlossen haben, das aber monatlich kündbar sein soll. Dafür können Reisende bundesweit wieder mit allen Regionalzügen, Bussen, Straßenbahnen, U- und S-Bahnen fahren.
Eine Ausweitung der Leistungen gibt es trotz Anhebung des Ticketpreises allerdings nicht. Auch weiterhin sind darin keine Fernzüge wie etwa ICE, EC und IC der Deutschen Bahn oder anderer Anbieter enthalten. Und auch keine Fernbusse.
Das sei ein unfairer Wettbewerb, findet der Marktführer unter den deutschen Fernbus-Anbietern Flixbus. Wenn Flixbus nicht auch Teil des 49-Euro-Tickets werde, drohe eine deutliche Verkleinerung des Streckennetzes, sagte Flixbus-Chef André Schwämmlein vergangenes Wochenende, wie die "Bild"-Zeitung berichtete.
"Fernbusse sollten Teil des Deutschlandtickets sein. Wir standen dazu in den vergangenen Monaten im kontinuierlichen Austausch mit dem BMDV und haben durchaus positive Signale für eine Einbindung der Fernbusse erhalten", antwortet Sebastian Meyer, Sprecher von Flixbus in Deutschland, auf Anfrage von watson.
Laut Umfragen, die Flixbus vorliegen, würden rund zehn Millionen Deutsche den Fernbus beim Deutschlandticket gern dabeihaben wollen. Wobei auch der Staat profitieren würde, wie Meyer betont: "Sämtliche Berechnungen gehen von mindestens 250 Millionen Euro Zusatzeinnahmen für den Bund aus, wenn der Fernbus dabei wäre."
Eigenen Angaben zufolge verfolgt Flixbus mit seinen Forderungen kein Zusatzgeschäft, sondern möchte eine neuerliche Wettbewerbsverzerrung verhindern. Außerdem will der Anbieter über sein Fernbus-Angebot die Lücke zwischen Regional- und Fernverkehr schließen. Eine wichtige Motivation für den Einspruch vom Mobilitätsunternehmen Flix, dem Konzern der hinter Flixbus und Flixtrain steht, dürfte aber auch sein, dass es fürchtet, abgehängt zu werden. Weil die Menschen mit Deutschlandticket vermehrt die Regionalbahnen statt der Fernbusse nutzen.
Der Stand beim BMDV sieht bislang allerdings anders aus, wie eine Sprecherin auf Nachfrage von watson äußert:
Doch woran liegt es, dass zwar die Bahn subventioniert wird, Fernbusse jedoch von Vergünstigungen ausgeschlossen werden?
Um das Fernbussystem in Deutschland genauer zu verstehen, hat watson die Situation von Mobilitätsexpert:innen des IGES Instituts, einem privatwirtschaftlichen Forschungs- und Beratungsinstitut für Infrastrukturfragen, einordnen lassen.
Auf Anfrage erklärte das Institut, dass das heutige Fernbussystem in Deutschland von mehreren Unternehmen betrieben werde. Diese bieten Fahrten zu Zielen in ganz Deutschland und darüber hinaus ins Ausland an. Das sei aber erst durch eine Marktliberalisierung und Aufhebung von einigen Beschränkungen im Fernbuslinienverkehr im Jahr 2013 möglich geworden: Erst seitdem wurde ein freier Wettbewerb zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern ermöglicht.
Dennoch solle durch diese Regelung sichergestellt werden, dass das flächendeckende Eisenbahnverkehrsangebot durch Zubringerleistungen im Fernbusbereich geschützt und ergänzt werde, erläutert IGES auf Nachfrage. Bedeutet: Die Deutsche Bahn als Verkehrsanbieter soll also nicht zu starke Konkurrenz erhalten.
Daher gebe es Bedingungen an die Fernbuslinien, wie zum Beispiel, dass der Abstand zwischen zwei Fernbushaltestellen mehr als 50 Kilometer oder über eine Stunde Reisezeit betragen müsse. Wie das Institut erklärt, hänge der strukturelle Unterschied zwischen dem Fernbussystem und dem Bahnsystem in Deutschland hauptsächlich mit den Eigentumsverhältnissen und der Infrastruktur zusammen.
So befindet sich das Schienennetz im Besitz der Deutschen Bahn (DB Netz AG), die als staatliches Unternehmen für die Instandhaltung und den Betrieb des Schienennetzes verantwortlich ist. Im Gegensatz zu Fernbussen, wie ein Sprecher vom IGES Institut auf Anfrage von watson ferner erläutert:
So stehen Regulation und Subventionierung auf der einen und Liberalisierung und wirtschaftliches Risiko auf der anderen Seite der Verkehrsträger. So wird es vom sogenannten "Regionalisierungsgesetz" vorgeschrieben, wie auch das BMDV festhält.
Doch was bedeutet das jetzt für das Deutschlandticket?
"Der Einbezug von Fernbussen könnte sich für das geplante Deutschlandticket rechnen", beurteilt Elias Olshausen, Leiter des Bereichs Mobilität am IGES Institut, die Lage.
Das sei das Ergebnis eines IGES-Gutachtens, das von Flix in Auftrag gegeben wurde: "Dies brächte zusätzliche Mehreinnahmen durch Ticketverkäufe in Millionenhöhe. Zudem würde es die Anbindung ländlicher und strukturschwacher Gebiete an den Regionalverkehr fördern", erklärt Olshausen.
Nach Angaben des privatwirtschaftlichen Instituts würde die Integration von Fernbussen außerdem die Umwelteffekte des Deutschlandtickets durch weitere CO2-Einsparungen unterstützen. Deswegen empfiehlt Mobilitätsexperte Olshausen, Fernbusse in einer Pilotphase in das Deutschlandticket einzubeziehen. "So könnten weitere Daten gewonnen werden, um die künftige Ausgestaltung des Tickets inklusive der Fernbusse besser planen zu können. Nötig wäre zudem eine juristische Bewertung der gesetzlichen Rahmenbedingungen."
Das BMDV jedenfalls hält sich zu neuen Entscheidungen zu Finanzierungsangeboten noch bedeckt. Auf Nachfrage von watson heißt es aus dem BMDV bislang nur: "Die Frage ob und wie Fernbusse künftig gegebenenfalls in das kürzlich beschlossene Regionalisierungsgesetz zu einem späteren Zeitpunkt eingebunden werden können, befindet sich noch in Abstimmung."