Julia Stephan und Isabelle Friedrich kreieren für ihren Blog "Zucker&Jagdwurst" Rezepte für vegane Hausmannskost und Comfort Food. bild: hella wittenberg
Doppelinterview
11.01.2024, 08:5211.01.2024, 08:53
Dass es sich bei dem Foodblog von Julia und Isa um veganes Comfort Food handelt, würde einem bei dem Namen "Zucker&Jagdwurst" nicht in den Sinn kommen. Auch beim Durchscrollen ihrer Rezepte fällt einem das erst auf, wenn auf der Zutatenliste für den Eiersalat keine Eier und bei den Buletten kein Hack gelistet sind.
Aber genau das ist das Ziel der beiden: Vegan kochen – und zwar so gut und so unauffällig ohne tierische Zutaten, dass es jeder und jedem schmeckt.
Wie man den Sprung in die vegane Ernährung schafft und warum man nicht so hart mit sich selbst ins Gericht gehen sollte, erzählen sie watson im Interview.
Julia und Isa sind ständig dabei, neue vegane Rezepte zu entwickeln. bild: hella wittenberg
Julia, als Kind wolltest du Wurstfachverkäuferin werden – stattdessen betreibst du jetzt gemeinsam mit Isa den veganen Foodblog "Zucker&Jagdwurst". Woher der Sinneswandel?
Julia: Das war jetzt kein jahrelanger Berufswunsch von mir, aber ich bin auf jeden Fall mit Wurst und Fleisch aufgewachsen und mochte den Geschmack. Als Kind fand ich es immer beeindruckend, wenn sie Wurst auf das Gramm genau abwiegen konnten oder man kostenlos irgendwas auf die Hand bekommen hat – so ist damals als Kleinkind dieser Berufswunsch in mir herangewachsen.
Was hat sich verändert?
Julia: Als ich zwölf Jahre alt war, ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, woraus die Wiener Wurst, die ich so gern esse, eigentlich besteht. Das war für mich der Punkt, wo ich entschieden habe, dass ich kein Fleisch mehr essen möchte.
Ist diese Geschichte auch der Grund für euren doch eher ungewöhnlichen Blog-Namen?
Julia: Lustigerweise mögen viele diese Geschichte. Der Name trifft einfach unseren Humor. Aber ja, geschmacklich mochten wir Fleisch früher beide gern – wir sind also nicht aus geschmacklichen Gründen vegan geworden.
Seit ihr 2010 und 2013 Veganerinnen geworden seid, hat sich vieles zum Besseren verändert. Was waren denn damals eure größten Struggles?
Julia: Bevor ich vegan geworden bin, habe ich schon sehr lange vegetarisch gegessen – seit ich zwölf war. Als ich von Zuhause ausgezogen bin, habe ich mich beim Einkaufen immer mehr hinterfragt und alle tierischen Produkte aufgegeben, von heute auf morgen. Für mich war der Struggle damals vor allem das Geld als Studentin.
Ist das heute einfacher?
Julia: Ja. Natürlich gibt es auch heute noch teure Ersatzprodukte, aber damals gab es kaum etwas und erst recht keine preiswerten Eigenmarken. Die Fragen, die sich mir damals stellten, waren: Was esse ich denn jetzt überhaupt? Und warum ist der vegane Joghurt so teuer? Das dauert erst einen Moment, bis auffällt, dass Nudeln mit Tomatensauce ja auch schon vegan und überhaupt nicht teuer sind.
"Ich war das typische Mädchen, das gern mal Hühnchen gegessen hat."
Food-Bloggerin Isa
Isa: Ich hatte tatsächlich ein bisschen Glück. Ich habe nie gern Käse oder Steak gegessen. Und ich habe schon immer viel gebacken – Eier waren für mich also das größere Problem. Dadurch, dass ich vegan geworden bin, als ich von Zuhause ausgezogen bin, musste ich alles neu lernen. Und dann war man plötzlich dazu gezwungen, sich etwas zu kochen und hat dann halt probiert, probiert, probiert, bis es irgendwann besser geschmeckt hat. Zum Glück!
Julia: Heutzutage ist es ja so entspannt – wenn du gern Hühnchen mochtest, dann findest du vegane Produkte, die 1:1 nach Hühnchen schmecken.
Was das Ganze wahnsinnig vereinfacht.
Julia: Gerade für Eltern und Großeltern, die für ihre veganen Kinder plötzlich anders kochen sollen, ist es natürlich toll, wenn sie wie sonst ein Schnitzel in die Pfanne werfen können, nur eben in vegan. Wenn man die Firma gut findet, kauft man vielleicht auch mal den veganen Wurstaufschnitt. Ich sehe das jetzt auch bei meinen Eltern – die kaufen die vegane Wurst, weil sie schon verstanden haben, dass es cool ist, wenn man nicht so viel Fleisch isst.
Wie haben eure Familien denn reagiert, als ihr entschieden habt, vegan zu leben?
Isa: Zu meinem Hintergrund: Ich komme aus einer Familie mit schwäbischen Wurzeln. Das heißt, ich bin mit Maultaschen, Spätzle, Zwiebelrostbraten und Leberkäse groß geworden. Meine Mutter war schon sehr genervt, weil ich dann doch irgendwie immer eine Extrawurst brauchte, was ich auch nachvollziehen kann. Ich musste auf jeden Fall sehr viel diskutieren. Das hat wirklich gedauert, gerade bei meiner Oma, die immer sagt: "Fleisch ist ein Stück Lebenskraft." Heute noch fragt sie mich zu Weihnachten, ob ich nicht wenigstens dann mal ein Stück Fleisch essen will.
"Die meisten üben viel zu viel Druck auf sich aus und versuchen gleich alles perfekt zu machen. Das ist aber Quatsch."
Food-Bloggerin Isa
Und bei dir, Julia?
Julia: Also dadurch, dass ich zwölf war, als ich Vegetarierin wurde, haben meine Eltern das am Anfang gar nicht so richtig ernstgenommen, aber sie haben es akzeptiert. Es hat sich dann so nach und nach eingebürgert, dass ich kein Fleisch esse. Und als ich dann vegan geworden bin, meinten sie, dass es aber deutlich entspannter war, als ich nur Vegetarierin war. Ansonsten war es für mich mit keinen wirklichen Diskussionen verbunden.
Viele – oftmals älter Menschen – haben eine Abwehrhaltung, sobald sie hören, dass etwas vegan ist. Habt ihr einen Tipp, wie man auch sie von der veganen Ernährung überzeugen kann?
Julia: Ich glaube, die aktuelle Fridays-For-Future-Generation erklärt der älteren Generation sowieso unfassbar viel. Für die ist es wahrscheinlich gar kein Stress, dann auch noch zu erklären, warum sie ihren Fleischkonsum reduzieren oder komplett auf vegan geswitcht sind.
Mal angenommen, ihr habt jemanden vom Veganismus überzeugt. Habt ihr Tipps, wie man am besten in die vegane Ernährung reinkommt?
Isa: Der erste Tipp ist, dass man sich erst einmal entspannen sollte. Die meisten üben viel zu viel Druck auf sich aus und versuchen, gleich alles perfekt zu machen. Das ist aber Quatsch: Je mehr man sich da verkopft, umso schneller ist man überfordert und lässt es dann vielleicht doch. Man kann langsam anfangen und erst einmal nach einer guten Milchalternative gucken, danach knüpft man sich den Joghurt vor. Manche machen es auch so, dass sie erst das Frühstück auf vegan umstellen, dann das Mittagessen und dann das Abendbrot. Oder sie starten mit einer veganen Mahlzeit in der Woche – einfach ganz entspannt und ohne viel Druck drangehen.
"Man muss sich nicht groß überfordern und denken, man müsse jetzt richtig abliefern."
Food-Bloggerin Isa
Und wie sieht es mit Rezepten aus?
Isa: Wir sagen immer, dass es sinnig ist, die Rezepte, die man sowieso schon kocht, zu veganisieren und ganz simpel anfängt: Nudeln mit Tomatensauce, mit Reis gefüllte Paprikaschoten, Tomatensuppe. Und bei einer Suppe nimmt man dann eben eine Hafersahne statt normaler Sahne, fertig. Man muss sich nicht groß überfordern und denken, man müsse jetzt richtig abliefern.
Das ist ja auch Ziel eures Food-Blogs: Menschen von veganer Ernährung zu überzeugen, die sie mit Verzicht, viel Aufwand und geschmacklosem Grünzeug verbinden.
Julia: Es ist uns zumindest schon geglückt! Wir haben schon Kuchen auf den Tisch gestellt, ohne, dass die Leute gemerkt haben, dass er vegan ist, und sowas gesagt haben, wie: "Dafür, dass der Kuchen vegan ist, schmeckt er aber ganz okay."
Isa: Oder die Leute haben gefragt, welche unserer Blog-Rezepte vegan sind. Dadurch, dass wir viele klassische Rezepte kochen, merken die Leute oft erst im zweiten Schritt, dass sie vegan sind. Auf den Bildern sehen sie nämlich gar nicht so aus. Natürlich ist es auch geil, wenn man es schafft, vegane Rouladen anzuschneiden und nicht auf den ersten Blick erkennt, dass es kein Fleisch, sondern eine Scheibe Aubergine ist.
Hinweis der Redaktion: Dieses Interview haben wir erstmals im Dezember 2022 veröffentlicht. Da er besonders beliebt war, haben wir es wo nötig aktualisiert und jetzt, zum Veganuary 2024, erneut publiziert.