Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future zum Klimaschutzgesetz: Lass das mal die Profis machen

28.03.2023, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz gibt neben Kenias Präsidenten Ruto im Bundeskanzleramt eine Pressekonferenz. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Wie ernst meint es die Ampel-Regierung von Olaf Scholz mit der Erfüllung der Klimaziele? Im Gastbeitrag zweifeln das Fridays for Future an.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Gastbeitrag

Fridays for Future zum Klimaschutzgesetz: Lass das mal die Profis machen

21.04.2023, 16:04
Etienne Denk, Gastautor
Mehr «Nachhaltigkeit»

Am Montag hat der Expertenrat für Klimafragen (ERK) seinen Prüfbericht vorgestellt – wie im Klimaschutzgesetz vorgesehen. Die Vorsitzende des Gremiums Brigitte Knopf bezeichnet diesen als "watchdog". Er prüft, ob die Klimaziele, die sich die Regierung setzt, in dem Sinne glaubhaft sind, als dass sie mit Maßnahmen hinterlegt sind.

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Auf den ersten Blick ist in diesem Bericht wenig Neues zu finden. Die bekannten Sorgenkinder Verkehr und Gebäude verfehlen auch weiterhin jährlich ihre Ziele, kein einziger Sektor ist auf einem guten Weg. Und die kleinen "Erfolge", die es gibt, sind nicht auf gute Klimapolitik, sondern auf die Witterung oder kriegsbedingt hohen Energiepreise zurückzuführen.

Trotzdem können wir etwas Wichtiges aus dem Bericht und der zeitgleich veröffentlichten Ankündigung von Olaf Scholz lernen: Der Bundeskanzler entlasse Volker Wissing aus der gesetzlichen Pflicht, ein Sofortprogramm vorzulegen. Dafür muss ich kurz ausholen und das wohl wichtigste Wort der aktuellen Klimapolitik vorstellen.

Die neue Kategorie der Klimapolitik ist: Glaubwürdigkeit

Glaubwürdigkeit bedeutet für mich zwei Dinge: a) ich habe gute Gründe, einer Person oder Partei zu glauben, dass sie überhaupt den politischen Willen hat, ernsthaft gegen die Klimakatastrophe anzukämpfen. Und b) ich habe gute Gründe zu glauben, dass eine Person, Partei oder Regierung die geeigneten Maßnahmen ergreifen wird, um das tatsächlich zu bewerkstelligen.

"Wer meint das ernst und wer sagt das nur, weil er weiß, dass er das sagen muss?"

Schaut man sich Umfragen an, sieht es da für die Parteien nicht besonders gut aus.

Obwohl laut ARD-Deutschland Trend dem Thema Klimaschutz in der Bevölkerung die höchste Bedeutung zugeschrieben wird, sagen die meisten Menschen, dass sie keiner Partei zutrauen, das Problem in den Griff zu kriegen. Dafür haben die Befragten auch gute Gründe: Im Bundestagswahlkampf kam eine Studie des DIW zum Schluss, dass kein einziges Wahlprogramm die Klimaziele einhalten würde. Und seit der selbsternannte "Klimakanzler" die Regierung anführt, gab es noch kein Jahr, in dem alle Sektoren ihre Ziele erreicht hätten. Das musste der Expertenrat wieder einmal anmahnen.

ARCHIV - 10.03.2023, Rheinland-Pfalz, Mainz: Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales, spricht während eines Interviews. (zu dpa «Wissing fordert europäische KI-Regeln: «Verbot i ...
Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Volker Wissing (FDP). Bild: dpa / Sebastian Gollnow

Hier schimmert schon der richtige Gedanke durch. In einer Zeit, in der alle sagen, sie stünden für Klimaschutz, ist die relevante Kategorie: Wer meint das ernst und wer sagt das nur, weil er weiß, dass er das sagen muss?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns fragen, wie wir möglichst schnell und möglichst eindeutig erkennen können, wer nur versucht, uns und die Öffentlichkeit zu täuschen. Und hier kommt der Expertenrat für Klimafragen ins Spiel.

"Macht die Ampel-Regierung einen guten Job? Okay, das ist einen Scheinfrage. Wir wissen alle: Das tut sie nicht."

Macht die Ampel-Regierung einen guten Job? Okay, das ist eine Scheinfrage. Wir wissen alle: Das tut sie nicht. Die Frage müsste lauten: Scheitert sie nur aufrichtig an hochgesteckten Zielen oder unternimmt sie gar keinen ernsthaften Versuch, die Ziele zu erfüllen? Hier gibt uns der Prüfbericht des Expertenrats ein paar Hinweise.

Entscheidend ist allerdings schon, dass auch der ERK in ähnlichen Kategorien denkt. Im Bericht heißt es beispielsweise:

"Wichtiger als die Vergangenheit ist doch, ob die künftigen Planungen der Regierung glaubhaft sind, die Klimaziele zu erreichen."

Schaut man in die nicht allzu lange Geschichte des Klimaschutzgesetzes, erkennt man, zu welchem einzigartigem Zeitpunkt es beschlossen wurde.

Ampel deutet Rückschritte bei Transparenz im Klimaschutz an

Es war ein Zeitpunkt, an dem allen Parteien klar war, dass die Klimapolitik nicht mehr so weitergehen konnte, wie bis zu diesem Zeitpunkt. Die Regierung hat ihre Babysteps in Richtung Klimaschutz gemacht, die Opposition hat mehr Ambition gefordert. Wie das halt so ist in der Politik. Das Bemerkenswerte war die Selbstbindung und die Transparenz, die im Klimaschutzgesetz angedeutet war.

Etienne Denk, 22, studiert in München Philosophie und Geschichte. Er ist seit Anfang 2019 bei Fridays for Future aktiv.
Etienne Denk, 22, studiert Philosophie und Geschichte und erarbeitet seit 2019 Forderungen bei Fridays for Future.Bild: fridays for future / pressebild

Die Regierung hat sich verbindliche Ziele in ein Gesetz geschrieben und ein unabhängiges Gremium beauftragt, sie zu überwachen (den Expertenrat). Sie hat es sich selbst schwerer gemacht, die Verantwortung so lange untereinander herumzuschieben, bis niemand mehr etwas machen muss.

Genau das will die Ampel jetzt aufkündigen. Der Budgetgedanke, der auch vom Bundesverfassungsgericht gefordert wurde, wird vielleicht gleich mit über Bord geworfen, was laut Expert:innen verfassungswidrig sein dürfte. Der Expertenrat für Klimafragen sieht darin, wie alle anderen, die sich mit dem Thema auskennen, einen großen Rückschritt, vor dem er schon in bisherigen Berichten gewarnt hatte.

Sicher geglaubter Konsens zu Klimaschutz ist in Gefahr

Die jährlichen Sektorziele, die Pflicht zum Nachsteuern, sobald man nicht mehr auf dem richtigen Weg ist und das sich-Aussetzen von öffentlicher Kritik durch Transparenz: Liest man den Bericht des Expertenrats und anderer Expert:innen, sieht man, das waren die einzigen Dinge, die zumindest seitens der Regierung angedeutet haben: "Hey, wir wissen, wir müssen etwas tun, und wir haben uns das ernsthaft vorgenommen." Man muss sich klarmachen, dass es diese Aussage ist, die die Ampel gerade revidiert. Darauf weist der Expertenrat uns erneut hin.

"Der als erkämpft geglaubte Konsens über den Willen von Klimaschutz steht unter Druck."

Der als erkämpft geglaubte Konsens über den Willen zum Klimaschutz steht unter Druck. Einen wundervollen Moment lang haben alle Parteien sich zumindest verbal zu mehr Klimaschutz bekannt. Wir mussten nicht mehr darum streiten, ob Handlungsbedarf besteht, wir konnten das als gesetzt annehmen. Aber wenn die Weigerung von Volker Wissing ein gesetzlich verpflichtendes Programm vorzulegen und die Bestrebung, diese Pflicht abzuschaffen eins heißt, dann, dass hier jemand diesen Konsens aufkündigt.

Regierung muss weiter Rechenschaft ablegen

Es scheint fast so, als würde einigen Menschen gerade auffallen, dass sie, unter dem Druck der Öffentlichkeit, aus Versehen etwas Gutes getan haben. Und sie das schnell rückgängig machen müssten, sich aber noch nicht trauen, das direkt zu sagen. Sie testen aus, wie weit sie gehen könnten, bis die Öffentlichkeit sie abstraft. Wie rückwärtsgewandt, wie reaktionär darf ich sein?

"Zumindest ist jetzt eine Sache jetzt wieder deutlich sichtbar: Die Regierung hat gar nicht die Absicht, Klimaschutz zu betreiben."

Aber es gibt eine gute Nachricht: Das Klimaschutzgesetz ist nicht das einzige, wovor die Regierung Rechenschaft ablegen muss. Es gab eine Zeit, in der es das Klimaschutzgesetz noch nicht gab. Dann musste die Regierung vor der Öffentlichkeit, Aktivist:innen, den Bürger:innen, jungen Menschen als Betroffenen Rechenschaft ablegen.

So haben wir das Klimaschutzgesetz und jeden Erfolg erstritten, den es bisher gab. Wenn sie die Pflichten des Gesetzes für sich abschaffen, dann nehmen eben wir sie in die Pflicht! Zumindest ist jetzt eine Sache jetzt wieder deutlich sichtbar: Die Regierung hat gar nicht die Absicht, Klimaschutz zu betreiben. Wenn sie will, dass irgendjemand das glaubt, dann hat sie jetzt viel zu beweisen.

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