Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future: "Wissing muss als Verkehrsminister ersetzt werden"

Volker Wissing, Bundesminister fuer Verkehr und Ditgitales, aufgenommen im Rahmen eines Pressestatements zum Beschluss der Nationalen Wasserstoffstrategie nach einer Kabinettssitzung vor dem Bundeskan ...
Der deutsche Verkehrsminister erntet von Fridays for Future herbe Kritik.bild: IMAGO / photothek
Gastbeitrag

Fridays for Future: "Wissing muss als Verkehrsminister ersetzt werden"

28.07.2023, 14:34
nele evers, gastautorin
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Deutschland ist ein Auto-Land. Kaputt gesparte Schieneninfrastruktur, zu wenig ÖPNV, laute Innenstädte voller Autos, zu wenig Radwege, ...

Die Liste könnte man so noch ewig weiterführen. Die Klimakrise eskaliert, Treibhausgasemissionen sind nach wie vor überall und vor allem im Verkehrssektor zu hoch. Dass der Handlungsbedarf und gleichzeitig auch das Potenzial gerade dort, im Verkehrssektor, riesig sind, ist offensichtlich. Warum tut sich trotzdem effektiv nichts? Kurz gesagt, es liegt bundesweit vor allem an einer Person.

Fridays for Future haben Klimaschutzsofortprogramm veröffentlicht

Minister:innen, die ihre Arbeit verweigern, sind nichts Neues. Und dass Volker Wissing dazu gehört, wissen wir auch schon länger. Es überrascht erstmal nicht, dass er trotz zu hoher Treibhausgasemissionen über die letzten Jahre im Verkehrssektor kein Sofortprogramm vorlegt, um Emissionen zu senken – obwohl er rechtlich dazu verpflichtet ist. Also haben wir als Fridays for Future kurzerhand getan, was logisch und notwendig ist: Wir haben ein Klimaschutzsofortprogramm für Volker Wissing geschrieben.

Vorab: Ein Minister, der geltendes Recht und seine Arbeit so wissentlich und aktiv verweigert, sollte keiner sein. Im Angesicht der Klimakrise muss das Verkehrsministerium, genau wie jedes andere, von einer Person geführt werden, die sich ihrer Verantwortung bewusst ist und diese wahrnimmt. Herr Wissing muss daher als Verkehrsminister ersetzt werden.

Vor allem müssen konkrete Maßnahmen getroffen werden, die jetzt sofort und langfristig Emissionssenkungen im Verkehr bewirken. Das bedeutet unter anderem ein Tempolimit von 120 km/h im gesamten Bundesgebiet, einen Einbaustopp für Verbrennungsmotoren ab 2025 und mehr Geld für den ÖPNV, um ihn endlich überall für alle Menschen zugänglich zu machen. Auch müssen alle fossilen Subventionen, darunter das Dienstwagen- und Dieselprivileg, im Verkehr abgeschafft und Städte autofrei werden.

Nicht zu vergessen: Bis 2023 sollen bundesweit die ÖPNV-Kapazitäten verdoppelt werden, so steht es im Koalitionsvertrag. Aber aufschreiben reicht halt nicht – was versprochen wurde, muss umgesetzt werden.

Maßnahmen aus dem Programm sind nicht utopisch

Was in unserem Sofortprogramm steht, ist kein Hexenwerk. Es ist auch überhaupt nichts Neues. Durch alle notwendigen Maßnahmen zieht sich vor allem eins: Es braucht Geld, für vieles auch Zeit. Aber keine einzige dieser Maßnahmen ist utopisch, solange der politische Wille da ist.

Protestschild mit der Aufschrift Make love, not CO2, das von jungen Menschen während des Freitagsstreiks für den zukünftigen Klimastreik hochgehalten wird, Heidelberg, Deutschland, Europa *** Protest  ...
Die Klimaaktivist:innen gehen seit Jahren für eine bessere Zukufnt auf die Straße.bild: IMAGO / imagebroker

Genau da kommen wir zum größten Problem: Während Herr Wissing seine Arbeit grundsätzlich verweigert, fehlt auch an so vielen weiteren Stellen der grundsätzliche Wille, etwas zu ändern. Ein sehr schönes, aktuelles Beispiel findet sich in meinem Heimatbundesland Niedersachsen. Wer schon einmal versucht hat, mit dem Zug von Hannover nach Hamburg (oder andersherum) zu fahren, ist mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht pünktlich angekommen.

Die aktuell zweigleisige Strecke über Celle, Uelzen und Lüneburg ist seit Jahrzehnten massiv überlastet. Dass etwas passieren muss, ist unvermeidbar – auch, weil in den nächsten Jahren noch mehr Züge, sowohl Personen- als auch Güterverkehr, über die Strecke fahren sollen und müssen, denn schließlich wollen und brauchen wir eine Verkehrswende.

Aktivisten fordern Neubau in Niedersachsen

Die einfachste Lösung: Ein Neubau. Entlang der A7 auf direktem Weg von Hannover nach Hamburg. 20.000 Menschen, die bisher auf ihr Auto angewiesen sind, könnten damit an schnellen ÖPNV angebunden werden. Gerade für junge Menschen wie uns ist das eine riesige Chance: Wir könnten für Studium oder Arbeit kostengünstiger auf dem Land wohnen bleiben oder dorthin ziehen, weil wir unkompliziert pendeln können. Dass das funktioniert, zeigen Projekte in Bayern und Baden-Württemberg.

Doch die Neubaustrecke hat einen Gegner: Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender und Direktabgeordneter im Bundestag. Für ihn ist es ein persönliches Anliegen, denn in seinem Wahlkreis würde die Neubaustrecke durch ein Gewerbegebiet führen. Ein "Unding", wenn man Klingbeil fragt. Ich frage mich: Ist es nicht das eigentliche "Unding", dass eine politische Entscheidung, die maßgeblich über die nächsten Jahrzehnte in einem Bundesland entscheidet, aufgrund persönlicher Präferenzen oder für Stimmerhalt getroffen werden soll?

Fahrrad-Demonstration Berlin, 02.07.2023 - Fahrrad- und Umweltorganisationen demonstrieren gegen die Verkehrspolitik des schwarz-roten Senats. Die Fahrraddemo richtet sich gegen den Stopp aller neuen  ...
In Berlin wurde bei einer Fahrraddemo gegen die Verkehrspolitik des schwarz-roten Senats demonstriert.Bild: www.imago-images.de / imago images

Auch ist Herr Klingbeil der Überzeugung, dass eine Entscheidung für den Neubau undemokratisch von oben herab und durch die Hintertür getroffen würde. So wie viele andere Gegner:innen beruft er sich auf das "Dialogforum Schiene Nord", das 2015 die Variante mit dem geringsten Widerstand ausarbeiten sollte, bei einem Ausbau der Bestandsstrecke ankam und selbst nicht demokratisch legitimiert war.

Seit Jahren ist klar, dass nur eine Neubaustrecke die Engpässe lösen kann und gleichzeitig die kostengünstigste Variante ist. Nicht nur das, ein Ausbau würde auch Jahrzehnte länger dauern, vermeidbare Konflikte mit Anwohner:innen herbeiführen und ewigen Schienenersatzverkehr bedeuten. Ganz ehrlich: Das will niemand.

Es ist klar, dass der Neubau einer Bahnstrecke immer Betroffenheit auslöst. Bundesweite Interessen prallen hier klar mit lokalen zusammen – die schnelle Zugverbindung oder das Gewerbegebiet? Um diesen Konflikt zu lösen, müssen Betroffene zu Beteiligten gemacht werden. Es braucht sachgerechte Diskussionen und eine Menge Bildungs- und Überzeugungsarbeit. Aber das alles ist machbar.

Offener Brief an Lars Klingbeil

Nebenbei ist es erklärtes Ziel der SPD, sozial gerechte Mobilität für alle Menschen zu ermöglichen. Herr Klingbeil, wie soll dann ein einfacher Ausbau der Strecke eine gute, sinnvolle Lösung sein? Wie können Sie den Ausbau der Autobahn A7 verantworten, wenn klar ist, dass neue Straßen zwangsläufig mehr Autoverkehr bedeuten?

Nele Evers ist Abiturientin aus Braunschweig. Sie ist seit 2019 bei Fridays for Future aktiv und engagiert sich in Niedersachsen für eine landesweite Verkehrswende.
Nele Evers ist Abiturientin aus Braunschweig. Sie ist seit 2019 bei Fridays for Future aktiv und engagiert sich in Niedersachsen für eine landesweite Verkehrswende.

Wir sind uns sicher, dass Lars Klingbeil sich genauso wie wir bewusst ist, dass Verkehrswende in Niedersachsen funktionieren kann. Deshalb haben wir ihm einen offenen Brief geschrieben, den er vergangenen Samstag erhalten hat und möchten unsere Einladung hier wiederholen: Herr Klingbeil, wir würden uns sehr freuen, mit Ihnen über die Bahnstrecke Hannover-Hamburg und die Verkehrswende in Niedersachsen zu sprechen. Sehr gerne können wir uns dafür in Ihrem Wahlkreis treffen.

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Deutschland ist ein Auto-Land, aber muss es nicht bleiben. Denn genauso wie Niedersachsen Verkehrswende kann, kann es der Bund. Mit einem kompetenten Verkehrsminister, der die Klimakrise und sein Amt ernst nimmt.

Die Entscheidung über den Bau von Bahnstrecken und die Verkehrswende ist eine über unsere Zukunft. Sie stellt die Weichen für eine sozial gerechte Verkehrswende oder ein Auto-zentriertes Weiter-So. Was wir uns im Angesicht der eskalierenden Klimakrise leisten können, kann sich jeder selber ausrechnen.

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