Seit zwei Wochen ist Krieg in der Ukraine. Der russische autokratische Präsident Wladimir Putin hat die Ukraine völkerrechtswidrig angegriffen.
Bilder aus den angegriffenen Städten in der Ukraine, aber auch von den Ankunftsorten der Flüchtenden und den russischen und belarussischen Städten, in denen zivilgesellschaftliche Proteste gegen diesen Angriffskrieg brutal von der Polizei aufgelöst und tausende Menschen verhaftet werden, erreichen über Twitter, Instagram und TikTok in Windeseile die ganze Welt.
Dieser Krieg ist – wie alle Kriege – eine humanitäre Katastrophe. Dieser Krieg muss – wie alle Kriege – schnellstmöglich enden.
Wenn Klimaaktivistinnen und Energieökonominnen im Rahmen dieses Krieges über fossile Energieträger und den Ausbau der Erneuerbaren sprechen, dann steht schnell der Vorwurf im Raum, den Schrecken des Krieges für eine unterstellte Agenda instrumentalisieren zu wollen. Nichts läge uns ferner.
Vergangenen Donnerstag, eine Woche nach Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine, sind FridaysForFuture-Gruppen weltweit einem Aufruf von ukrainischen Klimaaktivist*innen gefolgt und haben Proteste in Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und auf der Flucht und gegen den Krieg organisiert. Vielfach sind es Menschen, die sonst Klimastreiks organisieren oder Kohlebagger blockieren, die jetzt an Bahnhöfen ankommende Geflüchtete in Empfang nehmen, Menschen aufnehmen, Essensausgaben organisieren oder Hilfsgüter an die Grenze bringen.
Wer über den Krieg spricht, spricht über die Menschen in den beschossenen Städten, Putin, das Militär, die verhafteten Protestierenden in Russland, die zusammengebrochene Energieversorgung, die Sanktionen, die Getöteten, Diplomatie und und und... Wer über den Krieg sprechen will, muss auch über die energiepolitischen und -wirtschaftlichen Hintergründe sprechen.
Dass dieser Krieg einen energiewirtschaftlichen Kontext hat, ist spätestens seit der Aussetzung der Zertifizierung der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 offensichtlich. Noch bevor es zu offiziellen Sanktionen kam, hat die Bundesregierung die Zertifizierung der umstrittenen Pipeline als Reaktion auf die russische Anerkennung der ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk als "unabhängige Volksrepubliken" ausgesetzt. Bis dahin hatten insbesondere Bundes-SPD und die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns alles unternommen, um das fossile Megaprojekt stets als rein "privatwirtschaftliches Unterfangen" darzustellen.
Das Aussetzen ist ein richtiger Schritt – allerdings ist durch Nord Stream 2 noch gar kein russisches Erdgas geflossen; anders als durch den Namensvetter Nord Stream 1 oder die Yamal-Pipeline. Zwar hat Putin schon zu Beginn seiner Invasion in der Ukraine die Erdgaslieferungen in die EU gedrosselt, durch die in Folge des gesunkenen Angebots gestiegenen Erdgaspreises nimmt die russische Regierung jedoch sogar noch mehr Geld als vorher durch den Verkauf ins Ausland ein.
Dieser Krieg ist ein fossiler Krieg: Die Erlöse, die Putins Regierung durch den Export von Gas macht, finanzieren ihn. Und es ist nicht nur russisches Gas: Mehr als eine Milliarde Euro zahlt die EU für Kohle, Öl und Gas aus Russland – täglich. Die Liebe für oder auch Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland geht so weit, dass Sberbank, die größte russische Bank von den Sanktionen gegen die russische Finanzindustrie ausgenommen ist, da dort ein Großteil der Zahlungen für Kohle, Öl und Gas abgewickelt wird. Über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte hat eine unheilige Allianz von Wirtschaftslobbyisten und Parteivertreterinnen aller Couleur sowohl die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern als auch von Putins Regime zementiert.
Der Widerstand gegen die Energiewende, der mangelhafte Umstieg auf Erneuerbare Energien hat die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft in eine Situation gebracht, in der ein drastischer Verzicht auf fossile Energieträger zumindest kurzfristig unmöglich ist. Die Liebe mancher Politiker für den russischen Autokraten und die Liebe fossiler Konzerne für billige Energie haben gleichzeitig dafür gesorgt, dass mehr als die Hälfte der deutschen Energieimporte von eben jener Regierung stammen, die vor zwei Wochen die Ukraine angegriffen hat.
Es ist klar: Dieser Krieg muss schnellstmöglich enden. Die EU muss sichere Fluchtwege und eine menschenwürdige Aufnahme organisieren, für alle Menschen, egal welcher Herkunft – so wie sie es schon seit Jahren tun müsste, aber aufgrund ihrer rassistischen Migrationspolitik nicht tut. Und die Antwort auf diesen Krieg kann nicht ein Aufrüsten sein, das den Menschen in der Ukraine nicht hilft.
Eine Antwort auf diesen Krieg muss aber auch der Stopp der Energieimporte aus Russland sein, auch wenn es schwerfällt. Die Zahlungen für Kohle, Öl und Gas finanzieren den Krieg, der gerade Zivilistinnen und Zivilisten tötet, Krankenhäuser zerstört und Millionen Menschen zur Flucht zwingt.
Dabei ist klar: Der Importstopp kann nur der Anfang sein. Allerdings kann weder die technologisch kaum umsetzbare Verlängerung von Atomkraftwekslaufzeiten oder das Verbrennen klimazerstörerischer Braunkohle nach 2030 eine Antwort auf die energiewirtschaftlichen Fragestellungen der nächsten Jahre sein. Nur der konsequente Ausbau Erneuerbarer Energien, energetische Sanierungen und Millionen Wärmepumpen können langfristig die Unabhängigkeit von Kohle, Öl und Gas und damit potenziell autokratischen Regimen und fossilen Oligarchen sichern.
Dass ein solcher Importstopp zu Preissteigerungen führen kann, so wie sie jetzt schon an Tankstellen und bei Gastarifen zu beobachten sind, kann kein Gegenargument sein. Die Möglichkeiten insbesondere Menschen mit geringem Einkommen zu entlasten, liegen längst auf dem Tisch und müssten nur umgesetzt werden. Gleichzeitig darf die Frage nach Energiepreisen nicht auf dem Rücken der Verbraucherinnen ausgetragen werden – sonst müssen sich im Herbst Menschen mit Gasheizung zwischen Frieren und exorbitanten Gasrechnungen entscheiden, während RWE und Co. noch Profite mit dem Verbrennen von Gas machen.