Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Leinemasch bleibt: Fridays for Future kämpfen für Naturschutzgebiet

Die Leinemasch ist ein wertvolles Landschaftsschutzgebiet.
Die Leinemasch ist ein wertvolles Landschaftsschutzgebiet.Bild: imago images / RAINER Rainer Droese
Gastbeitrag

"Leinemasch bleibt": Fridays for Future kämpfen für Naturschutzgebiet

12.01.2024, 14:04
Martin Kapp, gastautor
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Es ist ein kalter Januartag, auf einem Feld laufen Menschen mit Gummistiefeln durch tiefen Matsch und bauen Barrikaden. Im Wäldchen dahinter hängen Baumhäuser in luftiger Höhe und in einiger Entfernung zu alledem steht eine Mahnwache, an der sich hunderte Aktivist:innen tummeln.

Doch diesmal ist der Ort nicht Lützerath, sondern die Leinemasch in Hannover – und statt eines Tagebaus ist es diesmal eine Schnellstraße, an der sich verfehlte Klimapolitik zeigt.

Der Südschnellweg führt in Hannover durch ein beliebtes Naherholungs- und Landschaftsschutzgebiet mitten in der Stadt. Nun soll er von 14,5 auf 25 Meter verbreitert werden. Damit fallen Bäume und Sträucher in der Fläche von über 16 Fußballfeldern dem autobahnähnlichen Ausbau zum Opfer und machen Platz für Baustraßen, Asphalt und Teer. Badeteiche und Liegewiesen sollen nun einer achtjährigen Baustelle weichen, die mehr als 580 Millionen Euro Steuergelder schluckt. Steuergelder, die für Klimaschutz und nicht für Klimazerstörung eingesetzt werden müssten.

Martin Kapp, 26, ist Aktivist von LeinemaschBLEIBT.
Martin Kapp, 26, ist Aktivist von LeinemaschBLEIBT.bild: Privat

Nach über zwei Jahren des Protests zeichnet sich nun das Finale ab: Weil zwei Brücken des Schnellweges so marode sind, dass sie angeblich dieses Jahr unbedingt repariert werden müssen, steht die Rodung der Leinemasch unmittelbar bevor. Und um neben der Sanierung auch gleich die klimaschädliche und kontroverse Verbreiterung der Straße durchzuziehen, sollen mit der Rodung auch Fakten für den Ausbau geschaffen werden.

Die Politik ist für die Schnellstraße durch das Landschaftsschutzgebiet

Aber neben der Schnellstraße, zwischen Autolärm und Naherholungsgebiet, ist mit der Waldbesetzung Tümpeltown seit Winter 2022 ein Ort des Protests und des solidarischen Miteinanders entstanden, der gemeinsam mit dem Widerstand anderer Gruppen die Rodung um ein Jahr verzögern konnte. Die darauf folgenden Gespräche mit Entscheidungstragenden über Alternativen entpuppten sich als Farce.

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Bundesverkehrsminister Volker Wissing und der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies schaffen stattdessen eine Infrastruktur, die eine sozial- und klimagerechte Mobilität verhindert. Während die Finanzierung des 49-Euro-Tickets wackelt, Bus- und Bahnfahrer:innen unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden und auf dem Land oft sogar überhaupt kein Bus fährt, wird hier Geld für einen Ausbau verschwendet, der nicht den Menschen helfen soll, sondern nur der Wirtschaft.

Die Leinemasch ist ein Naturschutzgebiet. Trotzdem soll dort eine Schnellstraße gebaut werden.
Die Leinemasch ist ein Naturschutzgebiet. Trotzdem soll dort eine Schnellstraße gebaut werden.Bild: imago images / RAINER Rainer Droese

Olaf Lies sagte am 03.01.24 der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung selbst, dass es darum gehe, die Erreichbarkeit von Unternehmen als Standortfaktor zu gewährleisten. Wirtschaft, nicht Mobilität, steht hier im Vordergrund.

Das Warten auf die Räumung der Leinemasch

Und somit steht also mal wieder eine Räumung an. Was Bilder bewirken können, das hat sich schon letztes Jahr zur gleichen Zeit in Lützerath gezeigt, denn sie halten Momente fest, die das Versagen der deutschen Klimapolitik so deutlich zeigen, wie kaum etwas anderes.

An der Mahnwache dampft der Kaffee, eine Gruppe Menschen stellt ihre Rucksäcke auf dem vereisten Boden ab und schlägt ein Zelt auf, währenddessen kommen über 250 Menschen vom letzten Spaziergang durch das Rodungsgebiet zurück – Alt und Jung, Familien, Aktivist:innen und Anwohnende.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.

Ob diese Geschichte wie Lützerath enden wird, im Schlamm nach der Räumung oder doch mit Erfolg – das lässt sich nur mutmaßen. Doch es ist klar, dass es diesen Protest braucht. Egal wie die Aussichten auf Erfolg stehen, es ist richtig und wichtig, sich gegen den fossilen Wahnsinn zur Wehr zu setzen und sich der Zerstörung in den Weg zu stellen. Wenn der Dialog scheitert, bleibt nur der Protest. Wenn Worte nicht bewegen, dann tun es vielleicht die Bilder von friedlichen Aktivist:innen, die für eine solidarische Welt einstehen.

Die Mahnwache von LeinemaschBLEIBT ist ein klares Veto

Diese Geschichte ist nicht auf die Leinemasch begrenzt – und schon gar nicht auf Hannover. Sie zeigt beispielhaft, wie wenig Interesse das Bundesverkehrsministerium hat, seine eigene Rolle beim Klimaschutz wahrzunehmen. Volker Wissing und Olaf Lies schlagen dabei nicht etwa nur den falschen Weg ein, sie fahren sogar im Rückwärtsgang, machen Erfolge zunichte und fesseln uns für Jahrzehnte an fossile Verkehrsinfrastruktur. Das passiert nicht nur in Hannover, sondern überall in Deutschland. Dabei wäre es jetzt an der Zeit, an echten Alternativen zu arbeiten.

Die Leinemasch ist ein beliebtes Naherholungsgebiet in der Nähe von Hannover.
Die Leinemasch ist ein beliebtes Naherholungsgebiet in der Nähe von Hannover. Bild: imago images / RAINER Rainer Droese

Wann genau die Räumung von Tümpeltown und die Rodung der Leinemasch stattfindet, ist aufgrund des Hochwassers in Niedersachsen noch nicht eindeutig zu sagen. Hinweise verdichten sich auf das Ende dieser Woche. Bis dahin braucht es noch viel Unterstützung, warme Decken, Essensspenden und Material, aber eines ganz besonders: Menschen, die bereit sind, während dieser Zeit in der Leinemasch solidarisch vor Ort zu sein. Die Mahnwache von LeinemaschBLEIBT ist ein legaler Anlaufpunkt für alle, die ein klares Veto setzen wollen.

In Momenten, in denen die Politik im Klimaschutz versagt, spendet es Hoffnung, dass so viele Menschen nicht einfach zulassen, dass Volker Wissing und Olaf Lies ganz offensichtlich die falschen Entscheidungen treffen. Es macht Hoffnung, wenn trotz Kälte so viele den Weg in die Leinemasch finden und an der Mahnwache der Kaffee dampft.

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