Ab heute verhandeln SPD, Grüne und FDP über unsere Zukunft. Wir haben es geschafft, dass Klima das wahlentscheidende Thema war. Dabei haben sich alle Parteien im Wahlkampf zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze bekannt. Und dennoch hat keine von ihnen einen vollständigen Plan vorgelegt, wie wir – als Bundesrepublik Deutschland – unseren Beitrag tatsächlich leisten können.
Jetzt ist es an der Zeit, die Wahlkampfversprechen zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze einzulösen und die eigenen Pläne radikal wissenschaftlich zu überarbeiten und in einem Koalitionsvertrag festzuhalten. Denn wir können uns eine Politik des Stillstands nicht mehr leisten. Ein "weiter so" in anderen Farben ist keine Option. Dabei geht es nicht nur darum, mehr zu tun als die letzte Bundesregierung – wir müssen genug tun.
Doch das veröffentlichte Sondierungspapier reicht bei weitem nicht aus, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Das wissen auch die verhandelnden Parteien selbst. Weiter so zu tun, als wäre es anders, ist brandgefährlich!
Die nächste Bundesregierung ist die letzte, die die Folgen der Klimakrise noch abmildern kann. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die gerade unsere Zukunft verhandeln, nur "idealerweise" bis 2030 aus der Kohle aussteigen möchten. Auch 1,5-Grad können wir so nur idealerweise einhalten. Idealerweise würden wir nicht Menschen enteignen und Dörfer zerstören. Idealerweise würde eine Politik regieren, die handelt, statt die Realisierung von konkreten Maßnahmen dem Idealfall zu überlassen.
Sollten wir es nicht schaffen, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen und die Kohle unter den Dörfern im Boden zu lassen, nehmen wir nicht nur unzähligen Menschen ihr Zuhause – wir überschreiten auch die 1,5-Grad-Grenze.
Die Klimakrise ist hier und wir erleben ihre Folgen schon heute. Wir rasen mit einem Bus voller Menschen auf eine Klippe zu und der Bremsweg wird kürzer und kürzer. Und mit jedem Tag, an dem wir keinen Klimaschutz machen, werden unsere Handlungsspielräume kleiner, die Zeit zu handeln kürzer. Mit jedem dieser Tage nehmen wir Katastrophen wie die Fluten im Ahrtal bewusst in Kauf.
Doch noch können wir rechtzeitig vor der Klippe halten. Es scheitert nicht an den physikalischen Rahmenbedingungen, sondern am politischen Willen. Diesen muss die kommende Bundesregierung jetzt beweisen und zeigen, dass sie mehr als heiße Luft und Wohlfühlpapiere erarbeiten kann. Es reicht nicht, erst gegen Ende der Legislatur im nächsten Wahlkampf ein bisschen Klimaschutz zu machen – die Regierung muss sich und ihre Glaubwürdigkeit an den (umgesetzten) Maßnahmen der ersten 100 Tage messen lassen. Für diese Zeit stellen wir Forderungen.
Unser Bremsweg ist das verbleibende CO2-Budget. Nur wenn wir innerhalb dieses Budgets bleiben, können wir die Klimakatastrophe aufhalten. Daher muss eine kommende Bundesregierung ein 1,5-Grad konformes CO2-Budget beschließen. Dieses muss Grundlage unseres Reduktionspfades und gleichzeitig Anzeiger für Projekte sein, die unvereinbar mit Klimaschutz sind. Wir brauchen eine unabhängige Kontrolle ALLER Gesetzesvorhaben und Infrastrukturprojekte. Die Zeit der Bequemlichkeit ist vorbei!
Um ein solches Budget einhalten zu können, bedarf es dann eines Gasausstiegs bis 2035 und die sofortige Beendigung neuer Erdgasinfrastrukturprojekte. Und auch aus den anderen fossilen Energieträgern müssen wir sozialverträglich aussteigen. So braucht es einen verbindlichen Kohleausstieg bis 2030. Wir können es uns nicht mehr leisten, weitere Flächen für Kohle abzubaggern – alle Dörfer bleiben.
Um aber tatsächlich aus der Kohle auszusteigen, müssen wir auch aufhören, jährlich Milliarden an Steuergeldern in fossile Subventionen zu stecken, die politischen Ausbaubremsen für Sonnen- und Windenergie, wie Abstandsregelung und Solardeckel, abschaffen und den Ausbau der erneuerbaren Energien versiebenfachen.
Im Verkehrssektor muss die kommende Regierung jetzt eine radikale und sozial gerechte Mobilitätswende anpacken. Dazu braucht es einen Einbaustopp für fossile Verbrennermotoren ab 2025 und einen sofortigen Aus- und Neubaustopp für Autobahnen und Bundesstraßen.
Oft wird darüber geredet, dass es bei der aktuellen Klimapolitik um unsere Zukunft ginge. Doch es geht um viel mehr. Seit Jahren kämpfen Klimaaktivistinnen und -aktivisten in anderen Ländern gegen eine Klimapolitik, deren Auswirkungen sie schon tagtäglich spüren. Diese Katastrophen haben wir mit unseren historischen Emissionen maßgeblich mitverantwortet. Daher fordern wir von der kommenden Bundesregierung, diese globale und historische Verantwortung jetzt zu übernehmen.
Das bedeutet, unsere Zusagen im Pariser Klimaabkommen zur internationalen Klimafinanzierung einzuhalten und mindestens 14 Milliarden Euro jährlich zu investieren, ohne neue Abhängigkeiten zu schaffen. Außerdem müssen wir aufhören, weiter klima- und umweltschädliche sowie menschenrechtsgefährdende Handelsverträge (wie das Mercosur-Abkommen) zu ratifizieren.
Diese Forderungen können allerdings erst der Anfang ernsthafter Anstrengungen sein. Es ist nicht unsere Aufgabe, To-do-Listen für eine kommende Bundesregierung zu schreiben. Die Politik hat alle Beraterinnen und Berater und alle Mittel, einen angemessenen Plan zu machen. Es darf allerdings nicht bei einem Plan bleiben – das bedeutet, unsere Zusagen im Pariser Klimaabkommen zur internationalen Klimafinanzierung einzuhalten und mindestens 14 Milliarden Euro jährlich zu investieren, ohne neue Abhängigkeiten zu schaffen. Diese Bundesregierung muss die Maßnahmen in die Tat umsetzen.
Doch es reicht nicht darauf zu hoffen, dass die kommende Bundesregierung 1,5-Grad von alleine einhalten wird. Wir haben Klima zu DEM Wahlkampfthema gemacht, jetzt machen wir es zu DEM Koalitionsthema. Wir haben immer wieder gesehen: Ohne uns passiert nichts. Ihr lasst uns keine Wahl.
Deswegen gehen wir alle aus ganz Deutschland am Freitag auf die Straße und zeigen: ein "weiter-so" machen wir nicht mit. Unsere Zukunft ist vieles: voller Hoffnung und Chancen und wir müssen darüber reden, wie sie aussieht. Doch eines ist unsere Zukunft nicht – verhandelbar!