Wer etwas kaputt macht, muss es wieder heile machen – ein Konzept, was nicht nur auf Kindergartenkinder, sondern ebenfalls auf Spitzenpolitiker zutreffen sollte. Und trotzdem: Seit über 30 Jahren Klimaverhandlungen, steigen die Emissionen ungebremst.
Die Menschheit steuert trotz bereits 26 Klimakonferenzen immer weiter auf die Klimakatastrophe zu und die 1,5-Grad-Grenze rückt rasant näher. Während der globale Norden die Klimakrise maßgeblich verursacht hat, leiden vor allem Länder des globalen Südens enorm darunter.
Viele spüren die Folgen der Klimakrise bereits seit Jahrzehnten. Um diese zu bewältigen, wurde 1992 die UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) gegründet. Seitdem kommen nahezu jährlich Regierungsvertreter:innen zusammen, inzwischen als Treffen der Vertragsstaaten des 2015 beschlossenen Pariser Abkommen.
In wenigen Tagen werde ich neben zehntausenden Regierungschefs, Verhandler:innen, Aktivist:innen und Journalist:innen zur 27. Conference of the Parties (COP) nach Scharm El-Scheich in Ägypten reisen. Diese Woche noch durchzogen von Tauch-Touristen, wird nächste Woche die Klimakonferenz das ägyptische Urlaubsressort dominieren.
Dies ist bereits die dritte Weltklimakonferenz, an der ich teilnehmen werde, nachdem ich 2019 nach Madrid und im letzten Jahr nach Glasgow gereist bin. Und die Verläufe und Ergebnisse dieser Klimakonferenzen sind häufig erschreckend ähnlich. Alle bekennen sich zu der 1,5-Grad-Grenze, liefern anschließend leere Versprechen und versuchen davon abzulenken, diese nicht eingehalten zu haben.
Doch trotzdem haben diese Konferenzen etwas Einzigartiges. Es ist nicht nur der einzige Ort, an dem alle Länder einen Platz am Verhandlungstisch haben – es ist auch ein Ort, der durch die anwesende Zivilgesellschaft lebendig wird. Klimaaktivist:innen kommen zusammen, vernetzen sich und decken die Lügen der Regierungschefs und fossilen Lobby auf.
Aber dieses Jahr wird anders: Bereits der Ort der Klimakonferenz, ein Urlaubsressort am Roten Meer, ist dazu ausgewählt, Menschen auszuschließen. Er ist nicht nur fern von der ägyptischen Bevölkerung, sondern zudem wenig zugänglich für zivilgesellschaftliche Gruppen. Akkreditierungen, um die Verhandlungsräume betreten zu dürfen, sind rar – Hotels und Flüge teuer. Und das kommt nicht von ungefähr.
Das autokratische ägyptische Regime fürchtet die Normalisierung von Aktivismus in Ägypten. Es ist ein Land, das Klimaaktivist:innen systematisch verfolgt und ins Gefängnis sperrt. Über 60.000 politische Gefangene und über 1000 Ermordungen gehen auf das Konto der ägyptischen Regierung. Während der COP soll davon für die internationale Gemeinschaft nichts zu sehen sein. Internationale Aktivist:innen sollen stattdessen mit ihren Aktionen, die teilweise sogar in der Wüste stattfinden sollen, Teil der Inszenierung eines "grünen" und offenen Ägyptens sein.
Die Zeit rennt, unsere Welt steuert auf eine Erderhitzung von bis zu 2,8 Grad zu. Doch in Ländern wie Ägypten fürchten Menschen nicht nur die Folgen der Klimakrise, sondern zusätzlich ein menschenverachtendes Regime ohne Freiheiten.
Die Freiheiten zu demonstrieren und die Politik zu kritisieren, sind notwendig, um die Klimakrise bewältigen zu können. Die deutsche Bundesregierung muss sich gerade während der COP für eine Freilassung aller ägyptischen politischen Gefangenen einsetzen. Die Bekämpfung der Klimakrise und der Kampf für Menschenrechte müssen zusammen gehören – vor allem auf der kommenden UN-Klimakonferenz.
Unter dem Schatten der gravierenden Menschenrechtsprobleme in Ägypten und dem Ausschluss der Zivilgesellschaft verhandelt die diesjährige COP weiter über unsere Lebensgrundlagen. Dabei hat sich vor allem der globale Norden seit Jahrzehnten seiner Verantwortung entzogen.
Wenn man die Atmosphäre als ein Allgemeingut anerkennt, in die jeder Mensch, dieselbe Menge CO2 emittieren sollte, steht der globale Norden in einer massiven Klimaschuld, die es zurückzuzahlen gilt. Stattdessen haben sich Industrieländer lediglich dazu verpflichtet, ab 2020 jährlich 100 Milliarden USD zu zahlen. Eine Summe, die zu niedrig ist, für den angerichteten Schaden und laut aktuellen Berichten von Oxfam ohnehin nicht gezahlt wird.
Bekenntnisse zur 1,5-Grad-Grenze bleiben leere Worte. Neben den Reparationszahlungen fehlen jegliche Ambitionen der Vertragsstaaten, diese leeren Worte in Taten zu transformieren. Stattdessen schließen Länder weiterhin fossile Verträge, so wie Deutschland im Senegal.
Wieder einmal zeigt sich: Olaf Scholz ist ein fossiler Kanzler – kein Klimakanzler. Und das, obwohl gerade Deutschland aufgrund seiner historischen Verantwortung, eigentlich dafür verantwortlich wäre, die Klimawende anzuleiten.
Sollte man wegen steigender Emissionen trotz 26 Klimakonferenzen daher die globale Klimapolitik als gescheitert betrachten? Lohnt es sich überhaupt, zu diesen Konferenzen zu reisen? Das sind Fragen, die vielleicht gar nicht zu beantworten sind.
Klar ist, dass es einen globalen Raum geben muss, um die Klimakrise zu lösen, denn sie betrifft uns alle. Und solange die Weltklimakonferenzen der einzige Ort hierfür sind, muss dieser genutzt werden. Die Zeit rennt. Und an diesem Ort ist es wichtig, dass Menschen da sind, die die Interessen der Millionen Menschen vertreten, die in den letzten Jahren mit Fridays for Future auf der Straße waren.