
Er ist wieder da: Donald Trump kehrt zurück ins Präsidentschaftsamt.Bild: AP / Evan Vucci
Gastbeitrag
20.01.2025, 08:0820.01.2025, 16:31
Helena Marschall
Es ist Wahlabend in Washington, D.C., kurz nach Mitternacht. Die amerikanische Demokratie ist dabei in die Hände eines mehrfach verurteilten Straftäters und Rechtsextremisten zu rutschen. Ich bin auf der offiziellen Wahlparty von Kamala Harris, wo laute RnB-Musik aus den Boxen pumpt.
Während auf den großen Leinwänden immer mehr Staaten auf den Wahlkarten republikanerrot eingefärbt werden, tanzen hunderte Leute. Vielleicht glauben sie, den Anbruch des nächsten Tages, den Einbruch der Realität hinauszögern zu können, wenn sie sich diszipliniert genug weiter im Takt der Musik bewegen.
Trumps Sieg ist surreal
Im Nachhinein scheint mir dieser Abend unwirklich. Er ist voll von Momenten, in denen etwas Schlimmes bereits am Eintreten, aber noch nicht endgültig eingetreten ist. Und damit steht der Abend exemplarisch für diese Zeit – und für die Klimakrise.
An diesem Montag wird Donald Trump zum zweiten Mal zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gekürt. Eine seiner ersten Amtshandlungen wird, wie angekündigt, der Ausstieg aus dem Pariser Abkommen sein. Auch andere relevante Klima-Institutionen wird Trump attackieren.
Im "Project 2025", der Plan der rechten Heritage Foundation für Trumps Präsidentschaft, ist die Auflösung der wichtigsten staatlichen Wetterbehörde NOAA vorgesehen, die unter anderem die Frühwarnsysteme für extreme Stürme betreibt.

Helena Marschall schreibt, spricht und organisiert bei Fridays for Future.Bild: privat
Die Zentrale Umweltschutzbehörde EPA wird von einem Klimawandelleugner geführt werden, der versprochen hat, Umwelt- und Klimaschutzregulierung zurückzunehmen und die amerikanische Öl- und Gas-Produktion zu steigern.
Das trump'sche Projekt ist ein im Kern fossiles, von den "drill, baby, drill" Rufen auf seinen Wahlkampfveranstaltungen bis zu den Androhungen Europa mit Strafzöllen zu belegen, wenn unsere Flüssiggas-Importe aus den USA nicht steigen.
Der Kampf fürs Klima wird schwerer
Und in einem sind sich fast alle einig, die man fragt: Die zweite Trump-Amtszeit wird professioneller und dadurch gefährlicher als die erste. Fürs Klima heißt das: Schweres wird schwerer werden, die Erfolgsszenarien werden unwahrscheinlicher und es wird härter an der Hoffnung festzuhalten. Aber nicht alles ist verloren. Dafür gibt es konkrete politische Gründe.
Trump will zwar die historischen Investitionen aus dem großen Klimagesetz, dem Inflation Reduction Act (IRA), zurücknehmen – in der Realität wird das aber sehr schwierig: 60 Prozent der angekündigten Erneuerbare-Energien-Projekte sind in den Wahlkreisen seiner republikanischen Kollegen geplant, die sich die Milliardenhilfen sicher nicht nehmen lassen wollen.
Und: In den USA gibt es eine Vielzahl von möglichen Klimaschutzmaßnahmen auf staatlicher und regionaler Ebene, auf die Trump keinen Einfluss hat. Jetzt geht es beim Aufgeben aber meistens weniger um inhaltliche Argumente als um gefühlte Wahrheiten. Man wird in den nächsten Wochen oft hören: Es lohnt sich jetzt wirklich nicht mehr, wenn Deutschland sich im Klimaschutz anstrengt.
Diese Rufe werden vor allem von denen kommen, die ohnehin nie Klimaschutz wollten, die jetzt aber dankbar für eine neue Ausrede sind. Sie werden damit jedoch bei vielen anderen auf offene Ohren stoßen. Die Flut der Meldungen (Wird Trump zuerst Grönland oder den Panamakanal annektieren? Oder doch Kanada?) lassen Aufgeben als die einfachste und beste Option erscheinen.
Negativ-Trend zeigt sich bereits
Und wenn man sich eh schon entschlossen hat, aufzugeben – warum dann nicht gleich, jetzt sofort? Warum sich noch lange quälen, während es noch schlimmer wird? Man kann diese Dynamik gerade vielerorts und in beachtlichem Ausmaß beobachten: Bei Fox News verkündet Mark Zuckerberg stolz das Ende der Content Moderation bei Meta. Frauen dürfen wieder als Haushaltsgegenstände bezeichnet werden.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Im November wurden Verhandlungen für ein internationales Plastikabkommen ergebnislos abgebrochen. Vor ein paar Monaten passierte dasselbe beim Biodiversitätsgipfel. Der Multilateralismus bröckelt, noch bevor Trump im Amt ist. Ein vorauseilender Gehorsam, ja, ein vorauseilendes Aufgeben.
Die größte Gefahr ist nicht etwa Trumps Präsidentschaft, sondern die kampflose Unterwerfung aller anderen. Die Macht Trumps, die mit einem republikanischen Kongress und einem loyal besetzten Supreme Court ohnehin schon groß genug ist, wird dadurch aufgebläht.
All das geschieht auch, weil der Eindruck entstanden ist, dass für die sich überschlagenden komplexen Ereignisse schnell einfache Erklärungen produziert werden müssen. Weil die Zeit fehlt, wird ein spontaner Vibe mit einer fundierten Analyse verwechselt.
Und weil es nahe liegt, wird dann, was ohnehin schon schlimm genug ist, zum Ende allen Fortschritts hochstilisiert. Vielleicht wäre es auch deshalb so revolutionär, zuzugeben, dass wir manche Dinge einfach noch nicht wissen, dass wir sie noch nicht verstanden haben, dass sie noch im Entstehen sind. Denn dass es keine Gewissheit über die Dinge und Ereignisse gibt, bedeutet auch, dass es keine Gewissheit im Aufgeben gibt.
Es gibt ein Sprichwort: "Hoffnung braucht man gerade dann, wenn es schon zu spät ist." Das Gute beim Klima ist, dass es zugleich schon zu spät und noch nicht schon zu spät ist. In Kalifornien schlucken die Flammen gerade Häuser, weil Dürre, Rekordhitze und damit mehr ausgetrocknete Pflanzen dafür gesorgt haben, dass sich die Brände viel schneller ausbreiten konnten.
Bitte keine Trump-Kopien
Keine Klimamaßnahme der Welt wird diese Zerstörung wieder rückgängig machen können. Wie viele solcher Brände und andere Katastrophen es jedoch in Zukunft geben wird, ist noch offen. Denn jedes Zehntel Grad weniger Erderwärmung, für das wir heute sorgen, bedeutet mehr Freiheit und weniger Katastrophen in der Zukunft.
Dazu braucht es Länder wie Deutschland, die zeigen, wie es national gehen kann, und die internationalen Institutionen und Verhandlungen stärken. Statt Trump-Kopien wie Christian Lindners Forderung, das Umweltbundesamt aufzulösen, braucht es Gegenentwürfe. Und Menschen überall, die durchatmen, weitermachen und an ihren Visionen für eine andere Welt festhalten.
Im November, ein paar Tage nach der Wahl, bin ich in Texas unterwegs. In einem Diner mitten im Nirgendwo wollen wir frühstücken. Als ich die Bedienung, die mich konsequent entweder "Honey" oder "Sweetie" nennt, nach Hafermilch frage, lacht sie nur. An der Wand steht Trump, lebensgroß, aus Pappe – so beliebt ist er hier.
Später treffen wir John Beard. Er hat fast 40 Jahre lang für die texanische Öl- und Gasindustrie gearbeitet, jetzt setzt er sich gegen neue Flüssiggasterminals ein. Er erzählt mir: "Oh I’m very sure he’s [Trump] gonna attack the environmental movement." Für ihn ist klar, dass die Dinge hart werden.
Aber diese Erkenntnis steht nicht im Widerspruch zu seinem nächsten Satz, den er wie selbstverständlich hinterher schiebt: "But of course we are going to keep fighting." Aufgeben ist – aller Angriffe zum Trotz – keine Option.