Indien ächzt unter nie da gewesenen Temperaturen. Vergangene Woche wurden in Neu-Delhi 52,3 Grad gemessen, so viel wie noch nie in der Metropole seit Messbeginn vor über einem Jahrhundert, wie ein Sprecher des indischen meteorologischen Dienstes der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Neben Neu-Delhi erleben derzeit auch weitere Teile des Nordens von Indien eine Hitzewelle. Einige Regionen des bevölkerungsreichsten Landes der Welt haben mit Wassermangel zu kämpfen. In Dutzenden Stauseen sei der Wasserstand auf einen Bruchteil der Speicherkapazität gefallen, berichtete der örtliche Fernsehsender NDTV unter Berufung auf die zentrale Wasserbehörde. Dies beeinträchtige demnach auch die Stromerzeugung aus Wasserkraft.
Gleichzeitig schoss zuletzt der Strombedarf in die Höhe, weil Leute Kühlung suchen und bei denen, die es sich leisten können, die Klimaanlagen auf Hochtouren laufen. Ein Kühlungssystem aus Terrakotta, das von einer uralten indischen Tradition inspiriert ist, soll dagegen auf nachhaltigere Weise Abhilfe schaffen.
Seit tausenden Jahren werden in den ländlichen Gebieten Indiens Tontöpfe zur Kühlung verwendet. Wenn Wasser einen Terrakotta-Topf füllt, sinkt es in jede Pore und jeden Spalt. Wenn das in diesen Poren eingeschlossene Wasser verdunstet, entzieht dieser Prozess dem Wasser langsam die latente Wärme. Der Topf verliert seine Wärme durch Verdunstung und kühlt so auch das restliche Wasser in ihm ab.
Die frühesten Aufzeichnungen der sogenannten "Matka" stammen aus der 3000 Jahre alten Harappan-Zivilisation und machen die Tontöpfe zu einem bedeutenden Bestandteil indischer Kultur. Da Kühlungslösungen in Indien momentan überlebenswichtig sind, findet die uralte Anwendung von Terrakotta nun eine neue Verwendung, die weit über die häusliche Küche hinausgeht.
Bereits 2014 wandte sich Monish Siripurapu, Gründer und leitender Architekt der indischen Firma CoolAnt, der alten Tradition mit neuen Augen zu. Er wollte sehen, ob Terrakotta in Verbindung mit neuen Techniken Abhilfe gegen extreme Lufttemperaturen schaffen könnte.
"Das Wasser im Lehmtopf ist von Natur aus kühl, denn wenn es verdunstet, entzieht es dem Topf die Wärme. Aber was wäre, wenn ich diesen Prozess umkehren würde? Mir kam der Gedanke, dass wir die Luft um die Terrakotta herum auf dieselbe Weise kühlen könnten", sagte Siripurapu dem "BBC".
Siripurapu entwarf ein System, in dem recyceltes Wasser über Terrakotta gepumpt wird. Während das Wasser aus den Poren des Tons verdunstet, kühlt es die Luft um sie herum. Der sogenannte Beehive besteht aus etwa 800 bis 900 Terrakotta-Kegeln, die von CoolAnt in Handarbeit hergestellt und wabenförmig um einen Edelstahlrahmen angeordnet werden. Das Stapeln der Kegel wie in einem Bienenstock soll für mehr Oberfläche und damit eine effektive Kühlung sorgen.
Seit der ersten Installation hat das Unternehmen 35 Beehives in Schulen, öffentlichen Einrichtungen, Flughäfen und Geschäftsgebäuden im ganzen Land errichtet. Neben dem Bienenstockdesign hat das Unternehmen auch mit Designs experimentiert, bei denen die Terrakotta in verschiedenen Formen gestapelt wird, und sogar mit einem, der ganz ohne Wasser auskommt.
CoolAnt hat bei dem Beehive nach eigenen Angaben einen Temperaturabfall von bis zu 15 Grad festgestellt, noch mehr als erwartet. Die Kühlung hängt jedoch Luftfeuchtigkeit ab. Wenn es bereits sehr feucht ist, kann es nicht zu einem so starken Rückgang kommen, weil das Verdunstungspotenzial geringer ist. Dennoch können schon ein paar Grad Temperaturabfall einen entscheidenden Unterschied ausmachen.
(mit Material der dpa)