Um die Kluft in Ernährungsfragen zwischen Politik und Bürgern zu verkleinern, soll ein Bürgerrat jetzt ein Gutachten mit konkreten Handlungsempfehlungen ausarbeiten.Bild: Getty Images North America / Joe Raedle
Gute Nachricht
Erstmals soll es in diesem Jahr einen vom Bundestag beschlossenen Bürgerrat geben. Er soll sich mit Fragen rund um das Thema Ernährung befassen. Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD) loste am Freitagnachmittag die 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus. Starten soll der Rat Ende September.
Die drei Ampel-Parteien hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, "neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte" zu nutzen. Bas sieht in ihnen ein Mittel, die "Kluft" zwischen Bevölkerung und Parlamentariern wieder etwas zu verkleinern. Andere Sichtweisen aus den Bürgerräten könnten den Parlamentariern zudem helfen, durch Parteiprogramme und Fraktionsentscheidungen zuweilen festgefahrene Positionen zu überdenken.
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Bürgerrat soll Bevölkerung abbilden – auch Veganer und Vegetarier
Der Koalitionsvertrag ließ das Thema offen. Die Regierungsfraktionen entschieden sich für Ernährung, weil dies viele Menschen umtreibt und in ihrem Alltagsleben betrifft. Der Bürgerrat wurde dann im Mai per Parlamentsbeschluss mit dem Titel "Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben" eingesetzt.
Will die Gesellschaft Massentierhaltung in dieser Form? Ein Bürgerrat kann helfen, solche Fragen zu beantworten.Bild: ullstein bild / ullstein bild Dtl.
Der Rat soll sich dazu äußern, was "zu einer transparenten Kennzeichnung von sozialen Bedingungen, von Umwelt- und Klimaverträglichkeit und von Tierwohlstandards" auf Lebensmitteln gehört. Erörtert werden soll auch, welchen "steuerlichen Rahmen" der Staat für die "Preisbildung von Lebensmitteln" setzen sollte. Auch Konzepte gegen Lebensmittelverschwendung stehen auf der Agenda.
Bas hatte Mitte Juni knapp 20.000 zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger aus 82 ebenfalls per Zufall bestimmten Gemeinden zur Teilnahme eingeladen. Gut 2000 zeigten Interesse. Ein Algorithmus ermittelte 1000 mögliche Zusammensetzungen eines Bürgerrates, die den vorgegebenen Kriterien entsprechen. Diese sind geografische Herkunft, Geschlecht, Alter, Gemeindegröße und Bildungsstand. Zudem wird sichergestellt, dass auch Veganer und Vegetarier entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten sind. Aus diesen 1000 möglichen Varianten sollte der Bürgerrat ausgelost werden.
Bürgerrat soll Gutachten mit konkreten Handlungsempfehlungen entwickeln
Der Bürgerrat wird am 29. September 2023 feierlich eröffnet. Vorgesehen sind insgesamt drei Wochenendsitzungen in Präsenz. Hinzu kommen sechs digitale Abendveranstaltungen. Der Bürgerrat soll seine Beratungen dann bis zum 29. Februar 2024 abschließen.
Die 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten eine Aufwandspauschale von 100 Euro pro Sitzungstag in Präsenz und 50 Euro pro Sitzung in digitaler Form. Hotelkosten werden übernommen. Hinzu kommen Kosten für eine Stabsstelle Bürgerrat im Bundestag und einen externen Dienstleister. Die Gesamtkosten lassen sich laut Bundestag bisher noch nicht genau beziffern. Im Haushalt 2023 sind maximal drei Millionen Euro für den Bürgerrat vorgesehen.
Auch die Letzte Generation fordert einen Gesellschaftsrat, der sich mit Fragen rund ums Klima beschäftigt. bild: jonas gehring
Der Bürgerrat erarbeitet ein Gutachten mit konkreten Handlungsempfehlungen. "Diese fließen in die parlamentarischen Beratungen ein", erklärt der Bundestag. Eine Pflicht zur Berücksichtigung gibt es aber nicht: "Was umgesetzt wird und was nicht, entscheiden am Ende aber allein die Mitglieder des Deutschen Bundestages."
Dass die Erwartungen an Bürgerräte groß sind, zeigt auch die Forderung der Letzten Generation, die sich einen Klima-Gesellschaftsrat wünscht.
joe/afp
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