Nachhaltigkeit
Interview

Flixtrain-Chef Schwämmlein sieht Deutsche Bahn nicht als Konkurrenz

Hamburg, der 23.03.2018 Premiere f
André Schwämmlein hat Flixbus gegründet und ist bis heute einer der Geschäftsführer von Flixmobility.Bild: imago stock&people / News4HH
Interview

Flixtrain-Chef Schwämmlein: "Dass die Schiene kaputtgespart wurde, stimmt nicht"

Unpünktlich, überfüllt oder sie kommt gar nicht? Die Deutsche Bahn. Viele nehmen daher Flixtrain als Alternative. Doch als Konkurrenz sieht Flixtrain-Chef André Schwämmlein die DB im Interview mit watson keinesfalls.
03.01.2024, 19:25
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watson: Das Image von Flixtrain und Flixbus ist als dem günstigen Preis entsprechend zu beschreiben: qualitativ eher einfach. Ist das Absicht, Herr Schwämmlein?

André Schwämmlein: Wir wollen eine Alternative im Fernverkehr stellen. Menschen sollen nicht auf ihr Auto angewiesen sein. Dabei brauchen wir keinen zweiten ICE in Grün, wir müssen uns inhaltlich unterscheiden.

Wie wollen Sie das erreichen?

Wir wollen vor allem preislich attraktiver sein, um Reisende anzusprechen, denen andere Optionen zu teuer sind. Das bedeutet aber auch, dass wir das weglassen, was nicht alle brauchen, wie etwa das Bord-Bistro oder Erste-Klasse-Wagen. Dafür muss aber bei uns niemand im Gang stehen, weil alle garantiert einen Sitzplatz haben. WLAN und Steckdosen am Platz haben wir natürlich auch.

Ein FlixBus steht in einer Haltebucht vom zentralen Omnibus-Bahnhof Hamburg in St. Georg nahe des Hauptbahnhofs. St. Georg Hamburg *** A FlixBus is parked in a holding bay from the central omnibus sta ...
Gegründet 2011, 2013 mit dem ersten Bus auf der Straße: Flixbus. Bild: imago images / Hanno Bode

Seit sechs Jahren verkehrt Flix nun auch auf Schienen. Da besteht doch sicher noch Nachbesserungsbedarf.

Vieles läuft bereits sehr gut, aber wir sind noch nicht überall da, wo wir mit unserem Produkt hinwollen. An unserer Positionierung werden wir die nächsten Jahre arbeiten.

Das heißt konkret?

Wir wollen weiterhin so günstig bleiben. Aber unser Angebot muss ausgebaut werden: mehr Fahrten, längere Züge, ergo mehr Sitzplätze. Aber das dauert Jahre.

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Womit sind Sie denn schon zufrieden?

Mit unserer Fahrtzeit zum Beispiel. Da sind wir sehr wettbewerbsfähig. Klar, nicht alle unsere Züge fahren aktuell mit Spitzengeschwindigkeit, aber zwischen Berlin und Hamburg beispielsweise unterscheidet sich Flixtrain von der Fahrtzeit nicht signifikant vom ICE.

Die Deutsche Bahn hat derzeit dennoch quasi ein Monopol im Fernverkehr. Können Sie mit Flixtrain einen ernst zu nehmenden Konkurrenten stellen?

Wir wollen gar nicht direkt konkurrieren. Unser Produkt ist ja ein anderes. Ein Beispiel: Wir sehen es nicht als Problem, dass ein Geschäftsmann unter der Woche in der ersten Klasse mit der Deutschen Bahn reist und am Wochenende mit Freunden dann Flixtrain nimmt.

Also versuchen Sie mit Flixtrain, die Zielgruppen zu erreichen, die die Deutsche Bahn für Sie übrig lässt?

Nein, es müssen natürlich auch neue Kunden dazukommen. Günstig Zugfahren sollte keine Nische sein. Der Zug ist in einem zu kleinen Markt, weil er zu teuer ist. Wenn man bis 2030 die Anzahl der Zugreisenden verdoppeln will, wie es die Politik ausgegeben hat, dann braucht man die DB und Flixtrain gemeinsam.

Was muss passieren, dass häufiger der Zug genutzt wird?

Wir brauchen mehr Vielfalt auf der Schiene. Nur durch mehr Alternativen kann wirklich Wettbewerb entstehen und das Angebot für die Kunden besser werden. Unser Erfolg mit Flixtrain zeigt schon deutlich: Die Menschen wünschen sich mehr Angebot.

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Verkehrsminister Volker Wissing arbeitet eng mit den DB-Vorständen (hier: von DB Personenverkehr, Michael Peterson) zusammen.Bild: dpa / Oliver Berg

Das Verkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) hat in diesem Jahr das Infrastrukturprogramm für die Schiene vorgestellt. Eine Investition in das Gleisnetz der Deutschen Bahn. Flixtrain nutzt dieselben Schienen. Gibt Ihnen das Hoffnung?

Erstmal sind diese Investitionen für mehr Verkehr auf der Schiene positiv zu bewerten. Aber das reicht nicht.

Nein?

Man darf dabei nicht nur auf einen Betreiber setzen, sondern braucht mehr Wettbewerb.

Woran scheitert es hier?

In Deutschland gibt es europaweit die höchsten Preise für die Nutzung der Gleise. Das erschwert einen fairen Wettbewerb im Sinne der Fahrgäste.

"Wenn in zehn Jahren nicht mehr Verkehr auf der Schiene ist, hat es nicht am Geld gelegen. Sondern an demjenigen, der es ausgegeben und nicht gut investiert hat."

Kann das Infrastrukturprogramm dennoch Erfolg haben?

Das werden wir erst in fünf bis zehn Jahren sehen. Ich kann nicht bewerten, ob das Programm gut oder schlecht ist. Ich kann nur bewerten, ob wir am Ende als Betreiber eine bessere Leistung von der Infrastruktur bekommen oder nicht. Konkret: mehr und verlässlichere Kapazität und schnellere Trassen. Dass die Schiene kaputtgespart worden sei, stimmt übrigens nicht.

Ach ja?

Am Geld mangelt es nicht. Es fließt viel Geld in die Schiene. Wir investieren deutlich mehr in die Schieneninfrastruktur, als es andere europäische Länder wie Spanien oder Frankreich tun. Wenn in zehn Jahren nicht mehr Verkehr auf der Schiene ist, hat es nicht am Geld gelegen. Sondern an demjenigen, der es ausgegeben und nicht gut investiert hat.

Was wäre also ihr Ansatz für ein besseres Angebot auf der Schiene?

Sinnvolle Investitionen – das fehlte in den vergangenen Jahren – und ein freier Wettbewerb.

Sie hatten sich Anfang 2023 dafür ausgesprochen, dass Flixbus auch ein Teil des Deutschland-Tickets werden sollte. Dazu befanden Sie sich im Laufe des Jahres im Austausch mit dem Verkehrsministerium. Wie laufen die Verhandlungen?

Wir sind immer noch im Austausch. Grundsätzlich würden wir Geld, also neue Abonnenten, mitbringen. Aber ich verstehe, dass die Situation komplex ist – gerade im Hinblick auf die Debatten um den Bundeshaushalt. Denn: Das Geld wäre anders sicher besser investiert.

Wie meinen Sie das?

Natürlich ist es als Verbraucher bequem, nicht in jeder Stadt, die ich besuche, extra ÖPNV-Tickets lösen zu müssen. Aber den Staat koste ich damit sehr viel mehr, als ich ihm einbringe. Das Geld wäre vielleicht besser in Infrastruktur investiert. Der Steuerzahler hat damit keinen guten Deal gemacht. Aber wir könnten es besser machen, wenn Fernbusse auch ein Teil davon würden.

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Die Deutsche Bahn wirbt mit ihren ICEs für Erneuerbare Energien.Bild: imago images / Ralph Peters

Die Deutsche Bahn fährt laut eigenen Angaben nahezu komplett mit Ökostrom. Wie verhält sich das bei Flix?

Unsere Busse fahren zum Großteil mit Euro-VI-Diesel. Aber wir haben Pilotprojekte mit Elektrobussen, Solar- und Wasserstoffbussen. Bis 2040 wird Flix in Europa CO₂-neutral werden.

Kämpfen Sie wirklich für mehr Nachhaltigkeit oder wollen Sie als Unternehmer damit nur Profit machen?

Nachhaltigkeit und Unternehmertum funktionieren super zusammen. Seit mehreren Jahren diskutieren wir mit Herstellern über CO₂-neutrale Antriebe. Damals hat man uns gesagt, das wird nicht kommen. Nun ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir alle CO₂-neutral fahren. Spannend wird nur, mit welcher Technologie. Die muss natürlich nicht nur nachhaltig, sondern auch günstig sein, damit sie zum Beispiel für Fahrgäste beim Ticketkauf keine Mehrkosten verursacht.

Sie sprechen jetzt nur von Europa. Doch der größte Absatzmarkt für Flixbus liegt in Amerika, auch nach Indien wollen Sie expandieren.

Genau. In Europa ist die Schiene der wichtigere Markt, global gesehen ist das anders, da ist es der Bus. Hierzulande können wir stolz sein, dass ein europäisches Unternehmen die Mobilitätslandschaft umkrempelt – und nicht wie sonst so oft zum Beispiel ein amerikanisches.

Vielen ist das vermutlich gar nicht bewusst. Wichtiger bleibt für die Meisten aber wohl auch die Frage: Wie war meine letzte Fahrt?

Das ist richtig. Für Verhandlungen mit der Politik ist dieser Umstand allerdings schon wichtig. Denn wir sind mit unseren europäischen Standards anders einzustufen als Konkurrenten aus China oder Amerika.

Wäre es nicht sinnvoller, erst einmal ein Standbein voranzutreiben und dann das andere?

Wir wollen etwas bauen, das bleibt, wir wollen auch noch in 100 Jahren da sein. Dafür müssen wir die Balance schaffen zwischen den Herausforderungen für Flixbus und Flixtrain. Wenn Sie in zehn Jahren Flixtrain fahren und unzufrieden mit der Fahrt waren, werden Sie mir das nicht nachsehen, nur, weil wir das größte Flixbusnetz in Indien haben (lacht).

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