Nachhaltigkeit
Interview

Waldemar Zeiler: Einhorn-Gründer setzt auf nachhaltigen Kapitalismus

Waldemar Zeiler, Gründer von Ding Dong Ping Pong, Berlin, Nachhaltigkeit Wirtschaft
Der Firmengründer glaubt an spielerische Lösungen und Experimente in der Wirtschaft, um eine nachhaltigere Zukunft zu erschaffen. Bild: PR/ Ding Dong Ping Pong
Interview

Waldemar Zeiler will nur noch "erschaffen, was den Planeten nicht abfuckt"

Erst Begehrlichkeiten wecken, dann Verbraucher:innen für schuldig erklären: Weil er dieser perfiden Wirtschaftslogik nicht mehr folgen will, sucht ein Berliner Unternehmer seit Jahren nach Wegen, weder Angestellte noch den Planeten auszuplündern – und dabei trotzdem Rendite zu machen. Eine Zukunftsvision, mit der er in Deutschland nicht alleine ist.
08.09.2025, 21:1208.09.2025, 21:12
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Nachhaltiger Kapitalismus? Waldemar Zeiler will dieses vermeintliche Oxymoron auflösen, seit er begriff, wie konsequent klassisches Unternehmertum auf der Plünderung von natürlichen Ressourcen und sozialer Ausbeutung beruht.

Wir sprachen mit dem Berliner und diesjährigen Speaker des AckerFestivals 2025 über seine Versuche, Wirtschaft ethischer zu gestalten und warum es manchmal wichtig ist, einfach miteinander zu spielen.

Festival für eine nachhaltige Zukunft
Beim AckerFestival am 10.–11. September 2025 geht es um Lösungen für eine nachhaltige und soziale Wirtschaft, Politik und Bildung – in unkonventionellem Setting.

In diesem Jahr findet das Festival auf dem Gelände der Malzfabrik Berlin statt. Als Speaker:innen treten unter anderem Maja Göpel, Fabian Grischkat und Samuel Koch auf. Programm und Tickets findest du hier.
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Bild: PR/ AckerFestival/ julia Mittelhamm

watson: Du bist bekannt als Vorzeige-Social-Entrepeneur. Wie kamst du dazu?

Waldemar Zeiler: Ich habe immer gerne gegründet, das erste Mal mitten im Abitur in der 12. Klasse. Aber ich hinterfragte lange nicht, was eigentlich als erfolgreiche Firmen-Gründung gilt, nämlich: dass du am Ende Millionär:in bist. Das ist eine sehr einseitige, amerikanische Sichtweise auf den Wert eines Unternehmens, die für viele globale Probleme verantwortlich ist.

Wie meinst du das?

Ich habe viele Gründer:innen erlebt, die eigentlich verkappte Investmentbanker-Allüren zeigten. Da ging es vorrangig darum, möglichst schnell, möglichst reich zu werden und dann das Unternehmen abzustoßen – ungeachtet der Folgen für die Angestellten oder der Umwelt. Für mich war das ein Riesenfrust. Der Gründungsprozess war immer so aufregend und inspirierend und wurde dann total platt gemacht von vermeintlich wirtschaftlichen Logiken. 2014, da war ich gerade Geschäftsführer von "Digitale Seiten", habe ich den Stecker gezogen.

Du hast deinen Geschäftsführerposten hingeworfen...?

...und bin Backpacken gegangen in Südamerika. Danach habe ich mir noch ein halbes Jahr Auszeit in Berlin genommen. Ich wusste zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr, was ich wollte – bis ich Philip Siefer begegnet bin, dem es so ging wie mir. Wir sagten uns: "Ok, wir sind beide Gründer und wir wollen etwas erschaffen, was den Planeten nicht abfuckt." Aber wir wussten nicht wie, weil wir bis dahin nur gelernt hatten, wie man maximalen Ertrag herauspresst.

"Sobald Großunternehmen ins Visier geraten, pochen sie auf die 'freie Entscheidung' der Kund:innen. Gleichzeitig umgarnen sie diese Menschen gezielt."

Geht das überhaupt? Soziales, nachhaltiges Wirtschaften, das sich rentiert?

Das wussten wir nicht. Deshalb gründeten wir "einhorn" (Anm. d. Re. nachhaltige Kondome und Periodenprodukte). Für uns war das ein Labor, um zu testen, was passiert, wenn wir alles anders machen.

Und vielleicht dabei pleitegehen.

Uns war bewusst, dass wir oft auf die Schnauze fallen würden, aber gleichzeitig erhöhten wir damit die Chance, Neues kennenzulernen. Wir haben absurd viele Experimente gemacht: Hierarchien abgeschafft, alle Gehälter offengelegt, sind ins Verantwortungseigentum gegangen. Wir leben ja in einem kapitalistischen Umfeld und mussten schauen, welcher Weg dort bestehen kann.

Interessant, dass ihr euch als Unternehmer verantwortlich gefühlt habt. Sonst heißt es von Seiten der Wirtschaft ja eher: "Konsument:innen sind Schuld. Die wollen alles billig und schnell."

So ein wichtiges Thema! Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen: Dieses Abwälzen der Verantwortung auf die Verbraucher:innen ist eine gezielte Marketing-Strategie. Sobald Großunternehmen ins Visier geraten, lenken sie das Narrativ um, pochen auf die "freie Entscheidung" der Kund:innen. Gleichzeitig umgarnen sie diese Menschen gezielt und bewusst, ihr Produkt zu wählen. Siehe die Tabakindustrie, siehe Fastfood und Fast Fashion. Das ist perfide, reine Profitgier und "shareholder value only".

"Ich hoffe, dass gute Laune uns bewegt, die Zukunft anzupacken. Den erhobenen Zeigefinger hatten wir jahrelang, das hat nicht geklappt."

Was wäre der Gegenentwurf?

Ich wünschte, ich hätte die Antwort. Die Wahrheit ist, dass es schwierig ist, nachhaltig zu gründen. Etwa 90 Prozent aller Start-ups gehen nach den ersten fünf Jahren wieder ein und diejenigen, die versuchen, nachhaltig und sozial zu agieren, haben es noch schwerer. Einfach, weil sie einen Großteil ihrer erwirtschafteten Gewinne, reinvestieren müssen, um die Wertschöpfungskette fairer zu machen. Das weiß ich von einhorn. Fair zu sein hat uns wahnsinnig viel Geld gekostet und dieses fehlende Geld haben unserer Konkurrent:innen zur Verfügung gehabt, zum Beispiel für Marketing und Personal.

Aber du glaubst, es kann gelingen?

Es kann gelingen, siehe Patagonia, die machen einen Milliardenumsatz. Es muss auch gelingen, denn unsere derzeitige Wirtschaft ruiniert unseren Planeten und schafft globale Ungerechtigkeiten, die nicht nur unmoralisch sind, sondern auch ganze Regionen destabilisieren. Ich glaube leider, dass wir derzeit in einer Schockstarre sind, wir haben eine Inflation und Krieg in Europa, das führt dazu, dass sich viele Deutsche ängstlich zurückziehen. Wir brauchen mehr Mut und Aktivität.

Angesichts der Gesamtlage scheint das schwierig.

Mein Ansatz ist: Spielen. Ich möchte, dass Menschen in Deutschland mehr zusammenkommen, ungeachtet des Bildungsniveaus, Alters oder der politischen Meinung und Spaß haben. Ich versuche das über Tischtennis bei "Ding Dong Ping Pong" und hoffe, dass gute Laune uns bewegt, die Zukunft anzupacken. Den erhobenen Zeigefinger hatten wir jahrelang, das hat nicht geklappt.

Da können dann AfD-Wähler:innen mit Grünen-Wähler:innen Tischtennis spielen?

Es sollte keine Rolle spielen, wer was wählt. Es geht nur ums Spiel. Ich will keinen Ort mit politischer Agenda, niemanden missionieren oder ausgrenzen. Ich will, dass unsere gespaltene Gesellschaft sich wieder annähert und Bock auf gemeinsame Unternehmungen entwickelt. Wir sind alle zur gleichen Zeit Mitbewohner:innen in Deutschland. Das sind die Teammates, mit denen wir in die Zukunft schreiten werden, ob wir wollen oder nicht – also besser, wir lernen uns kennen. Vielleicht bereichern wir uns ja sogar gegenseitig.

Gilt das auch für gleichgesinnte Unternehmer:innen wie dich? Dass es sich lohnt, einander kennenzulernen?

Klar. Es gibt eine große Gruppe Menschen in Deutschland, die Wirtschaft anders gestalten wollen. Das sind Manifestierer:innen einer Zukunft, die nicht trostlos ist, sondern kreativ. Mit diesen Menschen, wie zum Beispiel Christoph Schmitz, über neue Ideen zu sprechen, begeistert mich. Christoph ist der Gründer des AckerFestivals in Berlin.

Wo du dieses Jahr auch als Speaker auftrittst. Wieso?

Ich finde es spannend, mit Leuten zu netzwerken, die was bewegen wollen. Aber ich schätze das Sozialunternehmen Acker auch, weil ich Vater eines Sohnes mitten in der Großstadt bin und weiß, wie selten Kinder dann Verbindung zur Natur haben. Christoph bringt nicht nur Akteur:innen der Nachhaltigkeit zusammen, sondern fördert auch Bildungsprogramme und Aktionen an Kitas und Schulen, für mehr Wertschätzung von Umwelt und Lebensmitteln. Da stehe ich voll und ganz dahinter.

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