Nachhaltigkeit
Interview

Tiktok-Koch Vegane Wunder: Was Ernährung mit der Gedanken- und Gefühlswelt macht

Vegan-Koch und Tiktok-Star Chris Washington alias Vegane Wunder spricht mit watson über mentale Gesundheit, Hasskommentare und den Veganuary.
Vegan-Koch und Tiktok-Star Chris Washington alias Vegane Wunder spricht mit watson über mentale Gesundheit, Hasskommentare und den Veganuary.bild: veganewunder
Interview

Tiktoker Vegane Wunder im Gespräch: "Kochen ist eine Art Meditation für mich"

08.01.2023, 09:21
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Vegan ohne Verzicht – das ist das Motto von Tiktok-Star Chris Washington. Mit seinen selbst entwickelten Rezepten begeistert er auf der Videoplattform Millionen von Menschen. 2022 hat er auch sein erstes Kochbuch herausgebracht.

Im Interview mit watson spricht der Berliner darüber, wie er es geschafft hat, seine Ernährung umzukrempeln, was seinen Kochstil auszeichnet und wie das Kochen zu seiner mentalen Gesundheit beiträgt.

Chris Washington ist Content Creator, Hobbykoch und Rezeptentwickler. Er lebt und arbeitet in Berlin.
Chris Washington ist Content Creator, Hobbykoch und Rezeptentwickler. Er lebt und arbeitet in Berlin. bild: veganewunder

watson: Du hast vor vier Jahren noch täglich Fleisch gegessen, auch weil du viel trainierst. Was war der Impuls, der dich dazu gebracht hat, deine Ernährung umzustellen?

Chris Washington: Ich habe zwei Dokumentationen gesehen, in der ersten ging es darum, wie sich das Fleisch aus der Massentierhaltung auf unsere Gesundheit auswirken kann. Und in der zweiten, "Dominion" heißt sie, wurde über das Leid der Tiere aufgeklärt. Nachdem ich die Filme gesehen hatte, war mir klar: Ich will ab jetzt gar kein Fleisch mehr essen und auch keine Milchprodukte zu mir nehmen.

Welchen Schritt bist du danach gegangen?

Ich habe alles aus dem Kühlschrank rausgeschmissen und wollte mich direkt vegan ernähren. Nach zwei Wochen wurde ich aber rückfällig, weil ich gar keine Ahnung hatte, wie ich bestimmte Sachen ersetzen soll. Ich habe mich dann eine lange Zeit vegetarisch ernährt und seit dreieinhalb Jahren lebe ich komplett vegan.

Was hat dir dabei geholfen, die Umstellung von vegetarisch auf vegan zu schaffen?

Ich habe mir sehr viele Videos zu dem Thema angeschaut, mich damit befasst, wie man bestimmte Dinge ersetzen kann. Das war auch einer der Gründe, warum ich meinen Blog gestartet habe. Um Leuten zu zeigen, dass vegan zu kochen eigentlich ziemlich easy ist.

Was entgegnest du Menschen, die sagen, Veganer:innen sollen damit aufhören, Gerichte mit Fleisch oder Fisch zu veganisieren?

Die meisten Menschen ernähren sich nicht vegan, weil sie denken, dass sie auf bestimmte Dinge verzichten müssten – auf den Geschmack von Steak und Hähnchen zum Beispiel. Ich finde, die beste Lösung ist es, etwas zu erschaffen, was dem sehr ähnlich ist oder fast genauso schmeckt. Wenn die Menschen nicht mehr das Gefühl hätten, auf etwas zu verzichten, würden sie sich eher vegan ernähren.

Was hältst du von Ersatzprodukten aus dem Supermarkt?

Ich benutze sie manchmal ganz gerne, aber manche finde ich nicht so super aufgrund ihrer Inhaltsstoffe. Insgesamt finde ich es aber toll, dass es vegane Ersatzprodukte gibt, um bestimmte Menschen abzuholen.

Findest du es gibt zu allem mittlerweile gute vegane Ersatzprodukte, oder fehlt dir noch etwas?

Gerade was Fisch betrifft, ist es relativ schwer, wirklich gute Ersatzprodukte zu finden. Auch ein richtig saftiges Steak habe ich in vegan noch nicht kaufen können. Aber ich denke, das wird es in Zukunft auf jeden Fall geben, durch In-vitro-Fleisch. Sobald man es geschafft hat, das kostengünstiger herzustellen, denke ich, dass man für so gut wie alles einen Ersatz finden wird.

Du postest wöchentlich mehrere Rezepte. Gehen dir die nicht bald aus?

Neue Sachen in der Küche auszuprobieren, ist meine große Leidenschaft. Und es gibt viele verschiedene Gerichte und unterschiedliche Arten, wie man Gerichte zubereiten kann. Ich glaube, die Kombinationsmöglichkeiten sind unendlich, deswegen werden mir auch die Ideen nie ausgehen.

Du bist in Kalifornien aufgewachsen und die dortige Esskultur ist stark durch die Nähe zu Mexiko geprägt – wie hat sich das auf deinen Kochstil ausgewirkt?

Ich liebe mexikanisches Essen schon seit meiner Kindheit. Und mir ist aufgefallen: Dieses Essen, das es in Amerika gibt, ob chinesisch oder mexikanisch, ist meistens nicht zu 100 Prozent authentisch. Es ist eher eine Kombination aus den beiden Kulturen. Ich habe das Gefühl, dass wenn ich Rezepte mache, sie auch nicht ganz traditionell sind. Ich kombiniere meine eigene Geschmackswelt mit der aus anderen Ländern, das zeichnet meine Art zu kochen aus.

Gibt es in den USA etwas, das du vermisst, wenn du in Deutschland bist?

Vor allem mexikanische Spezialitäten wie Salsa verde und Mais-Tortillas. Die bekomme ich selbst hier in Berlin kaum, außer im spanischen Einzelhandel, die es eher selten hier gibt. Außerdem ist Kalifornien sehr jüdisch geprägt, deswegen gibt es dort auch sehr viel koscheres Essen. Zum Beispiel gibt es Matzen, das ist ungesäuertes Brot. Das bekomme ich hier nur schwer.

Wie trägt deine Ernährung zu deinem Wohlbefinden bei?

Bevor ich mich komplett vegan ernährt habe, war ich ja eine lange Zeit vegetarisch und habe auch Ausnahmen gemacht. Ich muss sagen, immer wenn ich ausnahmsweise Fleisch gegessen habe, hatte ich einen Gewissenskonflikt. Denn eigentlich stand ich nicht dahinter, Fleisch zu essen, aber mein Appetit hat mich trotzdem dazu gebracht. Seitdem ich vegan bin und diesen Konflikt in mir nicht mehr habe und auch gar nicht das Gefühl habe, irgendwas zu vermissen, geht es mir viel besser. Das hatte einen großen positiven Effekt auf meine Psyche. Ich entspreche jetzt mehr meinen eigenen Moralvorstellungen und habe dadurch ein besseres Lebensgefühl.

Du hast erzählt, dass du vom Wesen her eher introvertiert bist und das früher als Schwäche wahrgenommen hast. Mittlerweile erkennst du es als deine Stärke an – wie hat dir das Kochen dabei geholfen?

Ich glaube, dass meine Introvertiertheit zum Beispiel dafür sorgt, dass ich viel grübele und am Wochenende auch nicht immer feiern gehen muss. Schon früher hat es mich glücklich gemacht, in den Supermarkt zu gehen, mir Lebensmittel zu holen, nach Hause zu gehen und einfach für mich zu sein. Ich bin gerne allein mit meinen Gedanken und liebe es, beim Kochen zur Ruhe zu kommen. Das Kochen hat mir geholfen, über Dinge nachzudenken und selbstreflektierter zu werden.

"Kochen hilft mir dabei, runterzukommen, es ist eine Art Meditation für mich."

Das klingt wie ein Selfcare-Ritual. Kochst du also auch gerne, wenn du schlecht gelaunt bist?

Ja, Kochen gibt mir immer positive Gefühle. Es ist einfach toll, etwas zu erschaffen. Am Anfang hat man nur die Zutaten und am Ende hat man ein Produkt auf dem Teller, das man sich vorher nur in seinem Kopf vorgestellt hat – das macht mich happy. Der Prozess ist für mich sogar wichtiger als das Resultat. Kochen hilft mir dabei, runterzukommen, es ist eine Art Meditation für mich.

Das Kochbuch hat Chris Washington im Selbstverlag herausgebracht – es enthält 85 vegane Rezepte.
Das Kochbuch hat Chris Washington im Selbstverlag herausgebracht – es enthält 85 vegane Rezepte.bild: veganewunder

Was sind deine Tipps für Menschen, die den Veganuary machen wollen?

Mein erster Tipp ist: Sei nicht zu streng mit dir, denn die Umstellung wird dir vielleicht nicht auf Anhieb gelingen. Man sollte sich selbst nicht runtermachen, nur weil man einmal rückfällig wird und doch Fleisch isst während des Veganuarys. Was zählt, ist, sein Bestes zu geben. Zudem würde ich empfehlen, dass man viel zu dem Thema vegane Ernährung liest, damit man merkt, dass es eigentlich recht simpel ist. Die Schwierigkeit besteht eigentlich darin, dass wir in einer Gesellschaft aufgewachsen sind, in der es nicht üblich ist, rein pflanzlich zu kochen.

Am Ende vieler deiner Videos sieht man deinen "Signature Move", du klopfst dir mit der Faust auf die Brust – welche Bedeutung hat diese Bewegung?

Die Bewegung kam ganz intuitiv in einem Video, einfach, weil ich das Essen so lecker fand. Und dann habe ich es immer so gemacht, weil ich etwas in meinen Videos haben wollte, das Leute wiedererkennen. Mir hat es gefallen, aber es haben sich auch total viele Menschen darüber aufgeregt. Ich hab es dann aber beibehalten und jetzt ist es, wie du schon sagst, mein "Signature Move" geworden.

Ärgern dich negative Kommentare?

Als ich angefangen habe, meine Videos auf Social Media zu teilen, haben mich solche Kommentare extrem aufgeregt. Heute ist es mir egal. Ich denke mir, wenn jemand ein Problem damit hat, wie ich meine Hand an meine Brust schlage, dann hat die Person mehr Probleme mit sich selbst als mit mir.

Klimaschutz-Ranking: Deutschland rutscht um zwei Plätze ab

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