Vor über sechs Jahren entschloss sich die Influencerin Angelique Vochezer, vegan zu leben. Während sie selbst schnell von der Ernährungsumstellung überzeugt war, haderte ihre Großmutter mit der neuen Ernährungsweise – beinhalteten doch all die Lieblingsgerichte ihrer Enkelin Butter, Milch und Eier.
Nach dem ersten Schreck aber setzten sich Oma und Enkelin zusammen und überlegten, wie sie diese Herausforderung meistern könnten.
Entstanden ist ein Buch, das nicht nur klassische Rezepte aus Kindheitstagen in vegan übersetzt, sondern auch eine ermutigende Geschichte über die Annäherung zweier vollkommen unterschiedlicher Generationen und Sichtweisen erzählt.
Welche Hürden Oma und Enkelin erlebt und überwunden haben, erzählen sie im Gespräch mit watson.
watson: Frau Vochezer, wie kam es dazu, dass Sie plötzlich vegan wurden?
Angelique Vochezer: Begonnen hat alles mit meiner Gesundheit: Ich habe seit meiner Teenagerzeit unter starken und unkontrollierbaren Migräneanfällen gelitten und bin von Arzt zu Arzt gerannt. Aber nichts hat geholfen. Außer Tabletten, die ich aber nicht mein Leben lang nehmen wollte. Dann stieß ich vor sechseinhalb Jahren im Internet auf einen Bericht über vegane Ernährung bei Migränepatienten. Ein Versuch ist es wert, dachte ich – obwohl ich skeptisch war.
Aber es hat sich ausgezahlt?
Vochezer: Was soll ich sagen, es war die beste Entscheidung in meinem Leben. Da ich mich mit dem Thema noch gar nicht auskannte, habe ich jede Menge Dokumentationen geschaut und mir war klar, dass der vegane Lebensstil genau das richtige für mich ist. Ob es mir hilft oder nicht. Ich war geschockt, dass ich von all dem, was hinter den Kulissen passiert, nichts wusste. All das Tierleid wollte ich nicht mehr unterstützen. Also wurden aus gesundheitlichen Gründen auch ethische und mittlerweile tue ich es auch der Umwelt zuliebe.
Haben sich die Migräneattacken auch gebessert?
Vochezer: Ja, das haben sie. Sie sind bei Weitem nicht mehr so oft und stark wie damals. Es ist eine neue Lebensqualität. Als ich damals Urlaub hatte und von Berlin in meine alte Heimat gefahren bin, habe ich es Omi sofort erzählt.
Frau Teßmann, wie war das für Sie, als Ihre Enkelin Ihnen eröffnet hat, nur noch vegan zu essen?
Ingeborg Teßmann: Zuerst wusste ich nicht, was dies überhaupt bedeutet. Vor knapp sieben Jahren war die vegane Ernährung ja bei weitem nicht so präsent wie heute. Oje, dachte ich, jetzt bist du 72 Jahre alt und sollst nochmal neu kochen lernen. Alles, was Angie gern bei mir aß, war mit Eiern, Butter oder Milch gebacken oder gekocht. Ich hatte Angst, dass ihr Nährstoffe fehlen werden und dass sie all ihre liebsten Mahlzeiten nicht mehr essen kann.
Wie ging es dann weiter?
Teßmann: Angie hat mir ganz in Ruhe erklärt, dass Veganismus bedeutet, komplett auf tierische Produkte zu verzichten. Ich habe mich an meine Kindheit zurückerinnert. In der Nachkriegszeit hatten wir all das ja auch nicht. Fleisch war schlichtweg zu teuer und meine Mutter musste kreativ werden und aus wenig viel herausholen. Uns Kindern hat es ja damals auch an nichts gefehlt.
Also hat es gar nicht so lange gedauert, bis der erste Schock überwunden war.
Teßmann: Nein, da ich eine Menge in meinen Kindheitserinnerungen gegraben und alte Rezepte von meiner Mutter wieder habe erblühen lassen. Die ganze Familie war begeistert. Außerdem habe ich mir vegane Kochbücher geholt und erst einmal gelernt, wie ich die einzelnen Lebensmittel ersetzen kann.
Und wie entstand die Idee eines gemeinsamen Kochbuchs?
Vochezer: Wir haben schon lange rumgealbert, dass wir ja gemeinsam ein Kochbuch schreiben könnten, da Omi so viel experimentiert hat, seit ich ihr vor sechs Jahren erzählt habe, dass ich vegan lebe. Die ganze Familie war von ihren veganen Kuchen, Torten und deftigen Mahlzeiten an den Festtagen total begeistert und konnte erst gar nicht glauben, dass all das rein pflanzlich ist. Als dann die Anfrage vom Ullstein Verlag für ein Buch in meinem Postfach gelandet ist, musste ich es Omi als allererstes zeigen – wir waren beide sofort Feuer und Flamme.
Frau Teßmann, leben Sie denn mittlerweile selbst vegan?
Teßmann: Ich ernähre mich seitdem tatsächlich wieder bewusster. Wenn es nach mir ginge, würde ich noch mehr vegan zu Hause kochen. Jedoch freut sich mein Mann schon ab und zu auf Mahlzeiten mit Fleisch. Und das ist ja auch völlig in Ordnung. Es ist eben wichtig, bewusst einzukaufen. Früher war der Sonntagsbraten ja auch etwas ganz Besonderes.
Welche Bedeutung hat es für Sie, Frau Vochezer, dass Ihre Großmutter Ihre Entscheidung so mitträgt?
Vochezer: Ich finde es wahnsinnig schön und mir bedeutet es viel, dass Omi so offen ist und meine Beweggründe versteht. Es ist ja eine Lebenseinstellung für mich. Und es ist so wichtig, Verständnis zu zeigen – egal in welche Richtung. Wir können alle so viel voneinander lernen.
Haben Sie einen Tipp, wie man die eigenen Großeltern davon überzeugen kann, sich mal an veganen Gerichten zu versuchen – oder zumindest die Abwehrhaltung abzulegen?
Vochezer: Natürlich trifft man auch auf Unverständnis. Man war ja früher selbst erst einmal skeptisch. Man sollte seinen Liebsten Zeit geben, sich erst einmal bewusst mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich musste mir damals ja auch erst all das Wissen aneignen und alles verstehen. Deshalb ist Geduld das Zauberwort.
Teßmann: Ja, einander Zeit zu geben ist ein sehr wichtiger Punkt, und alles mit Geduld zu erklären. Vielleicht auch mal die Großeltern an früher erinnern. Wie war es in ihrer Kindheit? War damals der Sonntagsbraten nicht auch etwas ganz Besonderes? Mir hat es damals sehr geholfen, mich an meine Kindheit zurückzuerinnern – und schau, was aus uns geworden ist. Mit meinen 78 Jahren bin ich immer noch fit und gesund.