Unsere Welt wird maßgeblich davon geprägt, wie wir uns ernähren – das konnte eine neue Studie des Öko-Instituts, die von Greenpeace in Auftrag gegeben wurde, nun belegen. In der Studie wurde untersucht, welche Auswirkungen es auf die Landwirtschaft in Deutschland hätte, wenn sich die gesamte deutsche Bevölkerung nach dem Speiseplan der "Planetary Health Diet" ernähren würde.
Landwirtschaft, wie sie aktuell betrieben wird, könnte Greenpeace zufolge in naher Zukunft der Wirtschaftsbereich mit den höchsten Treibhausgasemissionen sein. Um dennoch bis 2045 treibhausgasneutral zu sein, ist den Forschenden zufolge eine Transformation des Ernährungssystems dringend notwendig.
Einen Ausweg aus dem Dilemma sehen Wissenschaftler:innen in der "Planetary Health Diet": Sie gilt als Alternative zu unserer aktuellen Ernährungsweise und wurde 2019 von der Eat Lancet Kommission entwickelt. Mit ihr soll es möglich sein, bis 2050 eine steigende Weltbevölkerung zu versorgen und gleichzeitig unter der planetaren Belastungsgrenze zu bleiben, also den CO₂-Fußabdruck der Landwirtschaft enorm zu verringern.
"Die Änderung des Ernährungsverhaltens ist tatsächlich einer der wichtigsten Hebel, um der planetaren Krise, in der wir uns befinden, etwas entgegenzusetzen", antwortet Lisa Pörtner, Fachärztin für Innere Medizin und Ernährungsmedizin, auf Anfrage von watson.
"Die Produktion unserer Lebensmittel ist verantwortlich für fast ein Drittel aller menschengemachten Treibhausgasemissionen, einen Großteil der Entwaldung und maßgeblicher Treiber des Artensterbens", ergänzt sie. Der Wechsel zu einer stark pflanzenbasierten Ernährung im Sinne der "Planetary Health Diet" ist ihr zufolge unerlässlich, um globale Umweltziele wie das Pariser Klimaabkommen einzuhalten.
Würde ein Großteil der Menschen die Ernährungsweise in ihrem Alltag befolgen, würde allem voran der Konsum tierischer Lebensmittel stark zurückgehen. Mit großen klimapositiven Folgen: Ganze 80 Prozent der landwirtschaftlich bedingten Emissionen könnten durch diese Umstellung wegfallen.
Damit würden plötzlich bis zu 40 Prozent der aktuell in Deutschland genutzten landwirtschaftlichen Flächen für anderweitige Nutzung frei. Genauer: Ganze 4,6 Millionen Hektar Ackerfläche und 1,6 Millionen Hektar Grünfläche. Bislang werden diese für die Erzeugung von Futtermitteln und Bioenergie genutzt.
Bei einer Ernährungsumstellung könnte auf diesen Flächen statt Futtermitteln Getreide, Obst und Gemüse angebaut werden, wodurch weitere 70 Millionen Menschen versorgt werden könnten. Für den Fall, dass bestimmte Flächen nicht für den Pflanzenanbau geeignet sind, könnten diese aufgeforstet werden und so für die Einsparung weiterer 20,4 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente sorgen.
So oder so: Eine Ernährung nach der "Planetary Health Diet" könnte insgesamt den Klimafußabdruck der Landwirtschaft in Deutschland auf 23 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente reduzieren.
Aktuell liegen die Emissionen aus der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Nutzung von Moorstandorten bei rund 95 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten. Allein 81 Millionen Tonnen davon werden dabei durch die Ernährung ausgestoßen.
Ein weiterer Lösungsvorschlag aus der Studie: Um die CO₂-Menge zu verringern, müssten zusätzlich zur Reduktion der Tierhaltung auch Moore wieder vernässt werden. Mit Beginn der Ukrainekrise hatte der Deutsche Bauernverband allerdings verstärkt darauf gepocht, weitere Moorflächen für die landwirtschaftliche Nutzung freizugeben, um darauf Getreide anzubauen.
Das wiederum würde eine erhöhte Menge an CO₂ -Emissionen freisetzen, die beim Umpflügen der Flächen zum Ackerbau austreten.
Aus ernährungsmedizinischer Perspektive stellt Pörtner klar:
Dabei komme es vor allem darauf an, sich abwechslungsreich zu ernähren: "Die Planetary Health Diet kann flexitarisch (mit wenig Fleisch), vegetarisch (ohne Fleisch, aber mit Milchprodukten und Eiern) oder rein vegan umgesetzt werden", antwortet sie auf Nachfrage von watson.
"Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass auch Pflanzen Proteine enthalten, dabei decken die Menschen im weltweiten Durchschnitt den Großteil (nämlich fast zwei Drittel) ihres Proteinbedarfs aus pflanzlichen Lebensmitteln", ordnet Pörtner ein.
Insbesondere Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen seien hervorragende Proteinlieferanten, weshalb ihr Verzehr nach den Empfehlungen der "Planetary Health Diet" deutlich gesteigert werden sollte. Auch beinhalten sie Calcium und Eisen.
Pörtner ergänzt:
Auch "Pseudogetreide" wie Hirse oder Amaranth seien gute Eisenlieferanten. "Grünes Blattgemüse und Brokkoli tragen zur Calciumversorgung bei und sind darüber hinaus extrem gesund", erläutert die Ernährungsmedizinerin.
Bei einer rein pflanzlichen Ernährung könne man zudem auf mit Calcium angereicherte Pflanzenmilch oder calciumhaltiges Mineralwasser zurückgreifen. Nur B12 sei eine Ausnahme, wie Pörtner erklärt: "Bei der veganen und häufig auch bei der vegetarischen Ernährung muss Vitamin B12 substituiert werden, da dieses in pflanzlichen Lebensmitteln nicht enthalten ist."