Marie Hoffmann ist sowohl Landwirtin als auch Agrarfluencerin.bild: tom finke
Interview
Marie Hoffmann ist Landwirtin und nimmt ihre Follower auf Tiktok und Instagram mit auf ihren Hof. Mit watson hat sie über die Bauern-Proteste und deren Legitimität gesprochen.
15.01.2024, 20:2516.01.2024, 13:21
Watson: Du hast auf Instagram über 600.000 Follower. Wie sehr hilft Social Media dabei, über Landwirtschaft und damit einhergehende Probleme aufzuklären?
Marie Hoffmann: Die sozialen Medien sind ein Tool, mit dem man mit relativ wenig Aufwand viele Menschen erreichen kann. Die Herausforderung ist, aus der Filterblase herauszukommen – also nicht nur Menschen zu erreichen, die sich ohnehin für Landwirtschaft interessieren.
Wie schaffst du es, aus dieser Filterblase auszubrechen?
Ich versuche das Ganze aus Sicht der Verbraucher zu betrachten und mit wenig Fachtermini zu erklären. Gerade jetzt mit den Bauern-Protesten bekommen das viele aus den Nachrichten mit, verstehen aber die Hintergründe nicht so richtig, weil die Agrarpolitik sehr komplex ist. Und zu solchen Themen drehe ich dann Erklär-Clips.
Marie Hoffmann ist Landwirtin und berichtet auf Tiktok und Instagram darüber, was das bedeutet.bild: tom finke
Ist Teil des Problems, dass wir den Bezug zum Essen verloren haben – weil wir im Supermarkt kaufen können, wonach uns ist?
Ich würde sagen, das ist sogar das Hauptproblem. Wir werden immer weniger Menschen, die in der grünen Branche arbeiten, aber gleichzeitig wächst die Bevölkerung. Das bedeutet, dass ein Landwirt oder eine Landwirtin immer mehr Menschen ernährt – mittlerweile etwa 170. Große Teile der Gesellschaft beschäftigen sich damit, wie sie sich gesund ernähren, aber die komplexe Arbeit, die dahinter steckt, inklusive der agrarpolitischen Gegebenheiten, wird häufig nicht verstanden.
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Wie meinst du das?
Wir produzieren ja nicht nur Lebensmittel, sondern betreiben auch aktiv Klima- und Artenschutz, indem wir zum Beispiel durch Weidetiere Landschaften erhalten, Abfälle in der Tierfütterung verwerten, oder mit regenerativen Anbaukonzepten CO2 aus der Luft in unseren Böden speichern. Diese Potenziale sind noch lange nicht ausgeschöpft, die gilt es aber seitens der Politik entsprechend zu fördern, ohne dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Wenn immer weniger Menschen in dieser Branche arbeiten – ist unsere Landwirtschaft gefährdet?
Noch ist die Branche relativ attraktiv, zumindest sind die Ausbildungszahlen konstant. Nur die Anzahl derjenigen, die dann wirklich in einem Betrieb angestellt sind, sinkt. Stattdessen gehen viele nach der Ausbildung oder dem Studium in den vor- oder nachgelagerten Bereich, also zum Beispiel in Saatgutunternehmen, den Landhandel oder die Verwaltung. Das ist finanziell oft attraktiver. Dadurch erfahren wir einen Fachkräftemangel auf den landwirtschaftlichen Betrieben.
Wo liegt das genaue Problem in Bezug auf die Politik?
Wir erhalten wenig Verständnis aus der Politik. Deswegen sind die politischen Entscheidungen auch oft so praxisfern, wie jetzt zum Beispiel mit dem Agrardiesel. Es wurde uns vorher keine Weiche gestellt, um auf alternative Antriebskonzepte umzusteigen. Im Gegenteil – die werden sogar verhindert.
Viele setzen sich mit Ernährung auseinander, doch nicht mit Landwirtschaft, sagt Marie.bild: tom finke
Inwiefern?
Wir dürfen bis 2030 keinen Raps mehr für Biodiesel anbauen. Und auch für Methan gibt es noch keine Infrastruktur, die man für die Methanschlepper bräuchte. Das könnte man aber eigentlich aus Biogas herstellen, wodurch es dann wieder eine Runde und nachhaltige Sache wäre. Zumindest, wenn die Biogasanlagen vorwiegend mit Mist, Gülle und biologischen Abfällen gefüttert werden, statt mit Mais. Aber genau das wird von den Behörden verhindert, weil der Umbau, der für die Biogasanlagen nötig ist, nicht genehmigt wird. Die Folge ist, dass wir keine Wahl haben und weiter die Dieseltraktoren nutzen müssen – und jetzt eben mehr Geld bezahlen.
Wie könnte man dieses Problem beheben?
Eine flächendeckende Lösung, vor allem für größere Traktoren und Erntetechnik, gibt es noch nicht. Hier muss jetzt erst die Entwicklung gefördert, aber auch seitens der Politik zugelassen werden. Nur können wir ja nicht einfach aufhören, Traktor zu fahren. Ein Traktor ist kein Konsumgut wie ein schickes Auto oder ein Kleidungsstück. Wir sind darauf angewiesen, um Lebensmittel produzieren zu können.
"Dass wir mehr Verständnis als die Letzte Generation bekommen, hat wohl damit zu tun, dass die Leute wissen, dass wir hart dafür arbeiten, damit wir alle Lebensmittel kaufen können."
Dass ihr kein Verständnis von der Politik bekommt, sehen viele anders. Die Regierung hat ihre finanziellen Kürzungen zum Teil zurückgenommen.
Das ist auch auf jeden Fall ein Teilerfolg, war aber auch dringend notwendig. Wenn die Agrardieselkürzungen inklusive der Streichung bei der Kfz-Steuer gekommen wäre, hätte das die Existenz vieler Betriebe bedroht. Es haben ja jetzt schon viele aufgehört. Und das bedeutet nicht, dass dann ein Produkt im Kleiderschrank fehlt, sondern dass etwas so Essenzielles wie die Lebensmittelproduktion leidet – und damit der Anbau regionaler Lebensmittel.
Auch die Zivilgesellschaft zeigt mehr Verständnis, als zum Beispiel für Aktionen der Letzten Generation.
Im Gegensatz zu den Klimaklebern haben wir unsere Demonstrationen angemeldet. Leider gibt es dann auch kleinere Einzelgruppen oder Trittbrettfahrer, die die Proteste für extremistische Zwecke ausnutzen oder Einzel-Aktionen wie vor der Fähre mit Robert Habeck. Das kann ich nur aufs Schärfste kritisieren. Das geht gar nicht und schadet unserem Anliegen.
Dass wir aus der Gesellschaft mehr Verständnis als die Letzte Generation bekommen, hat vermutlich damit zu tun, dass die Leute wissen, dass wir Tag und Nacht hart dafür arbeiten, damit wir alle Lebensmittel im Supermarkt kaufen können. Gerade auf dem Land, wo es mehr Berührungspunkte gibt, ist das Verständnis größer.
Und warum reicht es nicht, dass die Bundesregierung die finanziellen Kürzungen schon stark reduziert hat?
Es ist nicht nur so, dass durch diese Kürzungen ein gewisser Prozentsatz von Einkommen und Umsatz wegbricht. Das eigentliche Problem ist, dass wir all die Preiserhöhungen, die wir in den letzten Jahren erfahren haben – durch mehr Regularien, aber auch durch die Inflation und den gestiegenen Mindestlohn nicht einfach weitergeben können.
Die Regularien zum Thema Klima-, Biodiversitäts- und Tierschutz gibt es aber aus Gründen.
Es geht auch in keiner Weise darum, die hohen Standards von Umwelt- und Verbraucherschutzauflagen herunterzuschrauben. Deswegen sind die Subventionen aus der EU für uns wichtig. Wenn wir Blühstreifen für Insekten anlegen, fällt ein gewisser Anteil unserer Fläche weg – deswegen die Ausgleichszahlungen.
Müssten wir nicht vielleicht anfangen, das ganze System umzubauen? Wenn 60 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland zur Tierfutterproduktion genutzt werden, ist das ja alles andere als effizient.
Ja, zum Teil natürlich schon. Aber es eignet sich auch nicht jeder Boden für die Lebensmittelproduktion. In der Tierfütterung werden auch Missernten verfüttert, also zum Beispiel Weizen, der für uns als Mehl gedacht war. Aber es stimmt schon, wir müssten das Futter für die Tiere noch mehr auf die schlechteren Standorte verlagern oder sie, noch besser, auf die Weide bringen. Dafür bräuchten wir aber deutlich weniger Tiere und höhere Mindesthaltungsstandards, was tierische Produkte sicherlich um ein Dreifaches verteuern würde.
Wie kann die Landwirtschaft zukunftsfähig werden?
Was wir als landwirtschaftliche Branche selbst tun können: Im Bereich Ackerbau müssen wir versuchen, die Mikrobiologie im Boden besser zu verstehen und nicht immer nur Symptome zu bekämpfen. Wir müssen also die Bodenfruchtbarkeit und Bodengesundheit wiederherstellen. Wir bewegen uns aber in die richtige Richtung – hin zu einer regenerativen Landwirtschaft.
Und die Politik?
Wir brauchen Planungssicherheit und eine faire Bezahlung für unsere Lebensmittel und Dienstleistungen für den Umwelt- und Naturschutz. Dazu müssen wir unabhängiger vom Handel werden.