Nachhaltigkeit
Interview

Deutsche Bahn: Pläne, Preise für Tickets und Pünktlichkeit

Group of Asian teenagers using phones in subway station. Social issues concept.
Ist als Meme oftmals beliebter als das Verkehrsmittel: die Deutsche Bahn.Bild: Getty Images / urbazon
Interview

Warum hat die Bahn in Deutschland so viele Probleme?

Zugausfälle, Verspätungen und viel Ärger: Die Deutsche Bahn hat nicht das beste Image. Aber wieso ist das so? Und wird sich das in Zukunft ändern?
10.07.2025, 11:3610.07.2025, 11:36
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Keine Frage: Die Bahn zu nehmen, ist nicht nur umweltfreundlicher, sondern bei guten Bedingungen auch viel bequemer als mit dem Auto zu reisen oder gar Kurzstrecken zu fliegen.

Trotz vieler Probleme sieht sich die Bahn als nachhaltige Mobilitätslösung, gerade für junge Menschen. Doch ohne deutlich mehr Investitionen, bessere Planung und spürbare Verbesserungen im Alltag wird das Versprechen vom klimafreundlichen Mobilitätswunder weiter an einem Punkt scheitern: dem Vertrauen.

Jetzt hat die Bahn neue Pläne: Die umfassende Sanierung der maroden Infrastruktur soll nun der Unpünktlichkeit den Garaus machen. Die Sanierung der besonders wichtigen Strecken wurde um ein Jahr verlängert, also bis 2036. Aber kann das den deutschen Schienenverkehr revolutionieren?

Eleonora Zanoni ist das Gesicht der Deutschen Bahn und auf deren Social-Media-Kanälen unter anderem für die Erklärformate zuständig. Ihr Ziel: Komplexe Sachverhalte kurz, klar und verständlich wiederzugeben. Watson hat bei ihr nachgefragt, was passieren muss, damit die Deutsche Bahn endlich besser wird.

watson: Warum sollte gerade die junge Generation auf die Bahn setzen – trotz aller bekannter Probleme?

Eleonora Zanoni: Weil die Bahn nun mal das umweltfreundlichste Verkehrsmittel ist, wenn man vom Fahrrad mal absieht. Gerade für uns junge Leute, denen Klimaschutz sehr am Herzen liegt und die sich dafür einsetzen, ist das relevant. Jeder Kilometer, den man mit dem Zug statt mit dem Auto oder Flugzeug zurücklegt, spart CO₂.

Aber Flixtrain ist oft günstiger als die Bahn, bei ähnlicher Fahrzeit.

Wir finden es gut, dass es Wettbewerb auf der Schiene gibt – davon profitieren alle, die Bahn fahren. Wir setzen auf unsere Stärken: regelmäßige Verbindungen, Bordbistro, Bahncard-Rabatt für Stammkund:innen und Schnäppchenpreise mit dem Sparpreisfinder für alle, die früh buchen. Als Vegetarierin bin ich beispielsweise sehr dankbar für das breite vegane und vegetarische Angebot in unserem Bordbistro.

Trotzdem erleben viele Menschen Bahnfahren als teuer, langsam und unzuverlässig. Was läuft da schief?

80 Prozent aller Verspätungen sind auf die alte Infrastruktur zurückzuführen, zum Beispiel auf Baustellen, veraltete Stellwerke, zu alte Brücken oder einfach auf die Überlastung durch zu viele Züge. Unser Schienennetz ist über Jahrzehnte vernachlässigt worden. Andere Länder wie Österreich oder die Schweiz haben pro Kopf der Bevölkerung ein Vielfaches in die Infrastruktur investiert. Wir merken jetzt leider deutlich, dass Deutschland das zu lang versäumt hat.

"Das ist wie beim Pflaster abreißen, einmal tut es weh und dann ist es gut."

Die Deutsche Bahn spricht von einer "Generalsanierung" hochbelasteter Strecken. Was ist das genau?

Wir sperren stark genutzte Strecken über mehrere Monate komplett und erneuern alles, also Schienen, Oberleitungen, Stellwerke, Brücken. Das Ziel: weniger Dauerbaustellen, mehr Verlässlichkeit. Die erste Generalsanierung, die Strecke Frankfurt-Mannheim, ist abgeschlossen. Seitdem sind die Regionalzüge zwischen beiden Städten 20 Prozentpunkte pünktlicher.

Und was machen Fahrgäste in der Zwischenzeit?

Es gibt im Fernverkehr Umleitungen und im Nahverkehr Ersatzbusse. Klar, das braucht mehr Zeit. Aber ganz ehrlich: lieber eine komplette Sperrung für eine begrenzte Zeit, und dann Ruhe, als jahrelang immer wieder neue Baustellen mit immer neuen Verspätungen. Das ist wie beim Pflaster abreißen, einmal tut es weh und dann ist es gut.

Und warum ist Bahnfahren in Deutschland häufig teurer als in anderen Ländern, obwohl Service und Pünktlichkeit dort teils besser sind?

Ist das denn wirklich so? Das würde ich so pauschal nicht sagen. Zum Beispiel gibt es nur bei uns den Vorteil, dass Kinder unter 15 Jahren in Begleitung eines Erwachsenen im Fernverkehr kostenlos mitfahren. Für alle unter 27 haben wir den "Super Sparpreis Young" und die ermäßigte My Bahncard. Und mit dem Sparpreisfinder gibt es auch für längere Strecken günstige Preise, vor allem, wenn man zeitlich flexibel ist.

Verspätungen sind das eine. Aber warum fallen Züge regelmäßig komplett aus?

Die Gründe sind vielfältig: Technikprobleme, die zunehmenden extremen Wetterlagen oder Streiks. Uns ist Sicherheit dabei extrem wichtig. Wenn ein Zug nicht zu 100 Prozent sicher ist, lassen wir ihn lieber stehen. Auch wenn’s natürlich nervt.

Die Bahn muss für die Nutzung der Schienen bei jeder Fahrt eine "Maut" zahlen. Das sind sogenannte Trassenpreise. Warum ist das so?

Das ist vergleichbar mit der Lkw-Maut auf der Autobahn. Bei jeder Zugfahrt, egal ob ICE, Flixtrain, Regionalzug, S-Bahn oder Güterzug, zahlt die Bahngesellschaft für jeden Kilometer Geld an den Betreiber des Schienennetzes. Das Gleiche gilt für jeden Halt an einem Bahnhof. Von dieser "Schienenmaut" werden dann zum Beispiel unsere Beschäftigten in den Stellwerken bezahlt, die die Weichen und Signale stellen. Es fließt auch in die Instandhaltung der Schienen und in den Betrieb von Bahnhöfen.

Trassenpreise Deutschland
Das Schienennetz in Deutschland gehört der DB InfraGO AG, einer Tochter der Deutschen Bahn. Alle Bahnunternehmen zahlen Trassenpreise, um das Netz nutzen zu dürfen. Die Höhe richtet sich unter anderem nach Strecke, Zeit und Zugtyp.

Mit dem Deutschlandticket für 58 Euro im Monat fahren, klingt gut. Aber das ist ohne ICE-Nutzung für viele Reisen zu langsam. Wie realistisch ist das als echte Mobilitätsalternative?

Für lange Strecken ist das Deutschlandticket ursprünglich nicht gedacht, da geht es eher um flexible, regionale Mobilität. Wobei ich sagen muss, dass ich persönlich sehr gerne mit meinem Deutschlandticket auch weiter fahre, zum Beispiel mal am Wochenende ans Meer. Für den Fernverkehr gibt es aber andere günstige Angebote, zum Beispiel über spezielle Aktionen wie unser "Tiktok-Ticket". Dabei können alle Tiktok-User:innen 50 Prozent Rabatt auf ihr nächstes Bahnticket bekommen.

Nach dem EM-Debakel gab es wieder heftige Kritik an der Bahn – teils mit Begriffen wie "Blamage für Deutschland". Wie gehen Sie mit solcher medialen Kritik um?

Natürlich waren wir mit der Situation nicht zufrieden und haben sie als Ansporn genommen, noch besser zu werden. Die EM hat gezeigt: Verbesserungen bei der Infrastruktur gehen leider nicht über Nacht. Aber wir sind auf dem richtigen Weg. Wir bauen gerade die Bahn der Zukunft auf.

"Manche Videos übertreiben oder sind nicht wahrheitsgetreu. Leider nutzen einige die Plattform bewusst für Reichweite."

Immer wieder berichten Menschen auf Social Media, dass sie bei Verspätungen nicht richtig informiert wurden. Was tut die Bahn konkret, um die Fahrgastkommunikation zu verbessern?

Wir haben die Echtzeit-Infos in der App DB Navigator, auf bahn.de und in den Bahnhofsanzeigen stark verbessert. Fehler können passieren, das ist nicht schön, aber nicht absichtlich. Was Tiktoks angeht: Wir kennen diese Videos natürlich sehr gut. Einige beschreiben echte Probleme, die wir ernst nehmen und intern prüfen.

Aber?

Man muss auch sagen: Manche Videos übertreiben oder sind nicht wahrheitsgetreu. Leider nutzen einige die Plattform bewusst für Reichweite. Heutzutage lassen sich mit einer dramatischen Geschichte leider sehr viel mehr Views erzielen als mit scheinbar "langweiligen" Fakten. Deshalb prüfen wir genau, was passiert ist, und reagieren dann angemessen, natürlich auch mit der Bitte um Entschuldigung oder mit Erstattungen.

Blick in die Zukunft: Wie sieht die Bahn im Jahr 2030 aus? Was soll sich für Fahrgäste spürbar verbessern?

Ganz oben auf der Liste: Pünktlichkeit, spürbar und dauerhaft. Da muss sich deutlich etwas ändern. Komfort und Digitalisierung haben wir schon stark verbessert, etwa bei Barrierefreiheit und Ticketing. Beim Wlan ist noch Luft nach oben. Vor allem auf dem Land brauchen wir bessere Netzabdeckung – und da sind wir mit den Mobilfunkanbietern dran. Die Bahn 2030 soll auf jeden Fall eine Bahn sein, auf die wir uns alle freuen dürfen.

Energiewende: Wie sinnvoll ist es jetzt noch Gaskraftwerke zu bauen?
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche will schnell neue Gaskraftwerke bauen. In den kommenden Jahren sollen hierzulande zusätzliche Kapazitäten im Umfang von bis zu 20 Gigawatt entstehen. Dabei will sich Deutschland doch eigentlich von fossilen Energien verabschieden. Wie passt das zusammen?

Der Gasausstieg ist beschlossene Sache. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein und das funktioniert eigentlich nur ohne fossile Energien. Bei der Kohle sind die Weichen bekanntermaßen schon gestellt: Die letzten Kraftwerke sollen spätestens im Jahr 2038 stillgelegt werden. Und ganz im Sinne der Energiewende steigt der Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung gleichzeitig an.

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