Christine ist heute als Influencerin bekannt für ihre Solo-Dates, zelebriert das Alleinsein und inspiriert ihre Community zu Ausflügen ohne Freund:innen und Partner:innen. Warum?
Was ist daran so toll, solo Dinge zu erleben? Das fragten wir die 29-jährige Autorin des Ratgebers "Alone but Awesome" (mvg Verlag) im watson-Gespräch.
watson: Wie sind Solo-Dates zu deinem Thema geworden?
Luna Christine Lutsch: Mein Freund und ich waren während einer Weltreise auf der indonesischen Insel Java. Wir hatten eine Tour auf einen Vulkan gebucht und wollten dort den Sonnenaufgang genießen. Nur leider wurde mein Freund krank. Mein erster Impuls war: "Mist, dann kann ich da nun auch nicht hoch." Selbst als er sagte, "Warum? Geh doch mit der Gruppe!" War ich so: "Nee, das geht doch nicht."
Wovor hattest du Angst?
Ich kann nicht so gut Englisch, das war eine Hürde. Was, wenn ich mich nicht mit den anderen unterhalten kann? Mich blamiere? Was, wenn ich wirke, wie die Seltsame, die keinen hat? Gleichzeitig dachte ich: Das ist eine einmalige Chance. Wir kommen vermutlich nicht nochmal zurück. Ich mache es einfach!
Und wie war das?
Sehr schön. Ich führte tolle Gespräche in radebrechendem Englisch. Keiner hat mich verurteilt, im Gegenteil, gleich mehrere in der Gruppe reisten allein und ich begriff, dass es Menschen gibt, die nicht auf jemanden warten im Leben, bevor sie schöne Dinge erleben. Als ich da oben stand, mir den Sonnenaufgang anguckte, dachte ich: "Ich habe so viele Dinge in meinem Leben nicht gemacht, weil ich auf Leute gewartet habe." Für mich war das ein Aha-Moment. Ich nahm mir vor, in Zukunft zu tun, worauf ich Lust hatte, auch wenn keiner mitkommt. Ich will mir selbst solche Erlebnisse nicht mehr vorenthalten.
Konntest du dieses Gefühl mit nach Hause nehmen?
Es ließ mich gar nicht mehr los. Ich begann auch daheim mal allein in ein Café zu gehen, ohne zu arbeiten, nur, um meine Energie aufzuladen. Ich erkannte, auf wie viele schöne Unternehmungen ich verzichtet hatte, nur weil ich dachte, dafür braucht es eine Begleitung.
Was hat dich denn abgehalten, allein loszugehen?
Zum einen hatte ich Angst vor Einsamkeitsgefühlen. Ich kannte das Gefühl, allein zu sein nicht, weil ich schon seit Jahren meinen Freund überall mit hinschleppte. Ich war unsicher, ob ich überhaupt Spaß mit mir selbst haben könnte.
Und außerdem?
Der Gedanke: "Was denken die Anderen dann über mich?" hat mich früher extrem beschäftigt. Ich dachte, wenn mich jetzt Menschen allein sehen, denken die: "Hat die keine Freunde, oder was? Warum hat die niemanden? Ist die blöd?" Das war meine größte Sorge.
Ist denn jemals jemand auf dich zugekommen und hat gesagt: "Erbärmlich. Hast du keine Freunde?!"
(lacht) Nee, natürlich nicht. Im Gegenteil. Viele finden es eher cool, dass jemand so sein Ding macht. Es ist außerdem so, dass man unheimlich schnell mit anderen Menschen ins Gespräch kommt, sobald man allein ist. Aber die Wahrheit ist: Den meisten bist du völlig egal. Die merken nicht einmal, ob da jemand solo unterwegs ist.
Bei Singles kann man sich das noch gut vorstellen. Aber wie reagieren Leute darauf, dass du trotz Partnerschaft solo in den Urlaub fährst?
Das können die Leute tatsächlich weniger verstehen. Viele meinen ja, wenn man sich liebt, will man alles teilen. Aber ich halte es für gesund, wenn man einander auch Solo-Zeit gönnt und Dinge unabhängig voneinander erlebt. Oft steckt hinter der Skepsis ein Missverständnis: Ich will mich ja nicht von meinem Partner distanzieren, sondern mir selbst näherkommen.
Was war denn dein allerschönstes Solo-Date?
Ein Konzert. Ich bin sonst immer mit meinem Freund auf Konzerte gegangen, aber der hat eben so seine Vorlieben, zum Beispiel wo er gerne sitzt. Allein ließ ich mich von der Menschenmenge hin und hertreiben und mich voll und ganz auf die Musik ein. Das hatte ich noch nie erlebt, mich so eins zu fühlen mit allem um mich herum. Mit einer anderen Person heißt es doch oft am laufenden Band: "Ich habe jetzt Durst, ich muss mal pinkeln, mir ist das hier zu voll, lass mal darüber gehen". Solo folgte ich nur meinen Bedürfnissen und es fühlte sich special an.
Das unangenehmste Solo-Date?
War als ich das erste Mal in Lissabon war, im Solo-Urlaub. Zu Hause hatte ich schon vieles allein gemacht, sodass es mich völlig unvorbereitet traf, als ich mich plötzlich absolut einsam fühlte. Ich wanderte ziellos durch die Straßen und fühlte mich verloren. Im Hotel dachte ich: Was zum Teufel mache ich hier?! Erst an Tag drei konnte ich dieses Gefühl ablegen. Ich begriff: Wenn ich allein unterwegs bin, brauche ich konkrete Pläne. Ansonsten fühle ich mich lost und überfordert.
Wer allein reist, hat auch keinen, der in der Not zur Seite stünde.
Man muss mehr auf sich achten, was den Sicherheitsaspekt angeht. Weil es einfach ätzend ist, wenn man sich verfährt, etwas verliert und dann allein verzweifelt. Andererseits hat mich das auch selbstbewusster gemacht. Früher hat mein Freund alles im Urlaub geplant und ich bin wie ein Anhängsel hinterhergetrottet. Nun weiß ich: Ich bin fähig, das alles selbst zu organisieren und das fühlt sich extrem gut an.
Du kannst auch allein entscheiden, ob du Bock auf Streetfood hast oder die Klimaanlage zu kalt ist...
Stimmt. Man lernt sich besser kennen, ohne den Einfluss von außen. Gefällt mir die Musik? Mag ich diese Limo? Ohne Begleitung hört man tatsächlich ein Stück genauer hin, was man eigentlich gerade will.
Trotzdem haben sich Solo-Dates nicht durchgesetzt. Warum?
Weil die meisten Menschen, so wie ich, wahnsinnige Angst vor Bewertung von außen haben. Außerdem ist da Panik vor Einsamkeit. Es kann überfordernd sein, Zeit mit sich selbst zu verbringen, das sind wir alle gar nicht mehr gewöhnt. Und zuletzt denken viele auch schlicht: Warum sollte ich das tun? Was bringt mir das? Weil sie nie erlebt haben, wie schön das sein kann.
Hast du denn einen Notfall-Tipp für Anfänger:innen, die Solo-Dates testen wollen?
Buch mitnehmen, Standort teilen, Podcast herunterladen Kopfhörer mitnehmen. Viele fragen zudem: Wenn mir ein Solo-Date nicht gefällt, was mache ich dann? Die scheinen zu vergessen: Du kannst einfach wieder gehen, jederzeit. Keiner hält dich auf.
Hübsch, dass du deine Unternehmungen Solo-Dates nennst. Als würdest du einen anziehenden Menschen treffen, den du kennenlernen willst.
Das trifft es ja auch total. Wir müssen so oft funktionieren und alles um uns herum am Laufen halten, dass viele vergessen, Selbstfürsorge zu betreiben. Wir sind die Hauptperson unseres eigenen Lebens und da sollten wir doch auch eine gute Zeit mit uns selbst verbringen. Wie mit einer Person, die man liebt eben.
