Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future: Wahlen in Schleswig-Holstein entscheiden über Klimakurs

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Fridays for Future gehen für ein Öl- und Gasembargo aus Russland auf die Straße. Bild: www.imago-images.de / imago images
Gastbeitrag

Fridays for Future: Bundesweite Energiewende durch Schleswig-Holsteins Wind möglich

06.05.2022, 17:0006.05.2022, 19:00
Charlotte Stenzel, gastautorin
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Am 8. Mai wählt Schleswig-Holstein einen neuen Landtag. Das Ergebnis der Wahl bestimmt, wer in den nächsten fünf Jahren darüber entscheidet, ob und wie das Bundesland bis 2035 klimaneutral werden kann.

Aber das ist bei Weitem nicht alles, was in der kommenden Legislaturperiode auf Landesebene erstritten werden muss. Auch ein entscheidender Beitrag zur bundesweiten Energiewende muss durch die Windenergie Schleswig-Holsteins erbracht werden. Dafür braucht es mehr denn je ein Umsteuern auf Klimakurs, für das wir heute, zwei Tage vor der Wahl, als Fridays for Future Schleswig-Holstein landesweit demonstrieren.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.

Zeitgleich gehen zahlreiche Menschen in Nordrhein-Westfalen auf die Straßen, denn sie wählen am 15. Mai einen neuen Landtag. Immer noch sollen in NRW Dörfer wie Lützerath für Kohle abgebaggert werden, für deren Verbrennung unser CO₂-Budget definitiv nicht ausreicht. Um diese Zerstörung zu verhindern, braucht Lützerath Rückenwind aus Schleswig-Holstein!

In kaum einem anderen Land ist das Potenzial für Windenergie so groß wie in Schleswig-Holstein. Deshalb brauchen wir beschleunigte Genehmigungsverfahren für den Bau von Windparks. Darüber hinaus, wie alle anderen Länder, einen Umstieg auf Wärmepumpen beim Heizen und eine schnelle energetische Sanierung aller Gebäude. Zeitgleich muss der Windstrom innerhalb Schleswig-Holsteins und über die Landesgrenzen hinaus verteilt werden. Dafür braucht es den massiven Ausbau von Stromnetzen, vor allem für Windenergie auf See.

"Wir haben keine Zeit mehr für den fossilen Status Quo."

Trotz all dieser Möglichkeiten, die in verschiedener Form auch in anderen Ländern bestehen, wird bundesweit über neue LNG-Terminals (Flüssigerdgas, d. Red.), einen späteren Kohleausstieg und sogar über eine Reaktivierung von Atomkraftwerken gesprochen – auch wenn selbst die Betreiberinnen und Betreiber sich klar dagegen aussprechen. Mit solchen Vorhaben würden wir unsere fossilen Abhängigkeiten nur verlagern, nicht nachhaltig ersetzen – obwohl wir genau daran arbeiten müssen.

Mit Geldern aus fossilen Energien wird der grausame russische Angriffskrieg auf die Ukraine mitfinanziert, die Klimafolgen erreichen weltweit bereits jetzt, bei etwa 1,2 Grad Erwärmung, katastrophale Ausmaße und der jüngste IPCC-Bericht macht deutlich: Wir haben keine Zeit mehr für den fossilen Status Quo.

Charlotte Stenzel ist 22 Jahre alt, studiert Geographie in Kiel und ist seit 2020 bei Fridays for Future Lübeck aktiv. In Schleswig-Holstein engagiert sie sich für eine landesweite fossilfreie Mobilit ...
Charlotte Stenzel ist 22 Jahre alt, studiert Geographie in Kiel und ist seit 2020 bei Fridays for Future Lübeck aktiv. In Schleswig-Holstein engagiert sie sich für eine landesweite fossilfreie Mobilitäts-, Energie- und Wärmewende.bild: Fridays for Future Lübeck

Und doch diskutieren wir ausgerechnet im Land der Windenergie, in Schleswig-Holstein, über die nächste fossile Abhängigkeit: ein neues LNG-Terminal in Brunsbüttel. LNG – liquified natural gas (Flüssiggas) – wird von der Ampel als Brückentechnologie angepriesen, obwohl es bei Gewinnung, Transport und Verbrennung hohe Emissionen verursacht und frühestens in drei Jahren fertiggestellt werden könnte. Gas kann keine Brückentechnologie sein: Neue fossile Infrastruktur führt uns in eine jahrzehntelange klimaschädliche Abhängigkeit, verschleppt die Energie- und Wärmewende und verschärft die Probleme, die jetzt schon immer sichtbarer werden: Hitzesommer, Starkregen und Sturmfluten, wo keine sein sollten.

Die Unabhängigkeit von Putin dürfen wir nicht durch neue Verträge mit Ländern wie Katar, in welchen Menschenrechte mit Füßen getreten werden, erkaufen. Auch besonders klimaschädliches Frackinggas aus den USA importieren zu wollen, während die Klimakrise ungebremst voranschreitet, ist ziemlich absurd. Es zeigt sich einmal mehr: "Grünes" Gas ist eine dreckige Lüge. Jeder Euro, der in neue fossile Infrastruktur investiert wird, fehlt beim sozial gerechten Ausbau den Erneuerbaren – das können wir uns nicht leisten.

Seit Jahren kämpft Fridays for Future gegen Nordstream II und immer wieder wurden unsere Argumente von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns um Ministerin Manuela Schwesig beschwichtigend kleingeredet. Und jetzt sehen wir alle, wie verheerend unsere fossile Abhängigkeit von Russland ist.

Lange haben die regierenden Parteien in Bund und Ländern die politischen und klimatechnischen Problematiken des Projektes negiert und versucht, Nordstream II mit vermeintlicher geopolitischer Absicherung zu rechtfertigen – entgegen warnender Worte, unter anderem aus der Ukraine. Nur haben wir uns mit dem starrsinnigen Festhalten an Nordstream II keine geopolitischen Sicherheiten geschaffen, sondern uns selbst geopolitische Fesseln angelegt, die ein Embargo von russischem Öl und Gas massiv erschweren. Möglich und vor allem notwendig, um den Krieg zu stoppen, ist jedoch ein sofortiges Embargo von russischen fossilen Ressourcen.

Neben dem massiven Ausbau von erneuerbaren Energien braucht es dafür drastische Energieeinsparungen, etwa durch ein Tempolimit und einen Einbaustopp von neuen Öl- und Gasheizungen. Das ist jetzt menschliche Verpflichtung gegenüber allen Menschen in der Ukraine, die jeden Tag leiden, Zerstörung sehen müssen und Menschen verlieren.

Die Schrecken in der Ukraine sind nicht gegen mögliche wirtschaftliche Einbrüche in Deutschland aufzuwiegen – vor allem nicht, wenn soziale Härten von Anfang an gezielt abgefedert werden können. Das wäre für die Ukraine deutlich sinnvoller investiertes Geld als die überstürzten 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Daher fordern wir mit Nachdruck: Die Bundesregierung muss ein Embargo gegen jede fossile Ressource aus Russland jetzt nicht nur in Deutschland sozial gerecht umsetzen, sondern sich auch europaweit dafür einsetzen! Woran es dafür bisher fehlt, ist wie bei der Energiewende der politische Wille, weshalb es jetzt an alternativer Energie fehlt – diesen Fehler dürfen wir mit neuen fossilen Abhängigkeiten nicht wiederholen.

"Es ist an der Zeit, Haltung zu zeigen: Für Frieden, Klimaneutralität und eine fossilfreie, lebenswerte Zukunft."

In der öffentlichen Debatte hat man beinahe den Eindruck, dass sich plötzlich alle einig zu sein scheinen: "Erneuerbare Energien sind Freiheitsenergien". Zu diesem Ausspruch hat sich inzwischen sogar Christian Lindner durchgerungen, der in Sachen Klimapolitik alles andere als eine Glanzrolle spielt. Die Konsequenz muss also sein, auf eine dezentrale, erneuerbare, von Autokraten unabhängige Energie- und Wärmeversorgung zu setzen. Daher darf es nicht bei lockeren Aussprüchen bleiben, sondern es bedarf sofortiger Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene für einen Ausbau der Erneuerbaren. Denn die einzige klimagerechte und friedliche Lösung sind massive Investitionen in die Energie- und Wärmewende.

Die Ampel hat die "Zeitenwende" eingeläutet, nun wird es Zeit, dieser auch gerecht zu werden. Es ist an der Zeit, nicht länger verschlafen in den Krisen zu reagieren und Chancen zu verpassen. Handlungsfähigkeit und Wille zur Veränderung brauchen wir jetzt auch in Schleswig-Holstein. Ein Umsteuern auf Klimakurs können wir nur mit Mehrheiten für Klimagerechtigkeit erreichen – am 6. Mai in Schleswig-Holstein und NRW auf den Straßen und danach in den Wahlkabinen. Es ist an der Zeit, Haltung zu zeigen: Für Frieden, Klimaneutralität und eine fossilfreie, lebenswerte Zukunft.

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