Über Wochen haben Landwirt:innen mit ihren Traktoren bundesweit Straßen blockiert und lautstark protestiert. Der Grund: Weil die Bundesregierung aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 rund 17 Milliarden Euro einsparen muss, kündigte die Ampel an, Vergünstigungen beim Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge zu streichen.
Der Ärger war riesig, die Bauern-Proteste schlugen ein – die Bundesregierung zog ihre Ankündigungen teilweise zurück.
Doch auch das reicht den Landwirt:innen nicht. An diesem Donnerstag kam Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit der Regierungskommission zur Zukunft der Landwirtschaft (ZKL) zusammen, um über mögliche finanzielle Entlastungen für die Branche zu sprechen.
Die Ampel-Regierung hatte etwa Erleichterungen bei bürokratischen Auflagen und Steuerregelungen in Aussicht gestellt. Der Zukunftskommission Landwirtschaft aber schwebt etwas anderes vor: eine Fleischsteuer.
Denn eine Anhebung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für tierische Produkte von derzeit sieben Prozent auf 19 Prozent sei vergleichsweise einfach umzusetzen, argumentiert das Beratergremium in einem Eckpunktepapier, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Gleichzeitig soll die Mehrwertsteuer bei Obst und Gemüse auf null herabgesetzt werden, damit auch einkommensschwache Haushalte profitieren.
Der Gedanke dahinter: Mit dem zusätzlich eingenommenen Geld soll die Bundesregierung den Landwirt:innen eine Tierwohlprämie zahlen, mithilfe derer sie die Ställe ausbauen können.
Auch wenn der Fleischkonsum in Deutschland seit einigen Jahren rückläufig ist und 2022 "nur" noch bei 52 Kilo pro Jahr und Kopf lag – liegt er immer noch weit über den empfohlenen Mengen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
Die DGE empfahl jüngst, maximal 300 Gramm Fleisch pro Woche zu essen. Mit dieser Menge könnten sowohl Krankheiten bei uns Menschen unterbunden als auch die Umwelt geschützt werden.
Eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleisch und tierische Produkte könnte – so die Hoffnung – dazu beitragen, die Essgewohnheiten hin zu weniger Fleischkonsum zu verändern. Insbesondere dann, wenn gleichzeitig die Mehrwertsteuer etwa auf Obst und Gemüse abgesenkt wird, da einkommensschwache Menschen so nicht darunter leiden würden.
Durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer würde der Staat Mehreinnahmen erzielen, die, so die Forderung der Zukunftskommission Landwirtschaft, in den Tierschutz fließen sollten. Normalerweise ist es allerdings so, dass Mehrwertsteuereinnahmen nicht zweckgebunden sind, sie also auch in den Straßenbau fließen könnten. Theoretisch.
Wer bei der Fleischsteuer in erster Linie auf Klima- und Umweltfolgen blickt, dem offenbart sich schnell ein großer Nachteil einer lediglich in Deutschland eingeführten Erhöhung der Mehrwertsteuer: Etwa die Hälfte des in Deutschland produzierten Fleisches wird exportiert und wäre damit nicht von der Erhöhung betroffen, wie "Utopia" berichtete. Dafür wären weitreichende Gesetzesänderungen notwendig.
Dazu kommt, dass die Mehrwertsteuereinnahmen eigentlich nicht zweckgebunden sind, also nicht unbedingt den Tieren zugute kommen würden.
Ob und inwiefern eine solche Mehrwertsteuererhöhung kommen könnte, ist also noch offen. Allerdings: Eine höhere Fleischsteuer wird seit Jahren diskutiert und von verschiedenen Interessensgruppen ins Spiel gebracht. Erst kürzlich hatte Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) dafür plädiert – ohne Erfolg.
Und auch jetzt, wo die Forderung von der Zukunftskommission Landwirtschaft kommt, begrüßt Özdemir den Vorschlag. Gegenwind kommt allerdings auch dieses Mal – und zwar vom Bauernverband. "Eine Mehrwertsteuererhöhung auf den Regelsatz oder einen Tierwohlcent lehnen wir ab", sagt Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied gegenüber der Tagesschau.
Er will, dass das Geld für den Tierwohlumbau aus dem Bundeshaushalt kommt, das wären mehrere Milliarden im Jahr. Diese Forderung ist angesichts der angespannten Haushaltslage allerdings illusorisch.
Da der Bauernverband in Deutschland jedoch eine starke Lobby und entsprechend großen Einfluss auf die Politik hat, wie auch Agrarpolitologe Peter H. Feindt der Tagesschau erklärte, bleibt abzuwarten, was aus der Forderung wird.
Auch wenn die Preise für Fleisch aufgrund der Mehrwertsteuererhöhung steigen würden, befürworten die meisten Deutschen eine Steuer von bis zu 40 Cent pro Kilogramm. Zumindest, solange diese dem Tierwohl zugute kommt.
Das ist das Ergebnis einer Umfragestudie von Forschenden der Universität Hamburg, die Anfang 2023 im Fachjournal "Nature Food" erschienen ist.