"Kauf jetzt ein Armband, pflanze damit Bäume und leiste deinen Beitrag für den Klimaschutz" – so lautet oft der Leitspruch angesagter Baumpflanzprojekte, die derzeit in sozialen Netzwerken wie Instagram oder Twitter aus dem Boden sprießen.
Unternehmen wie treecelet, plant4theplanet oder austree starten derzeit mit der Geschäftsidee durch, Armbändchen zu verkaufen und mit einem Teil der Einnahmen an den verschiedensten Orten auf der Welt Bäume zu pflanzen. Damit soll die das Klima gestärkt werden – denn Bäume binden CO2 aus der Atmosphäre, womit die Erderwärmung gebremst wird.
Um einen Durchblick zu bekommen, was es mit diesen Projekten auf sich hat, hat watson mit mehreren Experten gesprochen und einen der bekanntesten Anbieter, treecelet, genauer unter die Lupe genommen.
Im Gespräch mit watson bewertet Manfred Schölch, Professor für Waldbau und Waldwachstum an der Hochschule Weihenstephan in Freising (HSWT), das hohen Aufkommen von "nicht transparenten" Baumpflanzprojekten als kritisch.
Auf die Frage, ob Aufforstungsprojekte von Anbietern wie treecelet sinnvoll sein können, erklärt er wörtlich:
Dass die (Wieder-)Aufforstung von Wälder grundsätzlich eine der größten natürlichen Klimaschutzmöglichkeiten ist, haben Untersuchungen einer Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich ergeben. Das Begreifen des Waldes als Klima-Helfer wird als “Natural Climate Solution” bezeichnet.
Trotz seiner Skepsis räumt Schölch ein, dass einige Projekte durchaus sinnvoll sein können, wie "solche, die eine Wüstenbildung verhindern oder das Klima insgesamt verbessern." Das funktioniere in etwa, indem man durch die Bewaldung eine höhere Befeuchtung, eine höhere Beschattung oder eine höhere Wasserverfügbarkeit in den Böden erreiche.
Aber wie erkennt man als Laie, ob es sich beim Wiederaufforstungsprojekt tatsächlich um ein sinnvolles handelt? Einen ersten Ansatz bieten Zertifizierungen wie "Gold Standard" oder der "Verified Carbon Standard". Letzterer stellt eine Berechnungsmethode zur CO2-Kompensation dar.
Doch soziale und ökologische Aspekte werden bei Zertifizierungen häufig nicht abgebildet, dafür gibt es sogenannte Zusatzsiegel. Die Orte, die als "Kompensations-Orte" angegeben werden, "müssen eindeutig identifizierbar sein, es sollte Dokumentationen zu diesen geben, die jederzeit frei zugänglich sind", erklärt Schölch.
Der Fokus der Projekte sollte dabei auf der Langfristigkeit der Projekte liegen. Denn ist das CO2 einmal gebunden, sollte man es vor dem Wiederaustreten bewahren.
Eines der populärsten Baumpflanz-Projekte ist "Treecelet". Es wurde 2018 gegründet, aber seitdem noch nicht zertifiziert und steht damit immer wieder in der Kritik.
Das Projekt beschreibt sich als gemeinnützige Organisation, die von den zwei Brüdern Miha und Jaka Hrovat ins Leben gerufen wurde. Auf der Homepage des Projektes beschreiben sie, wie sie sich mit der Gründung von "Treecelet" gegen die Massenrodung von Bäumen und durch den Verkauf ihrer Armbänder für das Pflanzen neuer Bäume einsetzen.
Bisher wurden 355.465 Bäume gepflanzt (Stand: Juni 2022), damit hat das Unternehmen sein selbst erklärtes Ziel von einer Million Bäume schon zur Hälfte erreicht.
Damit wäre ein Erkennungszeichen eines vertrauenswürdigen Projekts erfüllt: Ein realistisch definiertes Ziel.
Um Teil des Projekts zu werden, gibt es die Möglichkeit, zu spenden oder sich ein fair und nachhaltig produziertes Armband zu kaufen, mit welchem – je nach Preis – unterschiedlich viele Bäume gepflanzt werden. In Bildergalerien und Google-Drive-Ordnern sind sämtliche Einpflanz-Aktionen in verschiedenen Ländern bildlich festgehalten, darunter unter anderem in Madagaskar, Tansania, Australien oder Kalifornien. Die einzelnen Teams rufen auch dazu auf, sie an ihren Standorten zu besuchen oder freiwillig vor Ort mitzuarbeiten – für einen stolzen Preis von rund 500 Euro.
Im Webshop von "Treeclet" sind Baumwolltaschen, Wasserflaschen und Turnbeutel erhältlich, der Fokus im Vertrieb liegt jedoch auf den Armbändern. Aus angeblich nachhaltigen Materialen gefertigt, steht jedes symbolisch für ein bestimmtes Land, in dem durch "Treecelet" aufgeforstet wird. Mit jedem gekauften Bändchen à 19,90 Euro werden den Angaben des Projektes nach drei Bäume in dem Land gepflanzt, das für das jeweilige Armband Namensgeber ist.
Dass es nicht ausreicht, ein Bändchen zu kaufen, um das Klima zu retten, findet auch Miha Hrovat, Mitgründer von "Treecelet". "Wir sagen immer, dass es nicht reicht, Bäume zu pflanzen. Wir alle müssen unsere Gewohnheiten ändern", sagt er im Gespräch mit watson. "Einen wirklichen Start erleben wir, wenn Millionen von Menschen zur gleichen Zeit anfangen, kleine Veränderungen in ihren Leben vorzunehmen."
Diese Verhaltensveränderung anzustoßen sei das Ziel des Jungunternehmen. Warum das Unternehmen dann aber ein Armband verkauft, um Aufforstungsprojekte voranzubringen, begründet er folgendermaßen:
Damit die Message für mehr Umweltschutz nicht untergeht, liefert das Unternehmen bei jeder Bestellung auch eine "Nachhaltige To-Do-Liste" mit. Die Tipps: Möglichst kein Auto zufahren, Bio-Müll zu kompostieren, aber auch Papier zweiseitig benutzen und Plastikgeschenke abzulehnen.
Weiter bleiben relevante Fragen bei "Treecelet" nicht klar beantwortet: Wie wird für die Bäume gesorgt, die Jahrhunderte alt werden können? Und wie wird unterschieden, wenn die signifikante CO2-einsparende Wirkung erst nach mehreren Jahren eintritt?
Um das Unternehmen professionell zu bewerten, hat Jana Ballenthien, Waldreferentin vom Umweltverband Robin Wood, das Unternehmen für watson begutachtet:
Aufforstungs-Projekte seien grundsätzlich kein schlechter Ansatz: Sie könnten nur schnell daran scheitern, dass die heranwachsenden Bäume nicht geschützt würden und an Wildverbiss oder durch Frühernte sterben. Das Pflanzen von Monokulturen unterbinde die Artenvielfalt und wenn man nicht wisse, wo welcher Baum am besten wachse, könne auch nicht erwartet werden, dass die Pflanzen überleben.
"Treecelet"-Bändchen werden inzwischen auch in Flugzeugen der Lufthansa zum Verkauf angeboten. Von Bewusstseinsschärfung für den Umweltschutz könne hier kaum die Rede sein, beurteilt Ballenthien:
Abschließend fasst sie zusammen: "Aufforstung ist nicht gleich Aufforstung. Ökologisch sinnvolle Aufforstungen in Kombination mit der Nutzung von ökologischer Regenerationsfähigkeit und Sukzession, sozial-ökologischen Prozessen und Langzeitmonitoring sind selten."
Martin Walter, auch Professor an der Hochschule Weihenstephan in Freising (HSWT). Sein Fachgebiet liegt in der Holzverwertung und Zertifizierung. Im Gespräch mit watson betont er die Problematik der möglichen Rückführung von CO2 aus der Atmosphäre: "Es ist auf jeden Fall besser, gar nicht erst zu emittieren", erklärt Walter gegenüber watson.
Er sagt weiter: "Es ist sehr schwer zu berechnen, wie viel CO2 aus der Atmosphäre zurückkommt oder wie viel Emissionen vermieden werden. Wenn bei diesen komplizierten Rechnungen geschummelt wird, ist das Greenwashing und die Folge sind hohe CO2- Emissionen", schlussfolgert Walter.
"Zur Verlangsamung des Klimawandels tragen solche kurzfristigen Baumpflanzaktionen nicht bei, da Bäume auch gepflegt werden müssen", sagt er. Fünf von zehn Setzlingen würden vermutlich absterben. "Schlimm wäre es, wenn der Konsument dann davon ausgeht, dass tatsächlich zehn Bäume CO2 aufnehmen und deshalb munter weiter macht mit Emissionen. Dann müssten wir wieder von vorne anfangen."