Der Ausgang der Wahl in Finnland zeigt einmal mehr: Wird ein Land oder Bundesland (wie kürzlich Berlin) einigermaßen proaktiv regiert und mutig in Richtung Zukunft dirigiert, führt das früher oder später zu einem (erneuten) Rechtsruck.
Statt der Partei der eigentlich hochgelobten Ministerpräsidentin Sanna Marin (Sozialdemokratin) hat die konservative Nationale Sammlungspartei die Parlamentswahl in Finnland gewonnen, dicht gefolgt von der rechtspopulistischen Partei Die Finnen.
Statt darauf hinzuarbeiten, bis 2035 CO2-neutral zu sein, wird es unter der Leitung der Konservativen vermutlich eher um Steuersenkungen und den Bau eines Zaunes an der Grenze zu Russland gehen.
Schluss mit Zukunft. Zurück in die Vergangenheit, die sich für die gestresste und von Krisen überrollte Bevölkerung wie eine wohlig warme Umarmung anfühlen mag. Doch die Einschätzung täuscht.
Denn die Welt dreht sich schneller und schneller. Auch und vor allem aufgrund der gravierenden Veränderungen durch die Klimakrise.
Doch diese Veränderungen und damit einhergehende Unsicherheiten machen Menschen Angst – und treiben sie so in die Arme der Konservativen, wie auch die Politologin Albena Azmanova immer und immer wieder betont.
Das bedeutet: Ein "Weiter so" bringt nicht nur politischen Stillstand mit sich, sondern bedeutet vielmehr einen riesigen Rückschritt für die gesamte Gesellschaft. Denn wer stehenbleibt, fällt zurück. Das gilt heute mehr als je zuvor. Mag sich die Rückbesinnung auf Wohlbekanntes und Altbewährtes auch noch so schön und sicher anfühlen.
Der Schein trügt. Und das zu realisieren, ist unser aller Aufgabe.
Die Problematik an dieser Sache: Das Wahlverhalten der Bürger:innen bestärkt die Konservativen in ihren Ansichten. Und in der Annahme, dass die Bürger:innen eben doch nicht zu viel Klimaschutz, zu viele "Verbote" und zu viele "Verteuerungen" wollen. Immerhin haben sie genau dafür gestimmt. Und die Demokratie ist schließlich das höchste Gut der westlichen Welt.
Und damit hätten die Konservativen natürlich recht. Die Demokratie abzulösen, mit der viel diskutierten und so gefürchteten "Ökodiktatur", hilft uns nicht weiter. Allerdings: Es wird immer und immer wieder so dargestellt, als würden demokratische Ideen etwa der Grünen etwas Diktatorisches an sich haben. Weil sie "Verbote" wie das Tempolimit oder Steuerreformen einführen wollen, die klimafreundliches Verhalten belohnen.
Als würde alles, das in unsere Bequemlichkeiten und Gewohnheiten eingreift und unseren Alltag hinterfragt, gleich etwas Autoritäres an sich haben. Als gäbe es einen Widerspruch zwischen Klimaschutz und Demokratie. Und nur um das einmal zu unterstreichen: Wir sind umgeben von Verboten, Rechtsprinzipien und Regelungen. Wir nehmen sie nur längst nicht mehr als solche wahr, weil wir sie als Teil unseres Alltags akzeptiert haben.
Warum auch sollten wir es hinterfragen, über rote Ampeln zu rasen? Ist uns doch allen klar, dass die Unfallgefahr damit steigen würde.
Warum auch sollten wir uns darüber aufregen, dass es eine Anschnallpflicht gibt und wir in Restaurants, Kinos und im Theater nicht rauchen dürfen? Ist doch nur logisch: Schützen doch sowohl die Anschnallpflicht, als auch das Rauchverbot unser Leben und unsere Gesundheit. Und nur als kleiner Reminder: Auch bei der Einführung dieser Regelungen gab es großen Widerstand. Und trotzdem – die Regelungen wurden eingeführt. Allen Nörgler:innen zum Trotz.
Warum ist das bei der Klimakrise anders?
Warum sträuben sich so viele Menschen gegen ein Tempolimit auf Autobahnen, gegen einen Veggie-Day in der Arbeits- oder Schulkantine und gegen Fahrverbote in den Innenstädten?
Diese "Verbote" und Regelungen würden doch, wie all die anderen Regelungen und Verbote, die sich in unser gesellschaftliches Miteinander eingeschlichen haben, unser aller Sicherheit und Gesundheit dienen: Weil CO₂-Emissionen eingespart werden. Weil der Feinstaubgehalt in der Luft sinkt. Weil Fleisch schlecht fürs Klima und die Gesundheit ist. Und vor allem: Weil es die katastrophalen Folgen der Klimakrise schmälern würde. Und das, auch wenn zu viele das noch nicht realisiert haben, wäre der größte Gewinn von allen.
Ja, natürlich: Ein Veggie-Day und ein Tempolimit auf Autobahnen allein reichen nicht aus, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Aber es sind einfache und kostengünstige Maßnahmen, um dazu beizutragen, die deutschen Klimaziele doch noch einzuhalten.
Ja, wir leben (dem Himmel sei Dank!) in einer Demokratie, Freiheit wird bei uns großgeschrieben. Und damit auch die Freiheit, bei Wahlen für diejenige Partei zu stimmen, die die eigenen Interessen am ehesten vertritt. Ob nun konservativ, liberal oder sozialdemokratisch. Die Sache ist nur die: Frei handeln können wir nur so lange, wie wir nicht die Freiheit anderer einschränken. Doch genau das tun wir derzeit. Indem wir zu viel CO₂ ausstoßen. Viel zu viel.
Die zahlreichen Klimastudien – und zuletzt der Synthesebericht des IPCC (Weltklimarats) – machen deutlich, dass unsere Maßnahmen nicht ausreichen, um die Erderhitzung aufzuhalten und uns selbst zu schützen. Und trotz dieses Wissens treten Regierungen (und Wähler:innen durch ihre Stimmabgabe) weltweit in puncto Klimaschutz auf die Bremse. Aus Angst. Aus Bequemlichkeit.
Und beschleunigen so unsere Fahrt in die "Klima-Hölle", wie es UN-Generalsekretär António Guterres ausgedrückt hat.
Klimaschutz ohne Demokratie können wir nicht wollen. Aber so, wie es derzeit läuft, kann es nicht weitergehen. Wir müssen unsere Demokratien so weiterentwickeln, dass sie das Klima schützen. Egal, welche Partei gerade an der Macht ist: Ob sozialdemokratisch, konservativ oder grün – sie alle müssen dafür kämpfen, die Erderhitzung zu drosseln. Was wir brauchen, ist eine Klimademokratie.
Ein Regierungswechsel darf nicht länger einen Rückschritt in Sachen Klimaschutz mit sich bringen. Denn auch, wenn wir es vielleicht noch nicht alle gleichermaßen realisiert haben: Wir alle wollen doch eigentlich nur ein gutes Leben. Eine heile Welt.
Rasen wir aber auf eine Erhitzung von drei bis vier Grad zu, wie es derzeit aussieht, wird genau das nicht mehr möglich sein. Kriege werden ausbrechen, Kämpfe um Wasser und Nahrungsmittel werden entfacht, Inseln und ganze Küstenstreifen werden dem erhöhten Meeresspiegel zum Opfer fallen. Soziale Systeme werden kollabieren, Hunderte Millionen Menschen fliehen. Die Krisen, die schon jetzt vielfach auftreten, werden sich multiplizieren. Und drastisch verschlimmern.
Ein ruhiges Leben wird so kaum noch möglich sein. Auch wenn das die eine oder andere Partei ihren Wähler:innen noch immer vorgaukelt. Das Thema unserer Zeit ist die Klimakrise. Und die können wir nur gemeinsam in Zaum halten.
Wir müssen realisieren: Es gibt keinen Widerspruch zwischen Klimaschutz und Demokratie. Nur, wenn wir beides vereinen, können wir ein gutes Leben führen.
Anders als jetzt, ja. Aber vielleicht sogar besser: Mit sauberer Luft, mehr Gerechtigkeit und besserer Gesundheit.