Nun hat die Europäische Kommission also ihre Entscheidung zur lang diskutierten Taxonomie verkündet: Die Brüsseler Behörde legte einen sogenannten delegierten Rechtsakt vor, der Investitionen in Gas und Atomkraft künftig als klimafreundlich einstuft. Erklärtes Ziel: Unternehmen und private Anleger zu mehr Investitionen in ökologisch nachhaltige Aktivitäten anzuregen.
Doch die Entscheidung ist ein Fehler: Indem sie Atom- und Gaskraft in die Taxonomie aufnimmt, verfehlt die EU-Behörde ihr Ziel vom nachhaltigen Wachstum. Weder sind Atom- und Gaskraft nachhaltig – noch rentieren sie sich: für Unternehmen ebenso wenig wie für die gesamte Gesellschaft.
Die Taxonomie soll Investoren klare Kriterien an die Hand geben, um ihnen die Entscheidung zu erleichtern, wohin sie ihr Geld fließen lassen. Ziel der Verordnung: Es sollen größere Beträge in ökologisch nachhaltige Geschäftsfelder fließen.
Dabei fängt das Problem schon bei der Definition von "nachhaltig" und beim Ziel eines Investments an.
Zwar beinhaltet der jetzt gefasste Beschluss zur Taxonomie, dass nur Gaskraftwerke gefördert werden sollen, die H2-ready sind: also umrüstbar auf den Betrieb mit Wasserstoff.
Aber Gas bleibt ein fossiler Energieträger mit Ablaufdatum. Die Verbrennung von Gas zur Energiegewinnung setzt weiterhin sehr viel Treibhausgas frei. Und bei Gaslecks tritt oft Methangas aus, das nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe ein 28-mal stärkeres Treibhauspotential hat als CO2.
Bei Atomkraft besteht immer das Risiko eines schweren Unfalls wie 1986 in Tschernobyl und 2011 in Fukushima. Und die Frage, wo der für alle Zeiten giftige Atommüll endgültig gelagert werden soll, bleibt ungeklärt.
Beide Energieformen können deshalb nicht als nachhaltig verstanden werden.
Ziel eines "Investments" ist es, das eingesetzte Kapital oder den Wert des investierenden Unternehmens langfristig zu steigern.
Gaskraftwerke sind zwar angesichts der explodierenden Strompreise momentan lohnender, aber die gesamten Kosten für den Betrieb von Gaskraftwerken sind über den jetzt anvisierten Zeitraum von 20 bis 30 Jahren sehr schwierig abzuschätzen. Zum einen, weil der internationale Emissionshandel und nationale CO2-Steuern CO2-Emissionen in den kommenden Jahren immer teurer machen – zum anderen, weil der Gaspreis aus den unterschiedlichsten Gründen über die Jahre stark schwankt.
Vor allem aber stellen beide Energieträger deshalb kein rentables Investment dar, weil Regierungen sich dadurch unnötig stark abhängig machen: von der Entscheidungsmacht anderer Staaten, darunter autoritäre Regime wie Russland oder Katar.
Schließlich lohnt sich laut dem von der Vermögensverwaltungsgesellschaft J.P. Morgan veröffentlichten Investment-Ausblick für 2022 bei jedem Investment der Blick darauf, wie sich die globale Konkurrenz bereits entschieden hat – für die EU also zum Beispiel der Vergleich mit China: Das Land baute nach Angaben des Berichts 2020 mehr Windfarmen auf als der Rest der Welt zusammengenommen. Damit setzt die Volksrepublik einen klaren Fokus auf erneuerbare Energien. Wenn die EU nicht ins Hintertreffen geraten will, sollte sie ähnlich deutlich auf erneuerbare Energien setzen.
Zuletzt drohten bereits die EU-Mitgliedsstaaten Österreich und Luxemburg, gegen den Rechtsakt vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu klagen. Mögliche Kläger haben laut einer Studie von Rechtsexperten des Zentrums für Europäische Politik (CEP) gute Aussichten auf Erfolg, da die Kommission mit der Einstufung womöglich ihre Kompetenzen überschritten habe. Sollte es so kommen, würde das Investitionen in Gas- oder Atomkraft noch weniger attraktiv machen.
Zusammengefasst lässt sich damit sagen, dass die heutige Entscheidung zur EU-Taxonomie ein Eigentor für die EU-Kommission ist. Jetzt bleibt in den nächsten vier Monaten zu hoffen, dass der Beschluss von EU-Staaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, oder durch eine Mehrheit im Europäischen Parlament doch noch abgelehnt wird. Oder die sonst entstehenden Schäden anders abgemildert werden – irgendwie.