Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future: Bundeskanzler Scholz schummelt mit Erdgas-Deal in Taxonomie

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Taugt Scholz als Klimakanzler? Bild: www.imago-images.de / Aaron Karasek
Gastbeitrag

"Ein 'Ja' zu Erdgas ist klimapolitisch nicht zu rechtfertigen": Fridays for Future kritisieren Scholz für geplanten Taxonomie-Deal

01.01.2022, 09:04
Jennifer Zauter, gastautorin
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Der selbsternannte "Kanzler fürs Klima", Olaf Scholz, steht kurz vor seiner ersten wichtigen klimapolitischen Amtshandlung. Doch allem Anschein nach wird es eine dramatisch falsche sein. Denn heimlich und fast unbemerkt will Scholz am 31. Dezember mit großer Wahrscheinlichkeit dafür stimmen, Gas als nachhaltige Energiequelle in die europäische Taxonomie aufzunehmen.

Gerade jetzt, in der Winterpause, während der die Bevölkerung bekanntermaßen weniger genau auf die Politik schaut, wird unser neuer Kanzler aktiv. Er möchte eine enorm wichtige, klimapolitische Entscheidung treffen, die die Zukunft maßgeblich beeinflusst. Olaf schummelt, und das schon in den ersten Wochen im Amt.

Taxonomie – Worum geht es da eigentlich?

Die Taxonomie ist eine Verordnung der Europäischen Union, welche rund 100 Wirtschaftsbereiche auflistet und definiert, wie diese den Klimazielen der EU dienen. Hierbei geht es um die Frage, was in Europa als nachhaltige Investition gelten soll. Sie beeinflusst somit maßgeblich die zukünftigen Investitionen und Geldflüsse von Regierung und Privatwirtschaft.

Jennifer Zauter ist 18 Jahre alt, Schülerin und hauptsächlich in der Fridays for Future-Ortsgruppe Gifhorn sowie auf der niedersächsischen Landesebene aktiv. Jennifer organisiert Demonstrationen und v ...
Jennifer Zauter ist 18 Jahre alt, Schülerin und hauptsächlich in der Fridays for Future-Ortsgruppe Gifhorn sowie auf der niedersächsischen Landesebene aktiv. Jennifer organisiert Demonstrationen und verklagt gemeinsam mit anderen Aktivistinnen und Aktivisten und der Deutschen Umwelthilfe die niedersächsische Landesregierung.

An sich ist die Taxonomie auch erstmal kein Problem, sogar eine sinnvolle Lösung um zu deklarieren, was nachhaltig ist und was nicht – wenn dies mit Sorgfalt geschehen würde. Doch das ist nicht der Fall, denn aller Voraussicht nach sollen auch Atomkraft und fossiles Gas als nachhaltige Energieformen gelten. Atomkraft, aus der Deutschland richtigerweise wegen Risiken und ungeklärter Endlagerung im nächsten Jahr endgültig aussteigen will. Erdgas, das alles andere als eine erneuerbare Energie ist und den Treibhausgaseffekt immer weiter befeuert. Gas wird immer als "Brückentechnologie" gehandelt – die es keinesfalls sein darf.

"Gas wird immer als 'Brückentechnologie' gehandelt – die es keinesfalls sein darf."

Nun sieht es ganz danach aus, als sei ein schmutziger Deal geschlossen worden: Der französische Präsident Macron möchte unbedingt Atomenergie in der Taxonomie aufgenommen sehen und schließt dafür eine Allianz mit verschiedenen Benelux-Staaten und Deutschland. Im Austausch für ihre Zustimmung wird dann fossiles Gas auch als nachhaltig deklariert. Sind wir ehrlich: Das würde die gesamte Taxonomie sinnlos und zu einer Posse machen.

"Dass fossiles Gas als nachhaltige Energiequelle gelten soll, ist eine Tragödie und ein Schlag für uns Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten."

Gas ist alles andere als nachhaltig

Dass fossiles Gas als nachhaltige Energiequelle gelten soll, ist eine Tragödie und ein Schlag für uns Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten, die schon seit über drei Jahren für Klimagerechtigkeit auf die Straßen gehen. Und ein noch viel verheerender Schlag für alle, deren Leben durch den ungebremsten Treibhauseffekt zerstört wird. Denn das Gas, welches finanziell gefördert werden würde, besteht hauptsächlich aus Methan und ist eine fossile Energiequelle. Außerdem hat Methan einen Treibhauseffekt, der 34- bis 86- mal so hoch ist wie der von CO₂. Neue Studien zeigen, dass die Klimabilanz des fossilen Gases zum Teil sogar schlechter ist als die von Kohle.

Zumal Erdgas auch die Regionen schädigt, in denen es gefördert wird: Sei es durch eine höhere Krebserkrankungsrate oder durch Erdbeben, welche die Regionen erschüttern. Um das 1,5 Grad-Limit einzuhalten, müssen wir allerspätestens in 13 Jahren aus der Gasenergie aussteigen. Doch stattdessen lässt Scholz zu, dass die Gasinfrastruktur weiter ausgebaut wird. Ein "Ja" zu Erdgas ist klimapolitisch nicht zu rechtfertigen, sondern allem voran ein Geschenk an die Gaskonzerne.

"Ein 'Ja' zu Erdgas ist klimapolitisch nicht zu rechtfertigen, sondern allem voran ein Geschenk an die Gaskonzerne."

Von Atomkraft ganz zu schweigen, hier gibt es, auch global, Unmengen von unbeantworteten Sicherheitsfragen. Erinnern wir uns nur an Tschernobyl und Fukushima. Nicht zu schweigen von der Ungewissheit, wie der produzierte Atommüll über Jahrhunderte sicher gelagert werden kann – und wo. Wieder einmal werden ungelöste Probleme bedenkenlos in die Zukunft verschoben.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort, um zu zeigen: Wir können noch etwas gegen den Klimawandel tun – wenn wir jetzt ...
Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort, um zu zeigen: Wir können noch etwas gegen den Klimawandel tun – wenn wir jetzt handeln.

Es ist also offensichtlich, dass sowohl Gas- als auch Atomenergie nicht nachhaltig sind und keineswegs durch die Taxonomie bezuschusst werden darf. Deswegen hatten die letzte Regierung und die EU-Kommission es auch als so kritisch angesehen, diese beiden Energieformen als nachhaltig zu deklarieren.

Doch dann haben Noch-Kanzlerin Angela Merkel und andere Regierungen überraschend dazu gedrängt, eine neue Taxonomie aufzusetzen. Nun steht die Entscheidung darüber recht spontan am 31. Dezember an – in der Winterpause des Bundestages, während die meisten Menschen irgendwo zwischen Weihnachten und Neujahr nicht an Politik denken (wollen).

Die deutsche Bundesregierung ist ein wichtiger Player in der Entscheidung: Wenn sich Olaf Scholz gegen die Aufnahme von Gas in der Taxonomie stellen würde, könnte sie verhindert werden.

Jetzt müssen Versprechen eingehalten werden

Er sprach sich 2019, nach Druck von Fridays-for-Future-Aktivistinnen und -Aktivisten bereits einmal kurzfristig gegen Gasinvestitionen der Europäischen Investitionsbank aus, da hatte er jedoch noch den Posten des Finanzministers inne und nicht den des Bundeskanzlers. Umso wichtiger ist, dass er nun konsequent handelt, schließlich trägt er nicht nur die Verantwortung für die Bundesrepublik der Gegenwart, sondern auch für die Bundesrepublik und die gesamte Welt der Zukunft.

Kurz nach der von der Klimakrise verursachten Naturkatastrophe im Ahrtal wäre es höchst verantwortungslos, einer Taxonomie zuzustimmen, die fossiles Gas und Atomkraft beinhaltet und damit die Klimakrise weiter vorantreibt.

Verrät der neue Kanzler seine Wählerinnen und Wähler?

Man könnte sogar sagen, dass Herr Scholz kurz davor ist, die Bürgerinnen und Bürger, die ihn gewählt haben, aber auch die, die ihn nicht gewählt haben und die, die überhaupt nicht wählen konnten, zu verraten. Es stellt sich die Frage, ob Herr Scholz noch immer nicht verstanden hat, was auf dem Spiel steht. Die neue Bundesregierung ist die letzte, die die schlimmsten Katastrophen, auch global, noch verhindern kann.

Als selbst betitelter "Klimakanzler" sollte Olaf Scholz also gegen diese neue Taxonomie stimmen und stattdessen Klimagerechtigkeit zur höchsten Priorität seiner Politik machen.

Auf jeden Fall klar ist aber: Die Klimakrise lässt sich nicht nur durch den Titel des "Klimakanzlers" bändigen. Was jetzt folgen muss, sind Taten – und das möglichst schnell. Die Zukunft aller kann durch diese Entscheidung massiv gegen die Wand gefahren werden, also können wir nur auf eine richtige Entscheidung, auch für den Rest Europas und der gesamten Welt, hoffen. Scholz muss sich also gegen Gas positionieren.

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