Deutschland ist ein freies Land, in dem man sich ohne wirkliche Konsequenzen etwa für politische Belange einsetzen kann.
Oder muss es bald "war" heißen?
Die Bundesregierung plant nämlich, Abschiebungen künftig auch auf Basis des Paragrafen 129 des Strafgesetzbuches zur "Bildung krimineller Vereinigungen" zu ermöglichen. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, der an diesem Mittwoch das Kabinett passiert hat. Einfach gesagt bedeutet das: Ausländische Mitglieder krimineller Vereinigungen sollen künftig unabhängig von einer individuellen Verurteilung ausgewiesen werden können.
Kriminelle Vereinigung klingt, als würde es um große Verbrechen gehen. Um Taten, vor denen die Bundesregierung uns Bürger:innen schützen muss. Um die Mafia oder Drogenkartelle zum Beispiel.
Aber das stimmt nur zum Teil.
Dieser Paragraf könnte für Menschen zum Fallstrick für ihr politisches Engagement werden, wenn sie keinen deutschen Pass haben. Sollte das Gesetz im nächsten Schritt tatsächlich vom Bundestag verabschiedet werden, könnten Menschen leichter abgeschoben werden als bislang. Nur, weil sie beispielsweise aufgrund von Klimaprotesten in das Raster der Ermittlungsbehörden fallen.
Das ist ein heftiger Schlag in die Magengrube. Auch für die Klimabewegung.
Zuletzt in den Schlagzeilen gewesen ist der Paragraf, als gegen Mitglieder der Letzten Generation ermittelt wurde. Im Mai wurden in mehreren Bundesländern die Wohnungen von Aktivist:innen der Letzten Generation durchsucht.
Das Landeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft bezogen sich damals auf den Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Außerdem wurde den Aktivist:innen zur Last gelegt, eine Spendenkampagne zur Finanzierung weiterer Straftaten organisiert zu haben.
Aber stopp, einmal kurz: Innehalten, atmen, nachdenken!
Wir können doch in Deutschland nicht ernsthaft vorhaben, Menschen schneller und leichter abzuschieben, nur, weil sie sich etwa bei der Letzten Generation engagieren. Die Aktivist:innen tun doch niemandem etwas, sie sitzen einfach nur friedlich da. Nehmen – für unser aller Wohl – sogar in Kauf, bespuckt, geschlagen, getreten oder angefahren zu werden und eine Haftstrafe zu verbüßen.
Und all das nur, weil sie angesichts wissenschaftlicher Studien und nicht-handelnder Regierungen so verzweifelt sind.
Die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer kritisiert gegenüber dem Recherchezentrum "Correctiv" den Gesetzentwurf schwer. Das sei ein "nächster, dramatischer Schritt weg von einer klimagerechten Demokratie", sagt sie und ergänzt: "Durch die willkürlichen 129er-Beschuldigungen müssten wir künftig Menschen warnen, sich ohne deutschen Pass lieber nicht zu engagieren. Was soll das für ein Zeichen sein?"
Kein gutes jedenfalls.
Denn damit macht die Regierung das Klima-Engagement für viele zur Abwägungssache: Kann man als Aktivist:in ohne deutschen Pass wirklich in Kauf nehmen, im schlimmsten Fall abgeschoben zu werden?
Ich jedenfalls verstehe jede:n, der sich dann lieber doch dagegen entscheidet.
Der nette Side-Effect für die Regierung ist eindeutig: Weniger Störenfriede, die sich für mehr Klimaschutz einsetzen. Aka weniger Störenfriede, die die eigene Politik kritisieren.
Als sogenannter "Schnüffelparagraf" steht Paragraf 129 schon länger in der Kritik. Denn er räumt Ermittlungsbehörden unter bestimmten Umständen weitgehende Befugnisse zur Überwachung ein.
Auch früher schon hat der Paragraf in Ermittlungen gegen politische Gruppen eine Rolle gespielt, wie etwa gegen die Rote Armee Fraktion. Eine linke Terrororganisation, die mit dem friedlichen Protest der Letzten Generation aber auch so gar nichts gemein hat. Dass der gleiche Paragraf auf die friedlichen Ökos angewendet wird, zeigt einmal mehr die Absurdität.