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Klimakrise und der Nachwuchs: 3 Frauen erklären, warum sie keine Kinder wollen

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Ist es angesichts der momentanen Zukunftsperspektiven vernünftig noch Kinder zu bekommen? Bild: www.imago-images.de / YAY Images
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Nachwuchs in Zeiten der Klimakrise: Drei Frauen erzählen, warum sie keine Kinder haben wollen

03.07.2022, 13:1404.07.2022, 10:42
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Es gibt verschiedene Gründe, aus denen sich Menschen dazu entscheiden, keine Kinder zu bekommen – einer von ihnen ist die Klimakrise. Die Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt, immer öfter kommt es zu Wetterextremen wie Dürren, Überschwemmungen oder Stürmen: Das ist die Realität, in der wir leben. Und die wird sich den Forschungserkenntnissen und Studien der Klimaforschenden nach mit steigender Erderwärmung nur noch verschlimmern.

Ist das eine Welt, die man guten Gewissens der kommenden Generation überlassen kann? Und ist das eine Zukunft, in der man seine Kinder aufwachsen sehen möchte?

watson hat mit drei Frauen gesprochen, die diese Fragen ganz klar verneinen können. Für sie sind die dystopischen Zukunftsaussichten und der CO₂-Ausstoß von Kindern Grund genug, keine zu bekommen.

Maggi Pleskach, 24: Lieber Hund statt Kind

Maggi hatte noch nie einen Kinderwunsch.
Maggi hatte noch nie einen Kinderwunsch.bild: privat

Maggi wohnt in Berlin und studiert momentan Publizistik und Literaturwissenschaften an der Freien Universität. Das Thema Nachhaltigkeit liegt ihr sehr am Herzen: Die 24-Jährige ernährt sich vegan, kauft nur Second-Hand-Klamotten und versucht auch sonst weitestgehend klimaneutral zu leben. Doch der größte Umwelt-Killer sind für sie Kinder. Unter anderem deshalb hat sich die Studentin dazu entschieden, keine eigenen Kinder zu bekommen.

"Ich hatte wirklich noch nie einen Kinderwunsch. Ich kann nicht mit ihnen umgehen, was wahrscheinlich auch daran liegt, dass ich durch mein Umfeld nie mit jüngeren Kindern in Kontakt gekommen bin. Aber durch meine Partnerschaft kam das dann irgendwann doch ins Gespräch, weil meine Freundin ursprünglich wirklich gerne Kinder wollte. Es war ziemlich schwierig für uns, da eine Übereinstimmung zu finden, weil ich mich einfach nicht umentscheiden konnte. Aber wir haben viel über die Zukunft geredet und irgendwann kamen wir dann auf den gemeinsamen Nenner, dass wir viel lieber einen Hund hätten.

"Es wird klimatechnisch immer schlimmer und die Politik macht einfach nichts."

Der ausschlaggebende Grund für mich, keine Kinder zu haben, sind die momentanen Zukunftsperspektiven. Es wird klimatechnisch immer schlimmer und die Politik macht einfach nichts. Diejenigen, die Macht haben, hören nicht auf die nächste Generation, die im Zuge von Fridays for Future auf die Straße geht und demonstriert. Wenn jetzt schon nichts unternommen wird und es keine Aussicht auf Besserung gibt, sehe ich keinen Sinn darin, ein Kind zu bekommen.

Von Freunden und Familie habe ich oft zu hören bekommen, dass ich es mir irgendwann anders überlegen werde. Wirklich wenige können meinen fehlenden Kinderwunsch nachvollziehen.

Es gibt einige, die meine Gründe begreifen, aber bei denen ist der Kinderwunsch dann oftmals größer, als die Vernunft. Es ist ziemlich hart so etwas zu sagen, aber für mich ist es ethisch einfach nicht vertretbar, momentan Nachwuchs in die Welt zu setzen. Will man wirklich unter den derzeitigen Umständen, die eindeutig nur noch schlimmer werden, ein Kind haben? Wir hinterlassen eine Erde, die wir komplett zerstört haben."

Verena Brunschweiger, 42: Rebellion gegen soziale Erwartungen

Verena argumentiert für eine strengere Bevölkerungspolitik.
Verena argumentiert für eine strengere Bevölkerungspolitik.Büchner verlag / Mareike Gill

Dr. Verena Brunschweiger ist eine deutsche Autorin, feministische Aktivistin und Antinatalistin. In ihren Büchern "Kinderfrei statt kinderlos: Ein Manifest", "Die Childfree-Rebellion" und "Do Childfree People Have Better Sex?: A Feminist's Journey in the Childfree Movement", beleuchtet sie Elternschaft im kulturellen Kontext und argumentiert für eine strengere Bevölkerungspolitik – nicht zuletzt wegen der Auswirkungen von Kindern auf das Klima.

"Ich erwog durchaus, den traditionellen Weg zu gehen und Kinder zu haben, aber im Rahmen meiner Recherchen habe ich enorm viele Gründe gefunden, die mich dazu gebracht haben, von dem Projekt 'Kinderkriegen' Abstand zu nehmen. Das war ein sich über Jahre hinziehender Prozess, aber endgültig überzeugt hat mich eine kanadische Studie, in der aufgezeigt wurde, welchen Einfluss individuelle Lebensstilentscheidungen auf den weltweiten CO₂-Ausstoß haben. Dabei kam heraus, dass die effektivste Maßnahme eines Individuums gegen die Klimakrise ist, einfach weniger Kinder zu bekommen. Pro Kind können damit 58 Tonnen CO₂ jährlich eingespart werden.

"Ich finde es lächerlich, wenn Leute sagen, dass sie klimabewusst leben, aber dann drei Kinder haben."

Einige Leute fanden es nicht so toll, dass ich mich dagegen entschieden habe, Mutter zu werden. Vor allem diejenigen, die mich nicht so gut kannten. Es ist erstaunlich, dass man von Kollegen und Nachbarn so negative Reaktionen bekommt, obwohl es die ja eigentlich überhaupt nichts angeht. Aber gerade aus feministischer Perspektive finde ich es wichtig und richtig, wenn Leute zu ihrem kinderfreien Lebensstil und den Gründen dahinter stehen. Weil die meisten haben sich diese Entscheidung gut überlegt – anders als so manche Eltern.

Ich finde es lächerlich, wenn Leute sagen, dass sie klimabewusst leben, aber dann drei Kinder haben – da können sie sich den Metallstrohhalm auch sparen. Viele Leute argumentieren damit, dass Kinderkriegen eine persönliche Entscheidung sei, aber angesichts der derzeitigen Klimasituation ist es das mittlerweile nicht mehr. Man muss sich bewusst sein, dass jegliche Reproduktionsentscheidung bei uns in den westlichen Industrienationen zwangsweise auch negative Konsequenzen für den globalen Süden hat.

"Letztendlich geht es nicht nur um die Reduktion des Fußabdruckes, sondern auch um die Anzahl der Füße."

Ich würde mir wünschen, dass da auch die Politik interveniert und beispielsweise eine Regelung wie in England einführt: Dort wird bereits ab dem zweiten Kind weniger Kindergeld gezahlt. Dadurch gibt es einen Anreiz, um die Anzahl des Nachwuchses herunterzuschrauben. Denn letztendlich geht es nicht nur um die Reduktion des Fußabdruckes, sondern auch um die Anzahl der Füße.

Aber es muss sich auch an unserer gesamten Haltung in Deutschland etwas ändern. In anderen Ländern gibt es progressivere, offenere und selbstreflektiertere Leute, die den Diskurs bestimmen. Hier in Deutschland würde niemals ein Politiker die Frage stellen, ob es heutzutage noch in Ordnung ist, Kinder zu bekommen – in den USA hat das die Repräsentantin Alexandria Ocasio-Cortez 2019 bereits getan."

Marina Banti, 23: Keine Kinder in unsicheren Zeiten

Marina blickt pessimistisch in die Zukunft.
Marina blickt pessimistisch in die Zukunft. bild: privat

Marina Banti lebt in Stuttgart-Vaihingen und studiert dort Medieninformatik. Um ihren CO₂-Fußabdruck möglichst kleinzuhalten, kauft sie ihre Lebensmittel lokal ein und behält sogar im Winter die Heizung aus. Doch trotz aller privaten Bemühungen blickt sie pessimistisch in die Zukunft. In Anbetracht der derzeitigen Klimaentwicklungen hat sie sich deshalb dazu entschieden, keine Kinder zu bekommen.

"Was bringt es, Kinder in die Welt zu setzen, wenn sie so eine unsichere Zukunft haben?"

"Schon als Kind mochte ich keine Kinder. Aber je älter ich wurde, desto mehr wurde mir klar, dass ich auf keinen Fall eigene Kinder haben will. Für mich überwiegen einfach die Kontra-Argumente mehr, als die Pro-Argumente, insbesondere mit Blick auf die derzeitige Klimalage. Die Auswirkungen der Krise bekommen wir schon heute zu spüren: Ich komme aus Tunesien und bei uns war es zwar schon immer relativ warm, aber letztes Jahr waren es 47 Grad – so heiß war es davor noch nie. Und in Deutschland haben wir inzwischen auch keinen richtigen Winter mehr.

Was bringt es, Kinder in die Welt zu setzen, wenn sie so eine unsichere Zukunft haben? Es wird mit der Zeit einfach immer mehr Probleme geben – ich sehe das Ganze sehr pessimistisch. Vielleicht schaffen wir es, den Schaden der Klimakatastrophe einzudämmen, aber ich glaube nicht, dass wir sie komplett aufhalten können.

Die Verantwortung für die Klimakrise wird immer auf die Privatpersonen abgewälzt, aber deren CO₂-Ausstoß ist im Großen und Ganzen betrachtet ziemlich unwichtig. Natürlich sind wir auch verantwortlich für den Klimawandel, aber letztendlich sind das Problem nicht die Verbraucher mit ihren Plastikstrohhalmen, sondern die Konzerne mit ihren Lobbyisten. Wenn sich dort am System nichts ändert, dann wird sich auch an der Welt nichts ändern.

Deswegen schließen sich Klimaaktivismus und Kinderkriegen für mich auch nicht komplett aus. Dennoch sollte man sich bewusst machen, dass Nachwuchs dem Klima letztendlich schadet und dieser Schaden eingedämmt werden muss. Ich leiste meinen Beitrag, indem ich an Verpackungen spare, meinen Wasserverbrauch reduziere und versuche, Lebensmittel lokal vom Bauern zu kaufen – außerdem ist bei mir seit Jahren nie die Heizung an.

"Es sollte einfach respektiert werden, wenn Frauen sagen, dass sie keine Kinder haben wollen."

Wenn ich sage, dass ich keine Kinder bekommen möchte, stoße ich häufig auf Unverständnis und man versucht mich zu überreden. Oft kommt dann auch direkt die Frage, wieso ich keine Kinder möchte – obwohl man das ja umgedreht auch niemanden fragen würde. Das ist ja schön, wenn andere glücklich mit ihren Kindern sind, aber sie sollen mich dann bitte einfach in Ruhe lassen.

Das sage ich den Leuten inzwischen auch direkt ins Gesicht. Es sollte einfach respektiert werden, wenn Frauen sagen, dass sie keine Kinder haben wollen. Und wenn ich doch irgendwann mal einen Wunsch danach entwickeln sollte, dann würde ich ein älteres Kind adoptieren."

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