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Luisa Neubauer beim Weltklimastreik: "Krisen sind Grund, lauter zu werden"

BERLIN, GERMANY - MARCH 15: Climate activist Luisa Neubauer speaks at a FridaysForFuture climate protest march on March 15, 2019 in Berlin, Germany. According to organizers striking students took to t ...
Beim zwölften Globalen Klimastreik macht Luisa Neubauer von Fridays for Future den Streikenden noch einmal Mut, niemals aufzugeben und weiter zu kämpfen – für jedes zehntel Grad.Bild: Getty Images Europe / Sean Gallup
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"Bauen schöne neue Welt": Luisa Neubauer macht in Rede zum Klimastreik Mut

Es ist wieder so weit: Heute ist Globaler Klimastreik. Auf der ganzen Welt gehen Menschen auf die Straße, um gegen den Klima-Stillstand anzukämpfen. Auch in Deutschland. Luisa Neubauer, Hauptorganisatorin der Fridays-for-Future-Proteste, spricht in Berlin. Watson hat ihre Rede vorab bekommen.
03.03.2023, 13:42
luisa neubauer
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Es ist Freitag – und es ist der zwölfte Globale Klimastreik. Über 250 Demonstrationen hat Fridays for Future allein in Deutschland angemeldet, Tausende werden auf der Straße erwartet. Ihr Ziel: Druck aufzubauen, um den Klima-Stillstand aufzulösen – und das Schlimmste noch zu verhindern.

Luisa Neubauer, das Gesicht der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung, spricht in Berlin: Über die Notwendigkeit des Protests. Über das, was Fridays for Future und all die Streikenden schon erreicht haben. Und über das, was möglich ist.

23.09.2022, Berlin: Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer spricht beim Klimastreik an die Teilnehmer. Die Klimaschutzbewegung Fridays For Future hat für diesen Freitag zu einem weltweiten Klimastreik a ...
Luisa Neubauer ruft die Streikenden dazu auf, nicht aufzugeben, sondern weiterzukämpfen: Für mehr Klimagerechtigkeit.Bild: dpa / Monika Skolimowska

"Wir sind wieder da. Wir sind sowas von wieder da – herzlich willkommen zum zwölften unfassbaren Weltklimastreik! Ein riesen Applaus!

Wir wurden gefragt, warum wir überhaupt nochmal auf die Straße gehen. Man sagt uns: Ihr habt schon so viel erreicht, was ist denn jetzt noch?

"Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem selbst Friedrich Merz uns erklärt, die CDU sei neuerdings eine Klimaschutz-Partei. Und ich befürchte, er glaubt, was er sagt."

Sie sagen: Wir waren mit Millionen Menschen auf den Straßen, wir haben in jeder Ecke dieses Landes für das Klima protestiert. Wir haben uns mit großen Konzernen gestritten, und mit großen Menschen aus der Politik. Naja, vor allem mit großen Männern aus der Politik. Wir haben nicht nur eine Mauer, wir haben endlos viele Mauern eingerissen. Mauern der Vorurteile, Mauern des 'Das geht doch nie', Mauern des 'Klima wollen die Menschen nicht', Mauern des 'Wir machen das schon'. Als sie gesagt haben: 'Lasst das mal die Profis machen', da haben wir uns nicht mit ein oder zwei, sondern mit 30.000 Profis zusammengetan, die sagen: Fridays for Future hat Recht.

TOPSHOT - Swedish climate activist Greta Thunberg (C) marches during a "Friday for future" youth demonstration in a street of Davos on January 24, 2020 on the sideline of the World Economic  ...
Seit 2019 setzen sich Fridays for Future-Aktivist:innen in Deutschland großflächig für mehr Klimagerechtigkeit ein.Bild: AFP / FABRICE COFFRINI

Wir haben dafür gesorgt, dass es erstmals in der Geschichte dieses Landes ein Klimaschutzgesetz gibt, und als das Klimaschutzgesetz nicht mehr als ein schlechter Witz war, sind wir vor Gericht gezogen – und wir haben gewonnen. Als gewählt werden sollte, haben wir dafür gesorgt, dass Klima DAS wahlentscheidende Thema wird. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem selbst Friedrich Merz uns erklärt, die CDU sei neuerdings eine Klimaschutz-Partei. Und ich befürchte, er glaubt, was er sagt.

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Es stimmt, was die Leute sagen: Was wir erreicht haben und was wir hier machen, in genau diesem Augenblick – das ist historisch. Das dürfen wir nicht vergessen. Wir haben Berge versetzt. Nicht durch Zauberei, nicht durch magische Technologien von Tech-Milliardären aus den USA. Wir haben Berge versetzt, indem wir zusammen losgelegt haben.

"Die Ampel wollte eine Fortschritts-Koalition sein. Heute ist sie höchstens eine Stillstands-Koalition. Und wer stillsteht, während sich die Krisen überschlagen, der taumelt rückwärts."

Wir waren ganz normale Menschen, die sich zusammengetan haben, damit es nach all den Krisen irgendwann wieder so etwas wie Normalität geben kann. Das Wissen um unsere Macht ist etwas, was manchen Angst macht. Fossile Konzerne und fossile Parteien wünschten sich, dass wir vergessen würden, was möglich ist, wenn wir uns zusammentun. Also geben wir ihnen das nicht.

Aber: Es reicht noch nicht. Die guten Lösungen sind bekannt, aber die Krisen überschlagen sich dennoch. Die Ampel wollte früher mal eine Fortschritts-Koalition sein. Heute ist sie höchstens eine Stillstands-Koalition. Und wer stillsteht, während sich die Krisen überschlagen, der taumelt rückwärts.

Die Grünen wollten mal die Partei sein, die in der Regierung die ökologischen Linien verteidigt. Dann kam eine Energiekrise und die Grünen haben lieber die Profite von RWE als Lützerath verteidigt.

Die FPD wollte mal das Land voran bringen, sie wollte mehr Effizienz. Man muss ihnen zugute halten: Das Versprechen haben sie gehalten, sie sind wohl die effizientesten Blockierer die man in diesem Land seit Langem gesehen haben. Es ist olympiareif, wie erfolgreich sich die Partei weigert, zu irgendeiner guten Idee einfach mal 'Ja' zu sagen.

"Wir hier haben doch längst verstanden, dass die größte Gefahr für die Freiheit und Sicherheit von Menschen niemals eine Klimamaßnahme ist, sondern immer die Klimakrise sein wird!"

Und jetzt, wo die FDP nicht nur die Energiewende und die Bauwende blockiert, sondern auch noch das EU-weite Ende vom Verbrennermotor boykottieren möchte, schafft es diese unbeliebte Mini-Partei, nicht nur Deutschland, sondern einen ganzen europäischen Kontinent davon abzuhalten, endlich mal die Krisen anzugehen. Sie nennen das 'Technologie-Offenheit'. Das wiederum ist lustig, man würde meinen, wer technologieoffen ist, ist auch offen dafür, dass manche Technologien ineffiziente Lobbyträume sind, auf die wir vielleicht nicht setzen sollten, um den einzigen bewohnbaren Planeten zu schützen.

Die FPD verwirkt in diesem Augenblick jeglichen Anspruch, sich ernsthaft die Freiheit zu eigen zu machen. Wir hier haben doch längst verstanden, dass die größte Gefahr für die Freiheit und Sicherheit von Menschen niemals eine Klimamaßnahme ist, sondern immer die Klimakrise sein wird! Den Menschen, die an den Frontlines der Klimakrise leben, die nichts zur Klimakrise beigetragen haben, und in voller Kraft die Folgen unserer Emissionen abbekommen – die haben das längst verstanden.

Manchmal spricht die FDP schon über Klimaschutz, dann nämlich, wenn sie Aktivist:innen vorwerfen, sie würden irgendetwas falsch machen. An der Stelle ein Satz zur Doppelmoral: Rumzureden, rumzunörgeln, keinen Finger zu rühren für das Klima, und dann anzufangen, Regeln für Aktivist:innen aufzustellen: Das ist für mich Doppelmoral. Mir ist egal, ob du den Protest der anderen zu schwach oder zu radikal findest, zu laut oder zu 'klebrig'. Mir ist egal, ob du meinst, du weißt es alles besser. Ich frage mich: Was machst du denn?

Wo wir schon davon reden, wo ist eigentlich der Kanzler? Vor zwei Jahren habe ich ihn noch gesehen, ganz groß auf Plakaten, da stand 'Kanzler für Klimaschutz' drauf. Und jetzt? Wäre es nicht an ihm, hier mal ein Machtwort zu sprechen? Ich will da nicht kleinlich sein – aber wäre es nicht genau genommen sein… Job?

"Sie haben ihre Klimavokabeln geübt, und dachten, uns fällt nicht auf, wenn unter der Hand weiter gemacht wird, als hätten wir drei weitere Planeten auf der Autobahnbaustelle rumliegen."

Aber nein. Sie alle haben gedacht, auf die ein oder andere Art und Weise, kommen sie damit durch. Sie haben gedacht, sie kommen mit grünen Worten und grünen Reden durch, ob Parteien, Kanzler oder Konzerne: Sie haben ihre Klimavokabeln geübt, und dachten, uns fällt nicht auf, wenn unter der Hand weiter gemacht wird, als hätten wir drei weitere Planeten auf der Autobahnbaustelle rumliegen. Sie haben sich so viel Mühe gegeben, neue Worte für alte Methoden zu finden – neue Autobahnen nennt die CDU jetzt 'Klimaautobahnen', neues Erdgas nennt der Kanzler 'Brückentechnologie', der Bruch mit dem Pariser Klimaabkommen nennen die Grünen einen 'Kompromiss mit RWE'.

TOPSHOT - Youths show their hands bearing the inscriptions "Our future in your hands" during the "Fridays For Future" movement on a global day of student protests aiming to spark w ...
Die Zukunft liegt in unseren Händen, sagt Luisa Neubauer. Das sehen viele Streikende genauso.Bild: AFP / TOBIAS SCHWARZ

Aber die Sache ist die: Wir sind so weit gekommen. Warum sollten wir hier Schluss machen? Fossile Parteien und fossile Konzerne denken, sie kommen mit grünem Marketing durch, wir sind hier, weil wir eine schlechte Botschaft für sie haben: Nicht mit uns.

"Wir wissen längst, dass es nicht reicht, Antworten auf die Krisen zu haben, wir müssen die Antworten groß, und berühmt und mächtig machen."

Darum geht es in diesem Jahr, das ist die Aufgabe für 2023. Sie wollen auf halber Strecke aufgeben – jetzt lassen wir nicht locker. Im Gegenteil, wir werden strategischer und lauter. Nicht nur, weil wir viel zu verlieren haben. Sondern auch, weil wir so unfassbar viel zu gewinnen haben.

Also machen wir aus einem fossilen 'Energie-weiter-so' eine echte, gerechte Energiewende. Also sorgen wir dafür, dass die Kohle unter Lützerath bleibt. Also beenden wir die Explosion der LNG-Terminals. Also nutzen wir unsere Privilegien und werden unserer globalen Verantwortung gerecht. Und: Wir finden den besten Freund von Christian Lindner, denn offensichtlich hört er nicht auf uns oder die Wissenschaft. Aber auf irgendwen wird er ja hören.

Wir wissen längst, dass es nicht reicht, Antworten auf die Krisen zu haben, wir müssen die Antworten groß, und berühmt und mächtig machen.

Viele verlieren dieser Tage die Hoffnung und fragen: 'Wenn die Ampel nicht für Klimagerechtigkeit eintritt, wer denn dann?' Die Antwort ist leicht: Wir natürlich.

Und Berlin, wunderbares Berlin. Jetzt wo wir eine schwarz-rote Regierung haben, sind wir hier heute, mit allem, was wir sind, was wir haben und was wir brauchen, damit diese Stadt doch nochmal Klimagerechtigkeit kennenlernt. Und das erste To-Do steht direkt an: In diesem Monat, sorgen wir dafür, dass der Klimavolksentscheid gewinnt, und zwar sowas von!

"Wir haben verstanden, dass Krisen kein Grund zur Resignation sind, sondern jeder Grund laut zu werden. Hoffnung ist harte Arbeit – also legen wir los!"

Wir haben verstanden, dass Hoffnung nicht vom Himmel fällt. Sondern, dass Hoffnung harte Arbeit ist, und dass Hoffnung von Handeln kommt. Wir haben verstanden, dass die Welt nicht nur auf unseren Schultern lastet, sondern auch in unseren Händen. Und wenn man uns schon mit den ganzen Krisen bewirft, dann ziehen wir eben los, und machen das Beste daraus, und das Schönste, und das Gerechteste: Dann bauen wir eben die schöne neue Welt. Nicht weil es leicht ist, sondern weil es richtig ist, und weil die Zeit gekommen ist.

TORINO, ITALY - 2019/09/27: Demonstrators during the event "Friday for the future", a global climate strike to call on world governments to take action against climate degradation and enviro ...
Nicht resignieren, sondern weitermachen! In ihrer Rede macht Luisa Neubauer den Streikenden Mut.Bild: LightRocket / Marco Canoniero

Wir alle hier haben heute eine Entscheidung getroffen. Wir haben entschieden, dass wir nicht zugucken, wenn andere unsere Welt zerstören. Wir bleiben nicht stumm. Wir haben verstanden, dass Krisen kein Grund zur Resignation sind, sondern jeder Grund, laut zu werden. Hoffnung ist harte Arbeit – also legen wir los!"

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In den USA wütet zuerst "Helene" und anschließend "Milton". Riesige Wirbelstürme, die für Angst und Schrecken sorgen. Beide Hurrikans hinterlassen eine Schneise der Verwüstung. In Deutschland gibt es derzeit Unwetterwarnungen wegen "Kirk", ein Hurrikan, der auf seinem Weg in die Bundesrepublik zum Herbststurm schrumpfte.

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