Es gab Zeiten, da konnten Joachim Weber-Amann und Michaela Amann ihre Kühe das gesamte Jahr über mit ihrem eigenen Heu durchfüttern. Doch dann kamen die Hitzesommer, die schweren Regenfälle, die plötzlichen Kälteeinbrüche – die Unbeständigkeit. Erst vereinzelt, alle paar Jahre. Dann immer häufiger. Eine Katastrophe für den Milchbetrieb.
Seit 22 Jahren haben die Amanns einen Milchviehbetrieb, seit 2002 wirtschaften sie nach Bioland-Richtlinien: 32 Milchkühe, Felder, Wald, sieben Ziegen, drei Schafe, ein paar Hühner, drei Katzen und ein Hund. Viel Arbeit. Zeit, um ihre Kühe kurz hinter den Ohren zu kraulen, haben die Amanns trotzdem immer. Sie stammen nicht aus einer Bauernfamilie, haben die Landwirtschaft aber früh für sich entdeckt. Erst als Lehrlinge, dann als Angestellte – bis der Wunsch in ihnen heranwuchs, einen eigenen Betrieb zu übernehmen. Sie hatten Glück, fanden ihren Hof nur wenige Monate später in Fichtenberg-Mittelrot, Baden-Württemberg.
50 Hektar Grünland, zehn Hektar Ackerland: Ihr eigenes Fleckchen heile Welt. Denn für sie stand schnell fest: Konventionell wirtschaften wollen sie nicht. Die Amanns wollten mit der Natur arbeiten, nicht gegen sie. "Immer muss das Maximum rausgeholt werden, anstatt auf dieses Bisschen mehr zu verzichten – der Umwelt zu Liebe wenigstens", sagt Weber-Amann. Also verzichten sie auf Pestizide.
Und dennoch: Seit Jahren können die Amanns dabei zusehen, wie die Welt um sie herum kaputtgeht, auch ihr eigenes Fleckchen heile Welt. Weil die Sommer immer trockener werden. Weil der Grundwasserspiegel sinkt. Weil das Wetter extremer wird.
"Im Sommer 2003 dachte ich noch, diese extreme Hitze wäre eine Ausnahme", sagt Weber-Amann. Er schüttelt den Kopf, als sei er selbst überrascht von seiner damaligen Naivität. "Aber dann haben sich die Hitzesommer wiederholt – 2015, 2018, 2019, 2020." Weber-Amann wird still. "Da ist mir klar geworden: Der Klimawandel ist keine Glaubensfrage, sondern Fakt. Das mit dem 1,5 Grad-Ziel habe ich zu Anfang ja gar nicht gewusst."
Die Dürresommer sind nicht das einzige Problem, mit dem die Amanns aufgrund der Klimakrise konfrontiert werden. Sie führen einen Heumilchbetrieb. Das bedeutet, dass ihre Kühe fast ausschließlich Gras und Heu zu futtern bekommen – im Sommer grasen sie auf der Weide, im Winter fressen sie das eigens geerntete Heu.
"Als Heubetrieb ist man ja nochmal mehr von der Witterung abhängig", erklärt Weber-Amann. "Wenn das Wetter unbeständig ist, es plötzlich regnet, ist das für uns ein großes Problem." Das spiegelt sich in den Ernteerträgen. "Erst ist es zu trocken, sodass das Gras nicht wächst und die Kühe immer weiterziehen müssen, weil sie sonst nicht satt werden. Und dann fällt die Heuernte geringer aus, weil wir auf den Flächen, wo sie grasen, nicht das Winterfutter anbauen können."
"Letztes Jahr war mal wieder ein gutes Jahr", sagt Weber-Amann. "Aber die drei Jahre davor war es viel zu trocken." 2018 und 2020 verloren die Amanns fast 50 Prozent ihrer Heuernte an die Dürre, für 20.000 Euro mussten sie 100 Tonnen zukaufen, 2019 war kaum besser. Das macht sich in der Bilanz bemerkbar. "In trockenen Jahren ist das zugekaufte Heu schon so teuer, dass es sich eigentlich kaum noch lohnt, weil die Milch so wenig einbringt." Weber-Amann seufzt.
Mittlerweile rechnet er mit jährlichen Ausgaben von rund 8000 Euro für den Heu-Zukauf, in schlechten Jahren wird es mehr. Da es in Dürrejahren vielen Landwirten geht wie den Amanns, wird das Heu auf dem Markt oft knapp. Einige Landwirte müssen ihre Kühe notschlachten, weil das Futter nicht reichen würde, um alle durch den Winter zu bringen. "So schlimm war es bei uns zum Glück noch nicht", sagt Michaela Amann. "Aber 2018 mussten wir auch schon Tiere eher schlachten, weil wir abstocken mussten."
Dazu kommt, "dass Kühe Hitze überhaupt nicht mögen, ihre Wohlfühl-Temperatur liegt bei 15 Grad". Hitzestress resultiert in geringerer Milchleistung. Auch die Qualität des Heus entscheidet darüber, wie viel Milch die Kühe geben. Kaufen die Amanns das Heu zu, wird das für sie nicht nur teurer, ihre Kühe geben auch weniger Milch – und der Gewinn fällt geringer aus. Die Klimakrise – ein Teufelskreis.
Mit der Hitze kommen auch die Mücken – und damit Viren, die früher nur in wärmeren Ländern wie Spanien zu finden waren. 2011 hat das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, das Schmallenberg-Virus erstmals bei Rindern, Schafen und Ziegen in Deutschland festgestellt. Seitdem nimmt die Zahl der betroffenen Tierbestände ständig zu.
Eine Infektion der Kühe kann in einem bestimmten Stadium der Trächtigkeit zu schweren Missbildungen des Fötus führen – und zu Totgeburten. "Wie viele Kälber sind uns da kaputtgegangen?", überlegt Amann. Sie legt die Stirn in Falten, durchforstet ihre Unterlagen. Denn eine Virus-Infektion ist meldepflichtig. Wenig später wird sie fündig: Zwei Zwillingspärchen, vier Kälber also. Eine weitere Begleiterscheinung der Klimakrise.
Das nächste Problem: Wassermangel. "Und was die Kühe an Wasser brauchen, ist schon enorm." Rund 200 Liter trinken die Tiere am Tag, im Sommer etwas weniger – weil das frische Gras mehr Wasser enthält als Heu. "Da kann man sich vorstellen, was für Kosten zusammenkommen", sagt Weber-Amann.
Aufgeben kommt für die Amanns nicht in Frage. Sie sind überzeugt: Wenn man der Natur gibt, was sie braucht, funktioniert auch die Landwirtschaft – "muss ja", sagt Weber-Amann. Die Politik müsse trotzdem ihren Teil dazu beitragen – die Betriebe stärken und bezuschussen, die mit der Natur und nicht gegen sie arbeiten: "Sonst wird es immer so bleiben, dass Ökobetriebe schlechter dastehen." Er sagt: "Alleine kann niemand das Klima retten. Das ist ein Gemeinschaftsprojekt, jeder muss seinen Teil dazu beitragen."
Und das tun sie, so gut sie können.
Um ihre Kühe im Sommer bestmöglich vor der Hitze zu schützen, haben die Amanns Bäume und Heckenreihen auf ihren Feldern gepflanzt. "Dieser sogenannte Kleinklimaschatten kühlt die Luft und die Kühe", sagt Weber-Amann. "Das dauert natürlich, bis da ein Effekt eintritt, die Pflanzen müssen erstmal richtig wachsen." Aber es ist ein Anfang.
Im Melkstall haben die Amanns eine Kuhdusche installiert – eine Sprinkleranlage, die die Kühe in der Hitze abkühlt und ihnen die Bremsen und Fliegen vom Leib hält. "Das ist im Sommer auch kein schönes Melken, die schlagen einem dauernd die Melkwerkzeuge runter", sagt Amann.
Auch die Ackerböden entlasten die Amanns – indem sie nicht nur Monokulturen pflanzen, sondern Mischkulturen. Neben Mais pflanzen sie so auch Luzerne an – eine Kleeart, die zur Gründüngung verwendet wird. Die Pflanzenbestände begünstigen einander, sind so weniger anfällig. Für Hitze, für Insekten.
Auf ihrem Dach haben sie eine Photovoltaik-Anlage installiert. Im Stall gibt es eine Heu-Trocknungsanlage, die mithilfe des auf dem Dach gewonnenen Stroms läuft – damit sie auch in unsicheren Wetterlagen gute Heuqualität produzieren können. Und trotzdem – nach zwei aufeinanderfolgenden schlechten Jahren wie 2017 und 2018 zeigt sich, "dass alle Anstrengungen umsonst sind, wenn es gar nicht regnet, oder wenn der Regen nicht mehr aufhört".
Aus diesem Grund überlegen die Amanns, eine Zisterne, einen unterirdischen Wasserauffangbehälter, unter den Stallungen zu bauen – um der Wasserknappheit in Dürrejahren entgegenzuwirken. Damit könnten sie Regenwasser auffangen, sammeln und bei Bedarf nutzen, um beispielsweise den Melkstall zu säubern. Aber eine solche Investition ist teuer. "Das schreckt natürlich erstmal ab", sagt Weber-Amann. "Aber wir überlegen uns da was."
Das Thema Umweltzerstörung hat die Amanns schon immer beschäftigt: Für Joachim Weber-Amann kam das Thema Anfang der 70er Jahre auf, als ihm erstmalig klar wurde, dass der Rohstoff Öl endlich ist. Michaela Amann war noch ein kleines Kind, als sie mit dem Thema in Berührung kam: Aufgewachsen im südhessischen Main-Taunus-Kreis, spielte sie mit ihren Freunden oft im Flussbett, nicht weit entfernt vom städtischen Farbwerk.
Wann immer sie mit ihren Freunden dort war, hatte das Wasser eine andere Farbe – mal rot, mal blau, mal gelb. "Meine Mutter hat immer zu mir gesagt: 'Pass auf, dass das Wasser nicht in deine Gummistiefel kommt!' Da ist mir dann irgendwann klar geworden, dass das nicht so gut für die Umwelt sein kann."
Für die Tochter der Amanns, Leonie, war es allem voran die Artenvielfalt, die ihr am Herzen lag. "Viel zu oft vergessen die Leute, wie sehr alles miteinander zusammenhängt. Was passiert, wenn ein Insekt plötzlich nicht mehr da ist", sagt Leonie Amann.
Mit "Fridays for Future" erhielt dann auch das Thema Klimaschutz Einzug bei den Amanns. "Plötzlich war das Thema überall", sagt Leonie Amann. Gemeinsam mit ihrer Mutter Michaela geht sie auf Demos von "Fridays for Future", nimmt an Aktionen von "Ende Gelände" teil. "Die Politiker sollen merken, dass da eine Masse an Menschen ist, dass da was getan werden muss", sagt sie.
Um die Menschen in ihrem Dorf für das Thema Klimaschutz zu sensibilisieren, klebt Leonie Amann Flyer und Sticker mit Demo-Aufrufen von "Fridays for Future" an den familieneigenen Milchcontainer, wo sich viele Menschen aus der Gegend mit frischer Milch der Amanns versorgen. An der Straße hängt sie selbstgebastelte Plakate auf, "damit das auch die vorbeifahrenden Autofahrer mitbekommen".
Im Januar 2018 fährt Michaela Amann nach Berlin. Gemeinsam mit anderen Landwirten will sie auf der "Wir haben es satt"-Demo für eine ökologischere und klimagerechte Landwirtschaft auf die Straße gehen. Auf der Bühne: Eine der Klägerinnen, die die Bundesregierung gemeinsam mit Greenpeace verklagt, weil diese nicht ihrer Pflicht nachkommt, um den Anstieg der Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. In der deutschen Klimabilanz klafft eine Lücke von 100 Millionen Tonnen CO2 zwischen den Zielen der Bundesregierung und der Realität, so der Vorwurf der Klägerinnen und Kläger.
Amann wird hellhörig, fühlt sich verstanden: Auch ihre Familie kämpft mit den Folgen der Klimakrise. Auch ihre Familie sieht die eigene Existenz bedroht. Durch die Klimakrise. Und auch durch das Nicht-Handeln der Regierung.
Wieder in Baden-Württemberg angekommen, müssen die Amanns nicht lange überlegen. Sie füllen einen Antrag aus, um Nebenkläger der Klimaklage von Greenpeace zu werden, schildern ihre Betroffenheit: Abhängigkeit vom Wetter, Ernteverlust, vorgezogene Schlachtungen, weil das Futter nicht ausreicht, weniger Milchleistung, geringere Einkünfte. Dafür "sehr hohe Ausgaben".
Aber die Amanns kämpfen – gegen die Klimakrise und ihre Folgen und für ein Umdenken in der Landwirtschaft.