Mehr als zwei Drittel der Tierwelt sind laut einer Studie der Umweltorganisation WWF in den vergangenen 50 Jahren vom Menschen vernichtet worden. Die weltweite Population von Tieren, Vögeln und Fischen sei seit 1970 um fast 70 Prozent geschrumpft, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten Untersuchung. Als Hauptursachen nennt die Organisation die Vernichtung von Wäldern und die Ausbreitung der Landwirtschaft.
Die Zerstörung des Tierlebens habe sich in den vergangenen Jahren weiter beschleunigt, sagte der internationale Direktor des WWF, Marco Lambertini, der Nachrichtenagentur AFP. 2016 habe seine Organisation eine Zerstörung der Tierwelt von 60 Prozent dokumentiert, nur vier Jahre später seien es bereits fast 70 Prozent. Dieser Zeitraum sei nur "ein Augenblick" im Vergleich zu den "Millionen von Jahren, die viele Arten auf unserem Planeten gelebt haben".
Der drastische Rückgang hänge vor allem mit der Ausbreitung des Menschen zusammen, besonders mit dem starken Anwachsen des Wirtschaftswachstums und einem explosionsartigen Anstieg des weltweiten Konsums. So werde heute ein Drittel der weltweiten Landmasse und drei Viertel der Süßwasser-Gebiete für die Nahrungsmittelproduktion genutzt. In den Ozeanen seien 75 Prozent der Fischbestände überfischt. Christoph Heinrich, Naturschutz-Experte beim WWF Deutschland, sagte:
Er fügte hinzu: "Wir müssen schleunigst die Reißleine ziehen und in den natürlichen Grenzen der Erde wirtschaften und leben."
In manchen Regionen schreitet das Artensterben dem Bericht zufolge schneller voran als in anderen. In den tropischen Teilen von Zentral- und Südamerika etwa seien seit 1970 rund 95 Prozent der Arten verschwunden.
"Um günstiges Soja für unser Billigfleischsystem anzubauen, werden in Südamerika Regenwälder gerodet", kritisierte Heinrich. Statt aber mit dem Finger auf die Verbraucher und die Landwirte zu zeigen, müssten Politik und Wirtschaft Verbraucher davor schützen, "dass Entwaldung auf ihrem Teller landet".
Angesichts der Zahlen fordert der WWF einen Systemwechsel bei der Agrarpolitik, dem Ernährungssystem und den globalen Lieferketten. Zudem müsse bis 2030 ein Drittel der Erde unter Schutz gestellt werden.
Einen Hoffnungsschimmer bietet eine ebenfalls am Donnerstag in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlichte Studie unter dem Titel "Turning the Kurve". Das Papier, an dem rund 40 NGOs mitgearbeitet haben, kommt zu dem Schluss, dass eine umweltfreundlichere Ernährung sowie radikale Schutzmaßnahmen mehr als zwei Drittel des Artensterbens in den kommenden Jahren verhindern könnten.
"Wir müssen jetzt handeln", sagte Forscher und Mitautor David Leclere vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse in Laxenburg bei Wien. Die Erholung von Arten dauere meist sehr viel länger als deren Dezimierung. Jeder weitere Schaden an den Ökosystemen könne daher erst nach Jahrzehnten behoben werden.
Für den 13. Living Planet Report von WWF wurden rund 21.000 Bestände von etwa 4.400 Wirbeltierarten untersucht. Er wird seit 1998 herausgegeben, dieses Jahr in Zusammenarbeit mit der Zoologischen Gesellschaft London. Er erscheint alle zwei Jahre.
(lau/afp)