Nachhaltigkeit
Analyse

Massentourismus auf Mallorca: Steht die Insel vor dem Urlaubs-Kollaps?

14.08.2022, Spanien, Capdepera: Menschen schwimmen und sonnen sich am Strand Cala Ratjada auf Mallorca. Noch immer herrschen hier hohe Temperaturen und Hitzewarnungen. Foto: Clara Margais/dpa +++ dpa- ...
Viele Strände auf Mallorca sind absolut überfüllt, die Menschen liegen Handtuch an Handtuch im Sand.Bild: dpa / Clara Margais
Analyse

Massentourismus auf Mallorca: Steht die Insel vor dem Urlaubs-Kollaps?

04.09.2022, 14:17
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Nach zwei Pandemie-Sommern sind die Touristen zurück auf Mallorca. Besonders die Deutschen sind wieder vermehrt auf ihrer Lieblingsinsel anzutreffen. Zum Leidwesen der Einheimischen versammeln sich die Fans der Baleareninsel wieder in Scharen an mallorquinischen Hotspots, wie dem Naturstrand von Es Trenc, in Valldemossa oder am Cap von Formentor.

Die lokalen Medien und Einheimischen in den sozialen Medien bemängeln die Kolonnen von Mietwagen, die den Verkehr in Palmas Innenstadt lahmlegen, die Serpentinen nach Valldemossa blockieren oder für Verkehrschaos auf den Zufahrtsstraßen anderer Sightseeing-Highlights sorgen. An den meisten Orten sind Überfüllung durch Menschenmassen und Müll aktuell normal.

Menschenmassen schon am Flughafen von Palma

Touristen am Flughafen PMI Palma de Mallorca International auf der Mittelmeerinsel MallorcaTouristen am Flughafen PMI Palma de Mallorca International auf der Mittelmeerinsel Mallorca, Palma Mallorca S ...
Am Flughafen in Palma landen eng getaktet viele Flieger vor allem auf Deutschland.Bild: imago images / Chris Emil Janßen

Auch der Flughafen in Palma und die Kreuzfahrtterminals der Hauptstadt sind überlastet. Aktuell werden im Hafen von Palma immer wieder Ausnahmen von Regelungen gemacht, die eine Maximalanzahl von Kreuzfahrtschiffen im Hafen festlegen. Auch steigt der Energieverbrauch auf Mallorca im Vergleich zu anderen Teilen Spaniens weiter, obwohl die spanische Regierung vor Kurzem landesweite Energiesparmaßnahmen erlassen hat. Der Grund ist die hohe Anzahl an Urlaubern, die auf der Insel übermäßig viel Energie verbrauchen.

Sind mehr Touristen als sonst auf Mallorca?

Der Tourismusexperte Torsten Kirstges von der Jade Hochschule in Wilhelmshaven meint ja. Seiner Einschätzung nach seien mehr Urlauber als in den beiden letzten Corona-Sommern auf der Insel anzutreffen, aber etwa gleich viele wie vor der Pandemie im Jahr 2019.

"Wir spüren einen Nachholeffekt bei diesen Reisen. Die Menschen möchten nicht länger auf das verzichten, worauf sie aufgrund der staatlichen Restriktionen viele Monate verzichten mussten."
Tourismusexperte Torsten Kirstges

Mallorca ist seit Jahrzehnten besonders bei deutschen Urlaubern sehr beliebt. Es ist verhältnismäßig nah, an vielen Orten wird sogar Deutsch gesprochen und Mallorca bietet laut Kirstges "sehr vieles von dem, was der 'Durchschnittsurlauber' sucht: Meer, Sonne, Strand und bei Bedarf auch Party & Sex und Flirt." Wobei letzteres den mallorquinischen Einheimischen schon länger ein Dorn im Auge ist. Schon seit Jahren arbeite Mallorca gegen den Ruf der Partydestination an, sagt der Tourismusexperte zu watson.

Rufe nach einer Touristen-Obergrenze werden laut

Waren zu Zeiten der Pandemie-Hochphase Slogans beliebt, die auf die Notsituation der Tourismusbranche aufmerksam machen sollten – sind jetzt die Rufe nach einer Begrenzung der Touristen wieder sehr laut. Sowohl die Umweltorganisation "Terraferida" als auch Politiker sprechen sich für eine begrenzte Anzahl von Touristen aus. Die Ministerpräsidentin der Balearen Francina Armengol sagte im Interview mit der "Mallorca Zeitung" dazu: "Wir wollen beim Tourismus nicht weiter wachsen."

29.07.2022, Spanien, Palma de Mallorca: Felipe VI., K
König Felipe VI. von Spanien und Francina Armengol, die Ministerpräsidentin von den Balearischen Inseln, treffen sich Ende Juli.Bild: EUROPA PRESS / Isaac Buj

Besonders der Partytourismus stört viele

Torsten Kirstges sieht in der aktuellen Diskussion eine Neuauflage der bereits vor der Pandemie bekannten Probleme. Durch die zwei Jahre, in denen Reisen nicht stattfinden konnten, holen viele jetzt nach, was sie verpasst haben. Das ruft aber auch die Kritiker auf den Plan: Mallorca will sich gegen den Partytourismus wehren, der der Insel viel Müll und Verwüstung bringt. Die Playa de Palma hat sogar einen Twitter-Account, der das Fehlverhalten der unbeliebten Partyurlauber bloßstellt – man versucht sich zu wehren.

Mallorca ist angewiesen auf den Tourismus

"Natürlich hat der Tourismus auch seine Schattenseiten, wie CO2-Belastung bei der Fluganreise, Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung vor Ort, soziale Probleme durch stellen- und zeitweisen Overtourismus."

Dennoch stellt Torsten Kirstges klar, dass die Insel zu einem Großteil von dem Tourismus lebe, weil sie eben das zu bieten hat, was Urlauber wollen. Die Natur, das Meer und schöne Strände ziehen auch viele zivilisiertere Urlauber an. Der Experte ist überzeugt, dass eine überwiegende Mehrheit der Einheimischen froh ist, dass die Urlauber zurück sind.

"[Die Pandemie] war ein Einbruch, der aber auch gezeigt hat, wie wertvoll der Tourismus für die Insel ist."
Tourismusexperte Torsten Kirstges

Corona führte zu Armut auf Mallorca

Während der Pandemie blieben zwar die Partytouristen weg, jedoch gab es natürlich auch keinen qualitativen Tourismus, wie Erholungs-, Natur- oder Radtourismus-Urlauber. In Spanien fehlte auch eine ausreichende finanzielle Unterstützung des Staates für die Bürger:innen. "Während der Pandemie fielen tausende Arbeitsplätze weg, Geld fehlte, Menschen rutschten in die Armut. Das war nicht lustig", erklärt Kirstges.

Was bleibt, wenn die Saison vorbei ist?

Der Tourismusexperte sieht in der aktuellen Saison lediglich den Nachholbedarf der Menschen aufgrund der verlorenen Corona-Sommer und die Rückkehr alter Kritik am "Massentourismus" der Einheimischen. Gegen die negativen Auswirkungen des Tourismus hat die Regierung der Balearen Gesetze verabschiedet, die die Arbeitsbedingungen in der Branche verbessern und mehr Nachhaltigkeit im Tourismus bringen sollen.

Außerdem werden Partylokale stärker kontrolliert und bei Verstößen radikal geschlossen. Kirstges findet: "Es gibt nicht 'den' Tourismus – es gibt nur einzelne Gäste, einzelne Leistungsanbieter und einzelne Politiker, die durch ihre Entscheidungen und ihr Verhalten die Geschehnisse gestalten."

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