Am Montag hatte die UN Ocean Conference, ein Treffen von weltweit renommierten Meereswissenschaftlerinnen, Politikern, aber allem voran NGOs und Entwicklern unterschiedlicher Technologien, in Lissabon ihren Auftakt: Nach zwei Jahren Pandemie-Pause wird sie gemeinsam von der kenianischen und portugiesischen Regierung über den Zeitraum von einer Woche ausgerichtet. Vertreterinnen und Vertreter von rund 150 Staaten sind dafür zusammengekommen, denn die Zeit drängt: Ihr Ziel, weltweit lebenswerte Meere, zu erhalten, die immerhin 71 Prozent der Erdoberfläche bedecken, sei von neuen, gravierenden Krisen bedroht, wie Uhuru Kenyatta, Präsident der Republik Kenia, in seiner Eröffnungsrede betonte:
Damit versteht sich die Konferenz in diesem Jahr als ein Sammelplatz für dringend benötigte, wissenschaftsbasierte und innovative Lösungen, denen vor allem finanzielle Unterstützung zugesichert werden soll: "Wir erwarten, dass wir Lissabon mit einem klaren Verständnis der Finanzierungsoptionen und -wege verlassen. Der Ozean ist die am meisten unterschätzte Ressource unseres Planeten", sagte Präsident Kenyatta und betonte, dass die Jugend bei der Diskussion in der ersten Reihe sitzen müsse und Teil der Lösung sei.
Es brauche schnelle und vor allem nachhaltige Lösungen: Den Weltmeeren, die in Wechselbeziehung zu unseren Flüssen stehen und damit die globale Quelle für unsere Wasser- und Nahrungsversorgung sind, geht es inzwischen extrem schlecht. Schuld daran ist unser jahrzehntelanges Verhalten in Bezug auf die Meere: Durch die exzessive Vermüllung mit schwer abbaubaren Plastikabfällen, durch internationale Überfischung, die ganze Tierarten auslöscht, durch die großflächige Zerstörung unterseeischer Ökosysteme und steigende Wassertemperaturen durch den von Menschen angefeuerten Klimawandel. Und durch eine aktuell heiß diskutierte Intensivierung von Energiegewinnung, unter anderem durch umstrittenen Tiefsee-Bergbau.
Durch diese Vielzahl an Herausforderungen stirbt tierisches und pflanzliches Leben in den Meeren so schnell wie nie zuvor ab. "Ich finde es ziemlich schrecklich, dass wir mit der Zerstörung der Ozeane aktiv unser eigenes Zuhause, unser eigenes Überleben in Gefahr bringen", sagte Sylvia Earle, eine weltweit renommierte amerikanische Ozeanografin, Tiefseetaucherin und Umweltaktivistin, am Montag im Gespräch mit watson. "Auf der Erde haben wir eigentlich einen Ort, der für unser Überleben funktioniert, aber unser Einfluss ist so groß geworden, dass wir seine Ressourcen zerstören."
Mit der heutigen Technologie sei eine immer genauere Auswertung von Gebieten und Leben in der Tiefsee möglich, erklärte die Forscherin und ehemalige Taucherin gegenüber watson: "Jetzt haben wir zum ersten Mal in der Geschichte die technische Möglichkeit, das Ausmaß unserer Unwissenheit zu erkennen, vor allem aber, wie sehr wir bereits die Ozeane ausgebeutet haben." Vor diesem Hintergrund kritisierte sie insbesondere eines der Schwerpunktthemen der Konferenz: Deep Sea Mining, den Abbau fossiler Rohstoffe vom Meeresgrund.
Die aktuelle Verknappung von fossilen Rohstoffen, die durch Russlands Angriffskrieg in der Ukraine verschärft wurde, habe international eine Interessewelle am Tiefseebergbau ausgelöst, betonte auch Surangel Whipps Junior, Präsident von Palau, einem von Tiefseebergbau betroffenem Inselstaat im West-Pazifik. "Die wirtschaftliche Meeresnutzung war schon immer eine Frage der Gerechtigkeit, es ging immer um Ausbeutung", erklärte er in einer Paneldiskussion am Montagabend. "Doch der jetzt mögliche Tiefseebergbau birgt für unser Territorium extreme Risiken."
Er ergänzte:
Die gute Nachricht: "Diese Industrie können wir jetzt noch stoppen, damit sie unser Überleben nicht noch zusätzlich zum Klimawandel in existenzielle Gefahr bringt."
Am Montag gründeten die pazifischen Inseln Palau und Fidschi deshalb eine Allianz, um ein Moratorium, also eine Aufschiebung, für aufstrebende Deep Sea Mining-Industrien zu fordern – viele andere Staaten äußerten sich dazu allerdings nicht oder halten Deep Sea Mining nach wie vor für eine "durchaus passable Option", wie Marie Toussainte, Europaabgeordnete der Fraktion der Grünen scharf verurteilte: "Ich schäme mich für Frankreich, das die Möglichkeit des Tiefseebergbaus unterstützt. Wir brauchen eine lautere Stimme aus der EU, die sich vor allem an die Länder wendet, in denen die Unternehmen sitzen, die jetzt Deep Sea Mining vorantreiben."
Trotz tief verwurzelter, globaler Probleme war die Grundstimmung zum Auftakt der Meereskonferenz in Lissabon auch hoffnungsvoll. "Meine Generation und die politisch Verantwortlichen – also auch ich – wir haben zu langsam oder manchmal nicht erkannt, dass es bis jetzt in drei Dimensionen immer schlimmer wurde: Ozeane, Klima und Biodiversität", stellte UN-Generalsekretär António Guterres am Montag klar. Doch das müsse sich spätestens jetzt mit einer Generationenverantwortung ändern, "die weit über die politischen Führer hinausgeht", appellierte er an die versammelten Vertreter.
Auch Meeresforscherin Earle hat die Hoffnung auf eine Rettung der Ozeane noch nicht aufgegeben:
Auch wenn auch auf dieser UN-Konferenz lediglich erwachsene Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, NGOs und Start-Ups anwesend seien, soll dieses Mal auch die Jugend Gehör bekommen, die sich bereits in der vorherigen Woche zum UN Ocean Conference Youth and Innovation Forum getroffen hatte. "Die Jugend ist die Generation, die helfen wird, unseren Ozean und unsere Zukunft zu retten", sagte Guterres.
Forscherin Sylvia Earle dagegen ging im Gespräch mit watson noch einen Schritt weiter: "Wenn nicht ihr, dann weiß ich auch nicht, wer den Klimawandel schaffen kann – deshalb sind nicht Politiker und Führungskräfte von gestern, sondern junge Menschen heute meine Vorbilder."