Cordula Weimann setzt sich mit den Omas for Future für mehr Ressourcenschutz und Nachhaltigkeit im Alltagsleben ein. Bild: omasforfuture
Interview
Die erschreckenden Studienergebnisse des Club of Rome wurden diese Woche 50 Jahre alt. Doch wie hat sich unsere Gesellschaft seitdem entwickelt ? Watson hat dafür mit Cordula Weimann, Gründerin von "Omas for Future" gesprochen, die sich als Pendant zu Fridays for Future für mehr Umweltschutz und gegen die Klimaerwärmung einsetzen.
11.06.2022, 10:3513.06.2022, 09:24
watson: Du kämpfst mit den Omas for Future für mehr Umweltschutz und gegen die Klimaerwärmung. Was motiviert dich, das gerade im Alter von 63 Jahren zu machen?
Cordula Weimann: Mein Auslöser dafür war der Protest von Fridays for Future, endlich wurde mehr Druck auf die Politik gemacht und das von der Jugend. Solche starken Impulse gehen oft von einer jungen Generation aus, das hatte ich schon zu Zeiten der Friedensbewegung und der Atomdiskussion erlebt. Nur: Kommt ihre Message auch bei der Generation 50 plus, die mit 56 Prozent der Bevölkerung die Politiker wählen? Auch bei den Älteren gehört zu werden, darin müssen wir sie als Omas for Future unterstützen. Das tun wir, indem wir unsere Altersgruppe informieren, warum und wie wir unser Alltags-Verhalten wirklich dringend ändern müssen.
Cordula Weimann, Gründerin der Omas for Future. null / Foto: Wolfgang Schmidt
Was hat dich letztlich dazu gebracht, 2019 die Omas for Future zu gründen?
Eigentlich die einfache Frage, ob ich meinen Enkeln in die Augen schauen kann, wenn sie mich später fragen 'Sag mal Oma, was hast du eigentlich für uns und unsere Zukunft getan – damals, als du wusstest, dass unsere Zukunft gefährdet ist?' Vor drei Jahren konnte ich darauf gar nichts beantworten. Ich hätte meinen Enkeln nur sagen können, ich war zu bequem und ich wollte meinen Lebensstil nicht in Frage stellen. Und dann habe ich beschlossen: Das geht so nicht!
Es war mir auch ganz klar, dass ich sicher nicht die einzige Frau oder Oma in Deutschland sein konnte, der es so geht. Und es brauchte ja zuerst nur mal eine Person, die das organisatorisch in die Hand nimmt und eine Plattform gründet, über die wir uns vernetzen können.
Diese Woche ist es 50 Jahre her, seit die Studie vom Club of Rome 1972 auf Deutsch veröffentlicht wurde. Wie war denn das Leben damals in den Siebzigern?
Als die Erkenntnisse vom Club of Rome rauskamen, war ich gerade 13, aber habe das durchaus mitbekommen, das hat zunächst ja auch Wellen in den Medien geschlagen. Aber so wie ich 1970 aufgewachsen bin bei meinen Eltern, kann ich wirklich nur sagen, das war nachhaltig! Ich habe Kleidung meiner Geschwister getragen, Kaputtes wurde repariert, habe gelernt, wie ich selber meinen Pullover stricke oder Socken stopfe oder Obst und Gemüse anpflanze. So bin ich in den 1970ern wirklich aufgewachsen und hatte auch noch viele Freundinnen, die vom Bauernhof kamen.
Das klingt nach schöner, heiler Welt...
1970 war tatsächlich die Welt noch um einiges nachhaltiger als heute. Vor allem das Verhalten von vielen war damals noch anders: Statt wie es heute üblich ist, mal eben übers Wochenende nach Rom oder mal für drei Tage nach Malle zu reisen, bin ich mit meinen Eltern nie in Urlaube geflogen, das war zu teuer. In meiner Kindheit fuhr man einmal im Jahr in den Urlaub für drei Wochen in den Sommerferien oder ansonsten zu Verwandten oder Bekannten. Trotzdem kam es damals aber auch schon zu den ersten Pestizid-Skandalen, die für die Natur verhängnisvoll waren und natürlich hatten wir damals auch schon eine CO2-Erderwärmung. Die Zeit nach den Siebziger wurde dann zum immer mehr zur technologischen Wende: in vielen Lebensbereichen – von der Landwirtschaft über Essensproduktion und Energiegewinnung – wurde mehr und mehr Technologien zur Gewinnmaximierung eingesetzt.
Bedeutet, nach der Veröffentlichung vom Club of Rome-Bericht wurde das gefördert, wovor der Bericht gewarnt hatte?
Schon. Denn die Politik hätte statt Wirtschaftssteigerung auch andere Entscheidungen treffen können, wie harte Gifte zu verbieten und Forschungen zu erneuerbaren Energien voranzutreiben; das steckte 1970 wirklich noch in den Kinderschuhen. Damals wären wir noch nicht in der Lage gewesen, Energieneutral zu leben, aber seit 2014 sind wir technisch in der Lage CO2 neutral zu leben – wir müssten es nur konsequent wollen. Seit 2010 wurde das EEG-Gesetz aktiv von der Politik behindert, es verschwanden viele Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbaren, um die Kohle zu schützen. Das ist echt skandalös gewesen.
Die Omas for Future setzen sich für mehr Umwelt- und Ressourcenschutz ein – und sprechen damit vor allem die Generation 50 plus an. null / Foto: Wolfgang Schmidt
Wie genau konnte das so falsch laufen?
In dieser Zeit wurden viele Produkte zu billig: zum einen weil viele kleine Bauernhöfe untergingen und Großbetriebe den Markt übernahmen. Gleichzeitig kam es zur Globalisierung, viele Unternehmen schlossen über den Verlauf der letzten Jahrzehnte ihre Geschäfte hier und verlegten ihre Produktion nach Nordafrika und Asien, wegen niedriger Löhne und fehlenden Umweltauflagen. Dadurch bekam man ein T-Shirt jetzt für 10 statt 40 Euro. Das hat dieses Denken von "Geiz ist geil!" oder "Gönn dir alles und was du nicht brauchst, schmeißt du weg" komplett verstärkt, und war Start für unsere aktuelle Wegwerfgesellschaft mit vor allem Plastikverpackungen. Das ist, woran ich Menschen aus meiner Generation immer versuche zu erinnern: Waren wir denn unglücklich in unserer Kindheit? Denn das, was heute Nachhaltigkeit heißt, war bei uns damals sparsam Haushalten – und dass das nicht schlimm war, daran müssen wir uns nur erinnern.
Wäre das nicht erinnern an eine "ärmere" Zeit?
Nein, damit haben wir Alten einen riesigen Vorteil gegenüber der Jugend, denn wir wissen, dass uns nichts wirklich gefehlt hat. Im Gegenteil: Wir hatten damals eine viel größere Wertschätzung gegenüber dem einzelnen Produkt. Heutzutage verschlingen wir alle möglichen Sachen, wir konsumieren immer mehr, werden aber nicht glücklich dabei, weil wir dem Einzelnen keinen Wert beimessen. Und darüber informieren die Omas.
Um über die Folgen des Klimawandels zu informieren, geht ihr oft in Kindergärten, Schulen aber auch Altenheime, wo ihr versucht, das große Thema Klimakrise leicht und kreativ zu vermitteln. Wenn du darüber dann mit Eltern und Großeltern ins Gespräch kommst, worüber redest du mit ihnen?
Vor allem über die konkreten Auswirkungen unseres eigenen Handelns: zum Beispiel dass die Haltung einer einzelnen Kuh so viel Wasser wie 111 Menschen im Jahr verbraucht, das dann im Grundwasser fehlt. Und dass unser Fleisch- und Zuckerkonsum für 80 Prozent der heutigen Krankheiten mitverantwortlich ist, dann sind die meisten geschockt.
Illegaler Bergbau in Peru verseucht Böden und Gewässer mit Quecksilber. Tausende Hektar Wald werden zerstört.Bild: Umweltministerium Peru / Ruben Grandez
Unser Ziel ist, dass alle verstehen dass es nicht um Verzicht, sondern dass es um mehr Wertschätzung für jedes einzelne Produkte geht. Das ändert unser Konsumverhalten und wir werden auch glücklicher - darum gehts.
Ihr wendet euch gezielt an eine Zielgruppe 50 Plus, warum?
Wir wissen, dass wir die Sprache oder auch die Kanäle der 30- bis 40-Jährigen nicht mit unseren Kompetenzen erreichen können. Daher wenden wir uns auf unsere Weise an die Generation 50 plus, die die meisten Wähler stellen und auch am meisten CO2 verursachen.
Genauso wie die Jungen viel Kritik üben, wirft die Babyboomer-Generation den Jüngeren oft vor, dass sie es nicht wertschätzten, was vor ihnen aufgebaut wurde – und verwenden das oft als Rechtfertigung für ihren jetzigen Lebensstil. Woran liegt das?
Das liegt vor allem daran, dass meine Generation über die Werbung manipuliert wurden, die Politik hat da auch mitgemacht. Uns wurde vermittelt, dass wir uns mehr leisten können und sollen, dass wir konsumieren sollen, dass es jedes Jahr mehr Wachstum braucht im Bruttosozialprodukt. Wir haben dafür Überstunden gemacht. Wir haben dafür wirklich gekeult und haben teilweise unsere Gesundheit eingesetzt, um mehr zu schaffen, mehr zu leisten und noch mehr aufzubauen.
Also alles im Sinne "Du musst viel verdienen, um ein gutes Leben führen zu können?"
Uns wurde eingetrichtert, dass nicht die Beziehung zu Menschen oder zu Natur glücklich macht – sondern Konsum. Wir sind dem gefolgt, was Politik und Wirtschaft 40 Jahre lang von uns wollten. Und jetzt auf einmal beziehen wir dafür Kritik und Vorwürfe. Natürlich hat die Wissenschaft damals schon gewarnt, nur ist diese Info lange nicht zum normalen Bürger durchgedrungen. Denn Fakt ist, dass Wirtschaft und Politik es gar nicht anders wollten.
Über Risiken und Nebenwirkungen unseres Konsum- und Lebensstils wurden wir nicht aufgeklärt - und werden es auch heute noch nicht. Noch immer koppelt Werbung Bedürfnisse wie Freude, Zugehörigkeit, Liebe an Produkte, die wir dafür gar nicht brauchen.
Welche Schlüsse ziehst du daraus?
Deshalb mache ich auch nicht einer bestimmten Generation Vorwürfe, sondern den Regierungen der letzten 50 Jahre. Die hatten die Studien, haben aber statt zu warnen und zu handeln, andere Schwerpunkte gesetzt, wie eine starke Wirtschaft zu verfolgen. Deshalb fällt es mir auch schwer zu vertrauen, wenn die Politik jetzt verkünden, sie wollten die Pariser Klimaziele einhalten.
Mehr Geld gleich glückliches Leben? Das geht nicht ganz auf, wenn man die ökologischen Folgen beachtet.Bild: Daniel Kubirski / Daniel Kubirski
Was bereitet Dir auch für die Zukunft deiner Enkelkinder Sorgen?
Wir opfern immer noch unsere Erde und damit die Zukunft unserer Kinder für Geld, das uns nicht glücklich macht. Damit verlieren wir für immer diese wunderschöne Natur und unsere Sorglosigkeit, weil die Katastrophen zunehmen und wir wissen seit Corona, wie sensibel eine Gesellschaft darauf reagiert. Wie polarisiert die Gesellschaft durch Angst wird und dass diese noch zunimmt. Das Schlimmste sind nicht die Umweltkatastrophen, die kommen, sondern die Tatsache, wie unsere Gesellschaft mit Krisen umgeht. Das hat uns Corona gut gezeigt. Vielleicht kriegen wir die Erderwärmung noch in den Griff – aber ich fürchte mich mehr vor den Konflikten, die sich in Familien, in Freundschaften, im Zwischenmenschlichen aufgetan haben und die noch kommen werden.
Wie kann jeder von uns diese Entwicklung zumindest etwas abmildern? Habt ihr bei den Omas for Future noch einen Ratschlag?
Es ist wichtig zu verstehen, dass jeder einen Grund für sein Verhalten hat. Deshalb erstmal zuhören und nicht dem anderem vorwerfen, 'Du machst das verkehrt'. Sondern eine Ich-Botschaft senden, von mir und den eigenen Sorgen und Ängsten sprechen: Ich habe Angst um die Zukunft meiner Kinder und darum habe ich mein Leben wie folgt verändert. Dann kann das Gegenüber zuhören und zu verstehen beginnen. Das ist ein erster wichtiger Schritt.