Selbst steuernde Traktoren, Feldanalyse per Drohne und Düngerverteilung mithilfe von KI: So soll digitale Landwirtschaft in Deutschland funktionieren. Zumindest, wenn man die neuesten Entwicklungen in der Branche betrachtet, die in den vergangenen Tagen in Berlin auf der "Grünen Woche" – der weltgrößten Messe für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau – vorgestellt wurden.
Das Versprechen: Mit digital vernetzten Agrarmaschinen und Messgeräten soll alles kontrollierbarer und letztlich effizienter werden. Damit reagieren Hersteller aus Agrar- und Techindustrie auf den immer größer werdenden Druck, der auf Landwirt:innen im Wettbewerb mit internationalen Farmen lastet.
Watson hat vor Ort mit mehreren Expert:innen gesprochen und sie zu ihrer Zukunftsaussicht für eine Landwirtschaft 4.0 befragt.
"Wir müssen die Landwirtschaft klimagerecht machen, wir müssen die Welternährung sichern, dabei die Biodiversität stärker berücksichtigen und brauchen aber natürlich auch ein einigermaßen ordentliches Einkommen für diejenigen, die die Arbeit machen", fasst Wolfgang Reimer, Vorsitzender der Agrarsozialen Gesellschaft (ASG), die aktuelle Lage für deutsche Landwirt:innen zusammen. "Diese Ziele widersprechen sich aber zum Teil."
Wer zu schlecht, zu teuer oder zu wenig liefert, sei inzwischen als landwirtschaftlicher Zulieferbetrieb schnell raus. Zumindest aus Sicht großer Supermarktketten und Discounter. Um noch mithalten zu können, liegt die Hoffnung daher in digitalisierten Lösungen. Doch das könnte andere Nachteile mit sich bringen, so Reimer. Denn der Fokus liege da nicht auf der Biodiversität:
Aber steckt in digitalen Lösungen noch verborgenes Potenzial für den Arten- und Klimaschutz?
Peter Rörig, Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, glaubt, es komme dabei immer darauf an, für welches Ziel die Technik eingesetzt würde, wie er erklärt:
Konventionelle Landwirtschaft ist ihm zufolge maßgeblich schuld daran, dass es weiterhin zu einem hohen Verlust der Artenvielfalt kommt. Sowohl auf Feldern an Land, sowie in den Meeren. Denn auch dort würden hohe Stickstoffeinträge dazu führen, dass das Wasser versauert und Nahrungsgrundlagen für Fische verloren gehen. Sodass viele Arten auch hier aussterben.
"Von daher brauchen auch neu aufkommende digitale Lösungen einen Rahmen, der tatsächlich eine schonende Bewirtschaftung ermöglicht und nicht noch stärker in die Intensivierung hineingeht und dort mehr Schäden anrichtet", ordnet Rörig ein.
Wie ein Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft ermitteln konnte, verursacht die Landwirtschaft in Deutschland 90 Milliarden Euro Schaden – jedes Jahr. "Die zahlen wir alle am Ende selber", sagt Rörig. Das wären beispielsweise höhere Wasser-Gebühren, weil das Grundwasser zunehmend dreckiger durch nitrathaltigen Dünger wird.
Auch würden Schäden entstehen, wenn Böden durch den ständigen Anbau von Monokulturen ausgelaugt sind, spröde werden und bei Regenfällen Hangrutsche begünstigen. Was letztlich wieder auf jeden Steuerzahlenden zurückfallen würde.
Um das zu verhindern, könnten digitale Lösungen, die sich extra auf Umweltschutz spezialisiert hätten, doch noch positiv weiterhelfen.
Zum Beispiel beim Unkrautmanagement auf Ackerflächen mithilfe von Künstlicher Intelligenz, erklärt Entwicklerin Mona Schatke auf der "Grünen Woche".
Sie hat zusammen mit ihrem Team vom Julius-Kühn-Institut eine Künstliche Intelligenz entwickelt, die den Einsatz von Pestiziden verringern soll. Dank digitalem Mapping des Feldes durch Drohnenaufnahmen soll ihre KI mithilfe von Drohnenbildern die Bedürfnisse des Feldes besser erkennen können und böses von gutem Unkraut unterscheiden können.
Statt großflächig Wasser oder Pestizide in die Landschaft zu sprühen, könnten dann nur die betreffenden Stellen punktuell mit Herbizid bespritzt werden.
Im Gespräch mit watson erklärt sie:
Eine gute Idee. Doch damit die KI nicht automatisch auch Insekten auf dem Feld beseitigt, die wichtig für die Biodiversität wären, müsste auch ihr System noch weiterentwickelt werden. "Damit sich die KI darauf trainieren kann, dass sie auch Insekten und andere Tiere erkennt, bräuchten wir eine noch größere Bilddatenmenge", wendet Schatke ein. Das könnte zukünftig durch ein OpenSource Programm möglich werden.
Aber noch ist weder die Forschung noch die Landwirtschaft für einer Kooperation bereit. Denn: Mit der Informationsfülle aus OpenSource könnten alle – und nicht nur einzelne Agrarunternehmen finanziell – proftieren.
Aber wenn es dann so weit ist, werden besonders die größeren Vollerwerbs-Landwirte die Gewinner dieser digitalen Entwicklung sein, da ist sich Wolfgang Riemer sicher.
Denn oftmals sind die neuen Techniken nicht mit der alten Ausstattung eines Bauernhofs kompatibel und damit die Digitalisierung eines ganzen Hofs schlichtweg zu teuer. Ein Vorteil für bereits große Höfe, wie er bewertet. "Doch für die meisten kleineren Landwirt:innen blieben die technischen Neuerungen damit 'Zukunftsmusik'."