Nachhaltigkeit
Analyse

Insekten essen: Wie nachhaltig ist das für die Umwelt?

YANTAI, CHINA - OCTOBER 4, 2022 - Fried silkworm pupae are seen at a restaurant in Yantai, Shandong province, China, on Oct 4, 2022. (Photo credit should read CFOTO/Future Publishing via Getty Images)
Geröstete Maden und Wespen statt Chips? In der Lebensmittelindustrie gelten Insekten als vielversprechende Innovation.Bild: Future Publishing / Future Publishing
Analyse

Insekten als Essen der Zukunft: Wie nachhaltig ist das wirklich?

25.01.2023, 19:16
Mehr «Nachhaltigkeit»

Hausgrillen, Larven des Getreideschimmelkäfers oder Buffalowürmer: Ab Ende Januar können bis zu zehn Prozent an Insektenpulver in Kekse, Cracker, Pizza, Porridge und vieles mehr beigemengt werden. Wie genau die Insektenbestandteile in den Nahrungsmitteln gekennzeichnet werden müssen, hat die EU noch nicht festgelegt – derzeit gelten noch Übergangsregelungen.

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Insekten in Pulverform können künftig in Nudeln, Pizza und anderen Backwaren enthalten sein. Bild: dpa / Visarut Sankham

Heißt: Es muss nicht ausdrücklich auf der Verpackung stehen, dass Insektenpulver enthalten ist. Lediglich die Insektenart muss in der Zutatenliste aufgeführt werden.

Aber wie sinnvoll ist es, Insekten, die als vielversprechende Innovation im Lebensmittelsektor gelten, in den Speiseplan zu integrieren? Und wie nachhaltig ist das, wenn fortan Insektenpulver in Sandwiches, Pizza und Backmischungen enthalten ist? Watson hat bei Expert:innen nachgehakt.

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Insekten in der Nahrung: Was bedeutet das für die Biodiversität?

"Wenn wir mehr Insekten und weniger andere tierische Produkte wie Schweinefleisch, Hühnerfleisch oder vor allem Rindfleisch essen, brauchen wir viel weniger Flächen für den Anbau der Nahrung dieser Tiere", sagt Jürgen Gross, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie (DGaaE) gegenüber watson. Dadurch könnten mehr Wildflächen erhalten werden, was sich positiv auf die Biodiversität auswirkt. Er ergänzt:

"Die Zulassung der Insekten trägt in keinster Weise zum Artensterben bei, ganz im Gegenteil. Es werden ja keine Insekten aus dem Freiland gefangen, sondern es werden ganz bestimmte Arten gezüchtet."

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat Zahlen veröffentlicht, die das bekräftigen, wie Gross erläutert: "Um ein Kilo Rindfleisch zu produzieren, muss ich die 25-fache Menge an pflanzlichem Futter verfüttern. Für Schweinefleisch die neunfache Menge, für Hühnerfleisch die vierfache Menge und bei Insekten nur die zweifache Menge."

"Tatsächlich sind Insekten aber eine sehr gute Nahrungsquelle, weil sie viel Omega-3 und Omega-6 enthalten."
Entomologe Jürgen Gross

Dazu komme noch der bei der Viehzucht exorbitante Wasserverbrauch, der bei der Insektenaufzucht weitaus geringer ausfalle. "Das wird ja auch ein immer wichtigerer Punkt."

Für ein Kilo Schweinefleisch wird die neunfache Menge an Futter benötigt, noch schlimmer ist es bei Rindern.
Für ein Kilo Schweinefleisch wird die neunfache Menge an Futter benötigt, noch schlimmer ist es bei Rindern. bild: pexels

Gegen eine vegane Ernährung würde dennoch nichts sprechen. Insbesondere dann nicht, wenn die essenziellen Fettsäuren zum Beispiel durch Hülsenfrüchte gedeckt würden. "Tatsächlich sind Insekten aber eine sehr gute Nahrungsquelle, weil sie viel Omega-3 und Omega-6 enthalten", betont der Experte.

Insekten helfen wachsende Zahl an Menschen zu ernähren

Damit sich Insekten als Nahrung für Menschen anbieten, müssen dem Entomologen zufolge aber eine ganze Reihe an Bedingungen erfüllt sein. So müssten sie etwa die richtige Zusammensetzung an Vitaminen, Mineralstoffen und Fettsäuren haben.

"Und wichtig ist natürlich auch, dass man sie gut züchten kann. Es gibt zum Beispiel Arten, die man wunderbar mit Nahrungsabfällen füttern kann, was natürlich doppelt gut ist, wenn sie nicht im Abfall landen, sondern als Tierfutter herhalten können."

"Ganz generell bin ich ein sehr großer Freund der Insektenzucht."
Entomologe Jürgen Gross

Nicht ohne Grund würden in vielen Kulturen Insekten gegessen. Rund 4000 verschiedene Arten stehen Gross zufolge weltweit auf dem Speiseplan. "Ganz generell bin ich ein sehr großer Freund der Insektenzucht", betont er und ergänzt:

"Wir haben eine große Anzahl an Menschen auf diesem Planeten zu ernähren. Und wenn es schon tierische Produkte sein müssen, dann sind Insekten auf jeden Fall die beste Wahl."

Verzehr von Insekten fällt in verarbeiteter Form vielen leichter

Dass es in Deutschland noch immer große Berührungsangst mit Insekten als Nahrungsquelle gebe, habe auch damit zu tun, wie man an das Thema herangeführt werde. "Das Essen von Insekten ist überhaupt nicht eklig. Ich koche auch zu Hause mit Insekten, meine zehnjährigen Zwillinge essen Insekten sehr gern – die haben überhaupt keine Berührungsangst."

"Das Essen von Insekten ist überhaupt nicht eklig."
Entomologe Jürgen Gross

Gross glaubt – und hofft – dass sich die Berührungsangst der Menschen gegenüber Insekten als Nahrungsmittel mit der Zeit legt. "Es gibt ja mittlerweile auch Insekten in Form von Proteinpulver, damit kann man wunderbar Kuchen und Brot backen. Das fällt dann natürlich auch leichter, als wenn man ganze Mehlwürmer isst", sagt der Experte.

Wie Insektenzucht mit dem Tierschutz vereinbar ist

Gezüchtet werden die von der EU zugelassenen Insekten in Zuchtanlagen, die riesigen flachen Schubladen mit Luftlöchern gleichen. Werden die Insekten in Pulverform als Lebensmittel vertrieben, benötigen die Unternehmen eine entsprechende Zulassung. Darin sind auch Bedingungen für die Zucht sowie die Weiterverarbeitung der Insekten festgelegt.

Insekten sind Lebewesen, wodurch sich bei ihrer Zulassung als Nahrungsmittel sogleich Fragen zur artgerechten Haltung, geeignetem Futter und ihrer Tötung stellen. Haltungsvorschriften darüber, wie viel Platz welchen Insekten zusteht, gibt es in Deutschland bislang noch nicht. Auch zum Einsatz von Arzneimitteln wie Antibiotika oder Fungiziden sowie einer möglichst schonenden Tötung sind noch Fragen offen, wie die Verbraucherzentrale schreibt.

In der EU-Verordnung wird in Punkt der Tötung aktuell von "Gefrieren, Waschen, Hitzebehandlung, Trocknung, Ölextraktion (mechanische Extrusion) und Mahlen" gesprochen.

"Wir wiederholen gerade – so unsere Befürchtung – alle Fehler, die wir in der Massentierhaltung gemacht haben."
Claudia Lotz, Sprecherin vom Bundesverband Tierschutz

"Bioland hat Ende 2022 eine Insektenlobby gegründet", erklärt Claudia Lotz, Sprecherin vom Bundesverband Tierschutz auf Anfrage von watson. Sie ergänzt:

"Auch wenn es in erster Linie darum geht, die Menschen für das besorgniserregende Insektensterben zu sensibilisieren und die Gründe wie etwa die Zerstörung der Lebensräume oder den Einsatz von Stickstoffdüngern zu thematisieren, wird sich die Insektenlobby sicher auch für die gezüchteten Insekten als Lebensmittel interessieren. Muss sie sogar, denn es gibt keine Haltungsvorschriften für Insekten mit allen sich daraus entwickelnden Problemen."

Der Bundesverband Tierschutz werde die Entwicklungen daher im Auge behalten. "Wird die Zucht von essbaren Insekten vorangetrieben, müssen klare gesetzliche Vorgaben her."

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Was spüren Insekten wirklich? Die Forschung kann das noch nicht klar beantworten. Bild: dpa / Visarut Sankham

Insekten statt Rinder? Keine Lösung gegen die Erderhitzung

Zwar wisse man über die meisten Insektenarten sehr wenig, als dass klar gesagt werden könne, ob sie Schmerzen, Unwohlsein oder Stress empfinden könnten. Aber: "Wir wiederholen gerade – so unsere Befürchtung – alle Fehler, die wir in der Massentierhaltung gemacht haben", sagt Lotz. Wieder würden Tiere eingepfercht – "und wir beruhigen uns mit dem Hinweis, dass sie keine Ansprüche an ihre Haltung, an das Futter stellen, kaum Wasser brauchen und von ihrem qualvollen Tod nichts spüren. Doch stimmt das?"

Laut Lotz gebe es erste Erkenntnisse über kognitive Fähigkeiten von Insekten. Dem Bundesverband Tierschutz genügt das, um sich gegen die Zulassung von Insekten als Nahrungsmittel auszusprechen. Sie ergänzt:

"Eine pflanzenbasierte Kost ist die Antwort auf die Probleme, die junge Klimaaktivistinnen und -aktivisten heute auf die Straße treibt. Die Massentierhaltung hat sich – abgesehen von ihrem horrenden Leid für die Tiere – als Sackgasse erwiesen. Treibhaus-Emissionen, Einsatz von Düngern und Pflanzenschutzmitteln, steigender Wasser- und Flächenbedarf, Verlust von Biodiversität – wir brauchen dringend eine Umstellung unserer Ernährung."

Von Rindern, Schweinen und Hühnern auf Insekten umzusteigen, sei keine Lösung um der Erderwärmung entgegenzuwirken.

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