Es ist das Ende einer Ära. Am 15. April 2023 sollen die letzten in Deutschland betriebenen Atomkraftwerke abgeschaltet werden.
Aktuell sind in Deutschland noch drei AKWs am Netz:
Dieser letzte Schritt ist das Ergebnis von jahrzehntelangen Verhandlungen und Streitigkeiten zwischen deutschen Atom-Befürwortenden und -Gegner:innen.
Doch welche merkbaren Veränderungen bringt die Abschaltung der Atomkraftwerke für uns mit sich? Droht uns bald ein Blackout? Und wird der Strompreis wieder steigen? Wir beantworten euch die wichtigsten Fragen.
Bei dieser Frage gehen die Einschätzungen stark auseinander. Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, hat vor Engpässen bei der Energieversorgung gewarnt. Auch die Unionsparteien und die Liberalen wollen die Atommeiler noch länger laufen lassen, zumindest für einen Reservebetrieb. Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP, forderte kürzlich im WDR5-"Morgenecho": "Erst die Kohle vom Netz, dann die Kernkraftwerke."
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck aber gibt Entwarnung. In einem Interview mit der Funke-Mediengruppe erklärte er: "Die Energieversorgungssicherheit in Deutschland wurde in diesem schwierigen Winter gewährleistet und wird auch weiter gewährleistet sein."
Die Lage sei durch die hohen Füllstände in den Gasspeichern, die neuen Flüssiggasterminals an den norddeutschen Küsten sowie durch mehr Wind- und Solarenergie gut. Habeck prognostizierte zudem einen Anteil von 80 Prozent erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2030.
Eine Ära geht zu Ende. Doch eines bleibt trotz Abschaltung der Atomkraftwerke: tausende Tonnen an radioaktivem Müll. Das Problem: Eine schnelle Lösung für die Entsorgung dieses Mülls gibt es nicht. Seit 1960 das erste kommerzielle Atomkraftwerk in Deutschland in Betrieb ging, kreist man um die immergleiche Frage: Wohin mit dem strahlenden Müll?
Denn ganz so einfach ist das mit der Abschaltung der AKWs nicht. Zwar findet ab Sonntag keine Kernspaltung mehr für die Stromerzeugung statt, aber die Brennstäbe glühen noch eine ganze Weile lang weiter – und sondern noch über Tausende von Jahren radioaktive Strahlung ab.
Und das bringt für die Umwelt und uns Menschen gesundheitliche Gefahren mit sich. Laut dem Bundesamt für Strahlenschutz kann eine hohe Strahlendosis den menschlichen Organismus schädigen und zu Krankheiten führen. Auch Jahre bis Jahrzehnte später können noch sogenannte stochastische Strahleneffekte auftreten, die häufig Krebserkrankungen zur Folge haben können. Wie problematisch diese Folgeschäden sind, hat man durch die Unfälle von Tschernobyl und Fukushima beobachten können.
Deshalb müssen die Reaktoren auch nach der Abschaltung der AKWs zunächst weiter gekühlt werden. Einige Tage danach werden die Brennelemente aus den Reaktoren in wassergefüllte Lagerbecken gebracht, wo sie dann für etwa fünf Jahre zwischengelagert werden.
Anschließend werden die Stäbe von Spezialist:innen in sogenannten Castorbehältern verstaut. Diese sind extrem stabil und lassen nur eine sehr geringe Strahlung hindurch, weswegen sie dann in eines der 16 Zwischenlager in Deutschland transportiert werden können.
Das Problem: Bis heute ist unklar, wo die hoch radioaktiven, verbrauchten Brennelemente endgelagert werden soll. Die Suche ist schwierig – und schon einmal gescheitert.
Für die Versorgungssicherheit unseres Landes ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) von Robert Habeck (Grüne) zuständig. Um herauszufinden, ob Deutschland im Winter Stromausfälle drohen könnten, hat das Ministerium zwei Sonderanalysen, auch Stresstests genannt, durchführen lassen.
Das Ergebnis, selbst bei den kritischeren Szenarien: Zwar können Stromausfälle im Winter nicht gänzlich ausgeschlossen werden, aber ein Blackout ist doch eher unwahrscheinlich. Laut einem Bericht des Branchendienstes "Energate" erklärte ein Manager des größten Übertragungsnetzbetreibers Tennet im November:
Und: Durch die EU ist Deutschland zusätzlich abgesichert. Hat ein Land zu wenig Strom, hilft ein anderes aus. Damit es zu einem Totalausfall kommt, müssten also gleichzeitig zahlreiche Probleme in Europa auftreten.
"Die Strompreise werden durch den Wegfall der drei Atomkraftwerke nur wenig beeinflusst", stellt Bruno Burger, Wissenschaftler im Bereich Leistungselektronik, Netze und Systeme am Fraunhofer-Institut, im Gespräch mit watson klar. "Die AKWs produzieren ja nicht viel Strom. Letzte Woche (Anmerk. d. Red. KW 12) waren es fünf Prozent der öffentlichen Nettostromerzeugung", erklärt er.
Angaben darüber, wie viel des deutschen Nettostroms von Atomkraftwerken erzeugt wird, bezieht Burger aus den transparent zugänglichen Energy-Charts, die die öffentliche Nettostromerzeugung in Deutschland wöchentlich festhalten.
Doch auch bei dieser Frage scheiden sich die Gemüter: "Gas und erneuerbare Energien sind in der Energiegewinnung deutlich teurer als durch die bestehenden Kraftwerke", erklärte hingegen Walter Tromm vom Karlsruher Institut für Technik (KIT) gegenüber der "Bild". Durch den Ersatz des Atomstroms mit anderen Stromarten könnte der Energiepreis doch noch steigen. Dies würde sowohl die Wirtschaft als auch die Verbraucher:innen belasten.
Im Jahr 2022 haben die drei noch laufenden Atommeiler insgesamt 6,4 Prozent des in Deutschland erzeugten und ins Netz eingespeisten Stroms ausgemacht. Der wichtigste Energieträger war laut dem Statistischen Bundesamt auch im Jahr 2022 nach wie vor die Kohle.
Im Wesentlichen setzt sich der Strompreis aus folgenden drei Bereichen zusammen:
Nach Angaben der Stromauskunft tragen die Sektoren wie folgt zur Zusammensetzung des Strompreises bei:
Die konkrete Gestaltung des Strompreises für Endkunden, also private Haushalte und Unternehmen, liegt laut Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aber letztlich in der Verantwortung des jeweiligen Stromversorgungsunternehmens.
Dieses setzt den Strompreis eigenständig fest. Der Endkunde hat dann die Wahlfreiheit, sich für einen Stromanbieter zu entscheiden.