Nie wieder Sonnenuntergänge bewundern? Mit Geoengineering-Maßnahmen könnte mithilfe eines riesigen Sonnenschirms eine Sonnenfinsternis imitiert werden. Bild: LightRocket / SOPA Images
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Dass die Erderhitzung in schnellen Schritten weiter in Richtung unumkehrbare Katastrophe läuft, führt zu fantasievollen Ideen. Sie alle haben eines gemeinsam: Die Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Erde herunterzukühlen – auf unterschiedliche Art und Weise.
Die Erde heizt sich immer weiter auf – und stößt so weltweit Katastrophen an. Bild: AFP / RICARDO ARDUENGO
Hierbei handelt es sich allerdings nicht um reguläre Klimaschutzmaßnahmen, die dazu beitragen, CO2-Emissionen aus der Atmosphäre zu holen. Stattdessen soll die Erde mithilfe von technischen Tools direkt heruntergekühlt werden – und die Klimakrise so indirekt gestoppt werden. Dabei spricht man vom sogenannten Geoengineering.
Das Problem: Die Methoden halten weder den CO2-Ausstoß auf, noch reduzieren sie ihn. Dazu kommt noch, dass sie schnell als Ausrede für weniger Klimaschutzmaßnahmen genutzt werden. Mit verheerenden Folgen.
Was für kuriose Klimaschutzmaßnahmen im Gespräch sind – und warum wir lieber die Finger davon lassen sollten, hat watson zusammengefasst.
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Solar-Geoengineering: Sonne abdunkeln, Erde abkühlen
Klingt eigentlich nach einer ziemlich guten Idee: Weil wir es (aus politischen und Lobby-Gründen) nicht hinbekommen, die Erderhitzung in den Griff zu bekommen und die globalen CO2-Emissionen zu verringern, hat die US-Regierung kürzlich einen vom Kongress eingeforderten Forschungsplan vorgelegt, der die Möglichkeiten von Solar Geoengineering prüfen soll.
Dabei wird die Sonneneinstrahlung auf künstliche Weise reduziert – und die Erde so abgekühlt. In den letzten Jahren wurde das Solar-Engineering immer wieder als Mittel im Kampf gegen die Erderhitzung ins Spiel gebracht. Vier Ansätze sind besonders populär:
- Schwefelpartikel in die Atmosphäre schießen: Für diesen Ansatz wird quasi ein Vulkanausbruch simuliert. Winzige Schwefelpartikel in der Stratosphäre sollen, wie die Asche bei Vulkanausbrüchen, einen Teil des Sonnenlichts reflektieren und die Erde so abkühlen. Als 1991 der Vulkan Pinatubo auf den Philippinen ausgebrochen ist, kühlte die Oberfläche der Erde über ein Jahr etwa um 0,5 Grad ab – der Vorfall zeigt, dass eine Abkühlung der Erde funktionieren könnte.
- Erdoberfläche aufhellen: Auch hier wird ein natürliches Phänomen kopiert. Denn je heller die Erdoberfläche ist, umso mehr Sonnenlicht wird zurück in den Weltraum reflektiert. Das Ergebnis: Die Erde heizt sich nicht so stark auf. Deswegen wird durch die schmelzenden Gletscher und Arktis auch ein Teufelskreis in Gang gesetzt. Je mehr Eis schmilzt, umso mehr dunkle Wasseroberfläche wird freigelegt, die sich wiederum schneller aufheizt und so dafür sorgt, dass das restliche Eis noch schneller schmilzt. Für diese Methode sollen etwa Häuserdächer in weißen Farben gestrichen werden. Aufwändiger wäre es, etwa das arktische Meereis wieder künstlich herzustellen.
- Wolken aufhellen: Forschende der University of Washington setzen auf das Verfahren der Meereswolken-Aufhellung. Denn Wolken tragen dazu bei, die Erde abzukühlen. Doch damit sich genügend Wolken bilden können, braucht es ausreichend Kondensationskeime oder Luftfeuchtigkeit. Und je mehr Aerosole zur Verfügung stehen, umso kleinere Tröpfchen entstehen. Die Folge: Die Wolken werden heller und größer – und reflektieren, wie auch das Meereis, mehr Sonnenlicht. Damit mehr Wolken entstehen, wollen die Forschenden mithilfe einer Flotte spezieller Schiffe Billionen von Tröpfchen pro Sekunde in die Luft sprühen.
- Weltraum-Sonnenschirm: Auch bei diesem Ansatz geht es darum, die Sonne davon abzuhalten, ständig auf die Erde zu strahlen und diese so aufzuheizen. Mithilfe großer oder mehrerer kleiner Sonnenschirme, die zwischen Erde und Sonne platziert werden, soll quasi eine permanente Sonnenfinsternis imitiert werden.
Neben dem Solar-Engineering gibt es noch einen weiteren Ansatz des Geoengineerings:
- Kohlendioxid aus der Luft entnehmen: Dieser Ansatz basiert auf verschiedenen Methoden, das von uns ausgestoßene CO2 aus der Luft zu filtern und zu speichern. Dabei wird nochmals zwischen technischen und naturnahen Methoden unterschieden. Laut dem IPCC-Weltklimabericht können wir die Pariser Klimaziele oder diese "negativen Emissionen" überhaupt nicht mehr erreichen.
Auf Island steht die weltweit größte Anlage zur CO2-Speicherung.Bild: AFP / HALLDOR KOLBEINS
Dass in den USA nun ein Bericht zu Geoengineering-Maßnahmen vorliegt, könnte dazu führen, dass schon bald mehr Gelder in die Erforschung von Risiken und Vorteilen fließen.
Heißt das, dass die USA bald im Alleingang einfach die Sonne von der Erde abschirmen können? Nein, soweit sind wir noch nicht. Zunächst einmal geht es um die konkrete Erforschung der Methoden und die Frage, was schlimmer ist: Methoden zur Verdunkelung der Sonne einzusetzen, oder die katastrophalen Folgen der Klimakrise hinzunehmen?
Mit Geoengineering retten, was nicht zu retten wäre?
Tatsächlich würde es einige Erleichterungen mit sich bringen, auf Geoengineering-Maßnahmen zurückzugreifen. Denn selbst, wenn wir es schaffen, die gesellschaftlichen Vorstellungen so zu verändern, dass wir die Klimaziele erreichen und kaum noch Emissionen ausstoßen, wird es Bereiche geben, in denen der CO2-Ausstoß unvermeidbar ist, wie beispielsweise die Landwirtschaft.
In seinem letzten IPCC-Bericht ist der Weltklimarat zudem zu dem Schluss gekommen, dass wir die Klimaziele ohne negative Emissionen nicht mehr erreichen werden. Allerdings ziehen die Wissenschaftler:innen den Einsatz von Methoden zur CO2-Entnahme denen der Solar-Geoengineering-Maßnahmen vor. Der Grund: Sie sind weitaus weniger risikoreich.
Mithilfe von Carbon Capture Storage (CCS) kann CO2 aus der Luft gefiltert und in poröses Gestein gepresst werden.Bild: AFP / HALLDOR KOLBEINS
Wichtig wäre zudem, dass internationale Gesetze eingeführt werden, damit sichergestellt wird, dass die CO2-Entnahme nicht missbraucht wird, um weiter Emissionen in die Atmosphäre zu schießen. Stattdessen soll die Entnahme des Kohlendioxids aus der Luft lediglich als Ergänzung dienen.
Risiken und Nebenwirkungen von Geoengineering
Künstliche Wolkenerzeugung oder Sonnenschirme hoch über der Erde klingen nach einer tollen Idee – immerhin würde das bedeuten, dass wir unser Leben nicht länger aufgrund der Klimakrise umkrempeln müssen. Oder etwa nicht?
Genau dieser Gedankengang birgt große Gefahren: Konzerne und Interessengruppen könnten mit Verweis auf Solar-Geoengineering weiter auf den Einsatz fossiler Energien setzen. Das bedeutet: Wir würden den CO2-Ausstoß – und damit den größten Treiber der Klimakrise – nicht reduzieren, sondern sogar weiter erhöhen. Die Folge: Die Erde heizt sich (eigentlich) weiter auf. Nur, dass wir sie künstlich abkühlen, was aber das eigentliche Problem, nämlich die CO2-Reduktion, nicht löst.
Unter Forschenden sind Methoden des Solar-Geoengineering deshalb unter anderem auch umstritten. Wie "ARD Alpha" berichtete, zählt zu den direkten Risiken auch:
- Geoengineering kann als Ausrede für weniger Klimaschutzmaßnahmen genutzt werden.
- Die Technologien sind noch immer in frühen Entwicklungsstadien und nur theoretisch erprobt – die Risiken sind dementsprechend hoch.
- Die Methoden benötigen viel Energie und Rohstoffe, womit ihre Umsetzung teurer ist, als einfach die Emissionen zu senken und die bereits erarbeiteten und erprobten Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen.
- Ökosysteme können zerstört werden.
- Bei den Ansätzen handelt es sich um keine dauerhafte Lösung, heißt: Früher oder später müssen die Emissionen gesenkt werden.
- Es kann zu starken sozialen und politischen Folgen kommen, die Ungleichheiten und Kriege zur Folge hätten.
- Der Einsatz erfordert stabile politische Systeme, Gesetze und Kontrollmechanismen, da die Methoden sonst willkürlich eingesetzt werden können.
Dazu kommt, dass solch gravierende Eingriffe in das Erdsystem unvorhersehbare Folgen hervorrufen könnten. Damit verhält es sich wie fast immer beim Klimasystem: Vermeintlich einfache Lösungen funktionieren nicht.
Dementsprechend fahrlässig wäre es, sich auf die Geoengineering-Maßnahmen zu fokussieren und nicht weiter alles zu tun, um den CO2-Ausstoß zu eliminieren und die Klimaerhitzung so langfristig aufzuhalten.
Die Wende hin zu E-Mobilität ist keine Einfache. Immer wieder wird sich darüber beklagt, dass die Infrastruktur für Elektroautos nicht ausreicht. Sei es in ländlichen Regionen, entlang der Autobahnen oder in den Städten, es fehlt noch oft an Lademöglichkeiten.