Spätestens, seit sich Bayern Münchens Spieler Niklas Süle in der Länderspielpause trotz Impfung mit dem Coronavirus infizierte und dadurch Mitspieler wie Joshua Kimmich, Serge Gnabry oder Jamal Musiala als Kontaktpersonen in die Quarantäne brachte, wird eine Impfpflicht für Profi-Fußballer in Deutschland diskutiert.
Kimmich, Gnabry und Musiala haben noch immer nicht die Impfung gegen das Coronavirus erhalten, die sie vor der Quarantäne bei einem Corona-Kontakt bewahren würden. Am vergangenen Donnerstag wurde der Ruf nach einer Impfpflicht für die Profis dann durch Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, noch einmal lauter.
Nach der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) – bei der sich die Regierungschefs der 16 Bundesländer, Kanzlerin Angela Merkel und ihr wahrscheinlicher Nachfolger Olaf Scholz zu Beratungen trafen – sagte Wüst ganz forsch, dass sich die Länderchefs sehr schnell einig gewesen seien, "dass, wenn Zuschauer 2G beachten müssen, das auch für die Profis gelten soll." Das würde bedeuten: Nur noch geimpfte und genesene Spieler dürften auf den Platz.
Die Reaktionen aus der Bundesliga ließen nicht lange auf sich warten. So nannte Mainz-05-Manager Christian Heidel eine Impfpflicht für Profis "einfach Populismus". Den gleichen Vorwurf machte auch Kölns Finanz-Vorstand Alexander Wehrle. Er ergänzte : "Der Beruf ist nicht anders zu stellen als andere Berufe mit Körperkontakt."
Auch Hertha-BSC-Manager Fredi Bobic zeigte Unverständnis über die Forderung von Wüst: "Hier den Fußball als Plattform herauszunehmen, nur weil es sexy aussieht, das ist der falsche Weg. Es geht doch hier nicht nur um Fußball. Von meinen Kollegen aus den anderen Profisportarten weiß ich, dass dort alle zu 90 Prozent durchgeimpft sind – so wie bei Hertha auch. Damit sind wir zwar immer noch nicht zufrieden und wollen 100 Prozent. Aber das sind doch viel höhere Werte als die Prozentzahlen in der Bevölkerung."
Bayern-Sportvorstand Hasan Salihamidžić hingegen äußerte sich weniger offensiv: "Das werden die Politiker entscheiden und wir werden akzeptieren und so machen, wie die das entscheiden."
Und wie sehen die Sportministerien der Bundesländer eine 2G-Pflicht für Profi-Sportler? Die 16 Bundesländer müssten diese Regel durchsetzen und kontrollieren. Watson hat deshalb die 16 zuständigen Ministerien angefragt, bekam Antworten aus Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Bremen, Baden-Württemberg, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Bayern und Brandenburg. Davon wollten einige keine Stellung beziehen, andere teilten ihre Meinung jedoch mit.
So sagt Baden-Württembergs Sportministerin Theresa Schopper (Grüne): "2G bei den Fans, 2G auf dem Rasen – das wäre im Kampf zur Entlastung der Intensivstation ein wichtiges Signal: "Sie ergänzt: "Profisportlerinnen und -sportler sind Vorbilder. Sie sollten sich dementsprechend verhalten und sich auch impfen lassen, wenn keine medizinischen Gründe dagegen sprechen."
Es wäre es ein deutliches Signal in der schwierigen Situation, wenn sich alle Profisportlerinnen und –sportler impfen lassen würden. "Damit könnten wir diese Diskussion beenden und würden noch einmal einen großen Schub für die Impfung bekommen."
Ähnlich sieht es die Senatorische Behörde für Soziales, Jugend, Integration und Sport von Bremen. Die Behörde stellt zwar fest, dass die Meinungsbildung "im Hause noch nicht abgeschlossen" sei. Allerdings erklärte die Behörde auch: "Es leuchtet unmittelbar ein, dass, wenn 2G für Zuschauer gilt, es dann auch für Sportlerinnen und Sportler gelten sollte. Eine Regelung müsste aber auch mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen sein (Berufsfreiheit)."
Genau an diesem Punkt haben auch weitere Sportministerien Bedenken. Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport teilt auf watson-Anfrage mit: "Sofern Profisportlerinnen und Profisportler bei der Ausübung ihrer Sportart der 2G-Regelung unterfielen, würde dies faktisch die Einführung einer Impfpflicht im Profisport bedeuten. Ein solcher Schritt begegnet jedoch erheblichen rechtlichen Bedenken, da der hiermit verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Sportlerinnen und Sportler nur schwerlich zu rechtfertigen sein dürfte."
Demnach seien Profisportlerinnen und -sportler, während sie ihre Tätigkeiten ausführen, nicht regelmäßig im Kontakt zu vulnerablen Bevölkerungsgruppen. Dennoch betont das niedersächsische Ministerium: "Ungeachtet dieser rechtlichen Erwägungen sind natürlich alle Profisportlerinnen und Profisportler – insbesondere auch aufgrund ihrer Vorbildfunktion – aufgerufen, sich impfen zu lassen und damit ihren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie zu leisten."
Kernpunkt für viele Kritiker ist die unterschiedliche Behandlung zwischen Zuschauern und Sportlern. Während die Zuschauer vielerorts 2G nachweisen müssen, um ins Stadion zu dürfen, können auf dem Rasen ungeimpfte Profis spielen, so lange sie nicht in Quarantäne sind.
Dazu erklärt das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport: "Es ist jedoch rechtlich durchaus ein Unterschied, ob das Freizeitverhalten oder die Berufsausübung bestimmter Personengruppen staatlicherseits eingeschränkt wird." Denn: Der Eintritt der Zuschauer zum Stadion wird nach dem Infektionsschutzgesetz geregelt. Weil es die Freizeit der Fans ist, kann deshalb der Zugang an strengere Regeln gekoppelt sein. Fußballer, die ihren Beruf nachgehen, werden in diesem Zusammenhang nach dem Arbeitsschutzgesetz behandelt – wie andere Arbeitnehmer auch. Deshalb dürfen sie bislang auch ohne 2G-Nachweis ihrer Arbeit nachgehen.
Wie sieht die Impfsituation in anderen Sportarten aus? Beim Eishockey liegt laut Angaben der Deutschen Eishockey Liga (DEL) die Impfquote – ähnlich wie beim Fußball – bei 93 Prozent unter Mitarbeitern und Spielern. Wegen der immer wiederkehrenden Team-Quarantänen und Spielabsagen verschärfte die DEL Ende Oktober die Teststrategie. Ungeimpfte Spieler müssen nun drei PCR-Tests pro Woche machen, geimpfte Profis je einen.
In der Basketball Bundesliga (BBL) sollen 99 Prozent der Spieler geimpft sein. Vor dem Saisonstart im September verkündete BBL-Geschäftsführer Stefan Holz stolz: "Ein Spieler ist nicht geimpft. Einer. Das ist ein Knaller." Als Folge wurde noch kein Spiel abgesagt.
Eine Impfpflicht für Spieler würde im Basketball demnach kaum Auswirkungen haben und wohl auch für wenig Diskussionen sorgen. Anders als im Profi-Fußball.