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U17- und U19-Bundesliga: Profi-Klubs haben kein Verständnis für DFB-Entscheidung

Teoman Gündüz (l.) von Hertha BSC und Jamie Bynoe-Gittens von Borussia Dortmund kämpfen im Finale um die deutsche U19-Meisterschaft 2022 um den Ball.
Teoman Gündüz (l.) von Hertha BSC und Jamie Bynoe-Gittens von Borussia Dortmund kämpfen im Finale um die deutsche U19-Meisterschaft 2022 um den Ball.Bild: IMAGO / Matthias Koch
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DFB-Entscheidung zur Jugend-Bundesliga stößt bei Profi-Klubs auf Unverständnis

12.08.2022, 14:0613.08.2022, 09:13
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Die meisten deutschen Profis haben eine Sache gemeinsam: Bevor sie im Herrenbereich durchstarteten, bewiesen sie sich in der U19-Bundesliga. Ausnahmen wie früher Miroslav Klose, der erst mit 21 Jahren von einem Profi-Klub entdeckt wurde, sind heutzutage immer seltener. Die Stars von morgen spielen aktuell in den U17- oder U19-Mannschaften von Bayern, Dortmund oder einem anderen Klub.

Am Wochenende startet die neue Saison für diese Altersgruppe. In je drei regionalen Ligen in der U17 und der U19 kämpfen die Teams um den Einzug in die Finalrunde. Im Vergleich zu den ersten drei Profi-Ligen, der Frauen-Bundesliga und sämtlichen Amateurligen treten die Nachwuchsspieler aber nicht in Hin- und Rückrunde an, sondern spielen nur einmal gegen jede Mannschaft in der Liga.

Corona als Auslöser für Halbierung der Spielzeit
Die verkürzten Spielzeiten haben ihren Ursprung im ersten Corona-Sommer 2020. Die Saison 2019/20 wurde im Mai abgebrochen. Niemand konnte vorhersehen, wann wieder gespielt werden kann. In der Saison 2020/21 war geplant, dass jeder Klub nur einmal gegen jeden Verein aus der Liga spielt – normalerweise sind es doppelt so viele Spiele.

Die Idee hinter der Halbierung: Sollte es zu coronabedingten Verschiebungen oder Unterbrechungen kommen, könnten die Spiele über den normalen Saisonzeitraum gestreckt werden. Ende Oktober 2020 wurde die Saison erst unter- und im April 2021 abgebrochen. Die Saison 2021/22 wurde ebenfalls als einfache Runde gestartet und zu Ende gespielt. Borussia Dortmund schnappte sich den Titel.

Die verkürzten Saisons rufen vor allem bei Vereinen Kritiker hervor. Lutz Munack ist einer dieser Kritiker. Er ist Geschäftsführer beim Bundesliga-Klub Union Berlin für den Bereich Nachwuchs- und Amateurfußball. Gegenüber watson sagt er: "Es ist aus meiner Sicht nicht verständlich, weshalb nur die U17 und die U19 nicht so viele Spiele spielen, aber gleichzeitig die 3. Liga, die Frauen-Bundesliga oder auch die Amateure 'normale' Spielzeiten absolvieren werden."

Lutz Munack ist bei Union Berlin Geschäftsführer für den Nachwuchs- und Amateurfußball.
Lutz Munack ist bei Union Berlin Geschäftsführer für den Nachwuchs- und Amateurfußball.Bild: IMAGO / Matthias Koch

Bereits im Februar traf der DFB die Entscheidung, die Saison 2022/23 in den U17- und U19-Bundesligen nur mit einer Runde durchzuführen. Damals gab der Verband bekannt, dass die Entscheidung über eine einfache Spielrunde im Austausch "mit den Vereinen" getroffen worden sei. Außerdem sei die Tatsache berücksichtigt worden, dass sämtliche Staffeln noch immer 16 beziehungsweise 17 Teams beinhalten würden, statt der sonst üblichen 14 Mannschaften. Hintergrund: In den abgebrochenen Spielzeiten stiegen keine Mannschaften ab, aber teilweise auf.

In einer Pressemitteilung begründete Ronny Zimmermann, der damalige Vizepräsident für den Jugendfußball, die Entscheidung:

"Damit wollen wir die Spieler schützen, eine Überlastung vermeiden und flexibel in einer ungewissen Zukunft sein."

Gleichzeitig hieß es in der Mitteilung, dass durch die einfache Runde eine "größtmögliche Flexibilität" gewährleistet werde, falls "es im Laufe der kommenden Spielzeit erneut zu pandemiebedingten Verzögerungen im Spielplan kommen" sollte.

Zeitpunkt der DFB-Entscheidung sorgt für Kritik

Eine Argumentation, die für Lutz Munack von Union Berlin nicht nachzuvollziehen ist. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass für die U17- und U19-Bundesligen bereits im Februar darüber entschieden wurde, dass sie nur eine Runde spielen. Im Frühjahr konnte niemand absehen, wie sich die Corona-Pandemie entwickelt", kritisiert Munack und fügt an, dass noch genug Zeit gewesen wäre, um auch alternative Szenarien zu entwickeln, die mehr Spiele für die Jugendspieler beinhalten würden.

Auf Nachfrage von watson beim DFB bestätigt der Verband, dass die damals nicht einzuschätzende Corona-Situation mit in die Entscheidung einfloss. Gleichzeitig hätten aber auch bis zu 30 Spiele der Jugendbundesligen nicht in den Rahmenkalender gepasst. Die Fehlzeiten in der Schule, lange Fahrtstrecken und berufliche Verpflichtungen des Betreuerteams hätten außerdem zur Entscheidung beigetragen.

Dabei muss allerdings bedacht werden, dass auch in den Jahren vor der Pandemie eine Saison mit Hin- und Rückrunde in den U17- und U19-Bundesligen gespielt wurde. Die schulische Betreuung wurde in vielen Vereinen darauf ausgelegt und teilweise begleiteten sogar Lehrer die Mannschaften zu Auswärtsfahrten. Da in dieser Zeit allerdings nur 14 Teams pro Staffel teilnahmen, ist der Spielplan damals auf 26 Wochen verteilt gewesen – also vier Wochen weniger.

"Der Druck auf die Spieler erhöht sich, weil sie viel weniger Spieler haben."
Union Berlins Nachwuchschef Lutz Munack

Aus der Sicht von Munack schadet die halbierte Spielzeit aber den Jugendspielern: "Der Druck auf die Spieler erhöht sich, weil sie viel weniger Spiele haben, um sich den Profi-Trainern zu zeigen. Gleichzeitig wird eine Verletzung noch schwerwiegender, wenn der Spieler dadurch in der Phase fehlt, in der die wenigen Spiele stattfinden", erklärt er gegenüber watson.

Munack führt außerdem an, dass besonders A-Jugendliche durch eine verkürzte Spielzeit schlecht auf den Trainingsalltag im Profi-Geschäft vorbereitet werden. Denn: Durch Spiele im Wettkampf wird der Körper mehr gefordert als bei normalen Trainingseinheiten. Dazukommt, dass sich der Körper im Profi-Geschäft viel schneller regenerieren muss, wenn unter Umständen alle drei bis vier Tage gespielt wird.

Aus Munacks Erfahrung komme es daher dazu, dass junge Spieler "muskuläre Verletzungen verschleppen, weil sie aus falschem Ehrgeiz nicht sagen, dass sie nicht mehr können", wenn sie in der Profi-Mannschaft mittrainieren.

Die verkürzten Spielzeiten habe aber nicht nur für die Vereine und deren Spieler Konsequenzen, sondern auch für den DFB. Munack ist überzeugt: "Jugendspielern, die weniger Praxiserfahrung sammeln, fehlt es oft an Qualität. Der DFB möchte den Nachwuchs aber immer besser machen. Bei fehlender Spielpraxis in der U17 und U19 wird das schwer." Ob die verkürzten Spielzeiten aber eine langfristige Auswirkung auf die Entwicklung von Jugendspieler haben, kann Munack noch nicht abschätzen.

Ergänzende Spielrunde nach Saisonende soll organisiert werden

Um die fehlenden Spiele aufzufangen und den Jugendspielern nach dem Saisonende im April und Mai Spielpraxis zu garantieren, arbeitet der DFB nach eigener Aussage darauf hin, eine ergänzende Spielrunde zu organisieren. Der DFB-Jugendausschuss und die Fachgruppe Jugendspielbetrieb arbeiten an einer Lösung, bei deren Ausarbeitung auch die Vereine involviert werden sollen.

Guido Streichsbier ist seit 2018 U19-Nationaltrainer beim DFB.
Guido Streichsbier ist seit 2018 U19-Nationaltrainer beim DFB.Bild: IMAGO / Sportfoto Rudel / IMAGO / Sportfoto RudelIMAGO / Sportfoto Rudel

Zu den ergänzenden Spielen gibt es allerdings verschiedene Meinungen. Munack ist der festen Überzeugung, dass diese Partien "maximal einen Freundschaftsspiel-Charakter" haben werden und "Ligaspiele nicht ersetzen" können. Guido Streichsbier, Nationaltrainer der deutschen U19, widerspricht Munack. Gegenüber watson teilt er mit: "Für die Jungs wird es egal sein. Die wollen auf den Platz und spielen. Wenn wir alle zusammenarbeiten, bekommen wir das kompensiert."

Gleichzeitig sieht Streichbiers auch nicht die Probleme, vor denen die Vereine durch die verkürzten Runden warnen. "Wichtig ist, dass wir die zusätzlichen Spiele organisieren und da sind sowohl die im DFB zuständigen Gremien als auch die Vereine gefordert", erklärt er und nimmt die Vereine in die Pflicht: Stattdessen müssten die Klubs "die zusätzlichen Partien so vorbereiten, als wären es Wettkampfspiele".

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