Für Merle Frohms ist klar, in welchem Bereich die deutsche Nationalmannschaft "noch ein paar Prozente rausholen" kann. Denn: "Es hat uns als Mannschaft stark gemacht, dass die Defensive auch schon vorne angefangen hat und alle umgeschaltet haben."
Das hat das deutsche Team besonders bei der EM im vergangenen unter Beweis gestellt. Auch dank der Torhüterin kassierte die DFB-Elf bis zum EM-Finale lediglich ein Gegentor. Eine Tugend, die auch beim Turnier in Australien und Neuseeland wieder ein Erfolgsfaktor werden soll.
Nun wird es in der Gruppenphase mit den Spielen gegen Marokko am Montagmorgen, Kolumbien und Südkorea aber nicht nur auf ihre Qualitäten im Tor ankommen. Die 28-jährige Torhüterin des VfL Wolfsburg soll auch dem bisher eher lahmenden Offensivspiel des DFB-Teams eine neue Komponente hinzufügen.
Zwar seien die Philosophien zwischen DFB-Team und dem VfL Wolfsburg "schon unterschiedlich", doch es ist ihr eigener Anspruch "so anpassungsfähig" zu sein, dass sie in beiden Teams ihr bestes Torwartspiel zeigt. Frohms legt großen Wert darauf, dass ihre Trainer Michael Fuchs beim DFB-Team und Marcel Schulz in Wolfsburg im engen Austausch sind, "damit beide voneinander profitieren."
Ging es bei ihren vorherigen Bundesligastationen in Freiburg und Frankfurt vor allem darum, das Tor zu verteidigen, muss sie bei den Niedersachsen seit ihrem Wechsel im vergangenen Sommer deutlich aktiver ins Spiel eingreifen. Den meist ist der VfL die überlegene und spielbestimmende Mannschaft.
"Es gibt immer wieder Phasen, wo ich längere Zeit nichts zu tun habe, aber dann ein Ball hinter die Kette kommt, den ich ablaufen muss, weil wir eben sehr hoch verteidigen, sehr hoch pressen", sagte sie in einer Medienrunde auf Nachfrage von watson. Etwas, das auf das deutsche Team auch während der Gruppenspiele zukommen wird.
Doch schon in den Testspielen gegen Vietnam (2:1) und Sambia (2:3) wurde deutlich, wie risikoreich und anfällig für Konter diese Spielweise sein kann.
Auch bei eigenem Ballbesitz nimmt Frohms eine entscheidende Rolle ein. "Im Spielaufbau bin ich anders gefordert, weil wir schon mit mir als erste Position eine Idee haben, wie wir hinten raus spielen wollen."
Hier siehst du im Video: DFB-Star Laura Freigang spricht Klartext über ihre Teamkolleginnen:
Gerade in der Spieleröffnung wird die Nummer 1 im Deutschland-Trikot nochmal anders gefordert sein als beim amtierenden DFB-Pokalsieger.
Unter VfL-Trainer Tommy Stroot gilt laut Frohms die Devise: "Viel hinten raus spielen. Viel über die defensiven Mittelfeldspieler aufbauen und möglichst schnell die ersten Verteidigungslinien des Gegners überspielen."
Das sei beim DFB-Team zwar auch gewünscht, dennoch seien es verschiedene taktische Ausrichtungen. "Auch in der Nationalmannschaft sind die Bälle zur Spieleröffnung gewünscht, die die erste Linie des Gegners überspielen, aber wir wollen insgesamt ein bisschen ruhiger aufbauen", erklärt Frohms das Vorgehen.
So will Bundestrainerin Martina-Voss Tecklenburg verhindern, dass die Gruppengegner Marokko, Kolumbien und Südkorea, die als eher defensiv ausgerichtet erwartet werden, zu schnellen Ballgewinnen und Kontern kommen.
Ein Vorteil für das DFB-Team ist sicherlich, dass Frohms ihre Abwehrreihe aus dem Verein gut kennt. Die erwartete Formation um Felicitas Rauch, Kathrin Hendrich, Marina Hegering und Svenja Huth wird lediglich durch den verletzungsbedingten Ausfall von Hegering im ersten Spiel so nicht auf dem Platz stehen.
Doch nicht nur Frohms Verhalten auf dem Feld hat sich geändert. Auch abseits des Platzes zeigt sie sich mit neuem Selbstvertrauen. Gab es vor der EM im vergangenen Jahr noch einen Zweikampf um den Platz im Tor zwischen ihr und Almuth Schult, ist sie mittlerweile die unangefochtene Nummer 1 im DFB-Team.
"Ich gehöre jetzt zu den erfahrenen Spielerinnen, die natürlich vorangehen möchte und auch eine Schlüsselposition spielt. Ich merke einfach, dass es immer selbstverständlicher wird, dass ich auf dem Platz stehe, dass ich der Mannschaft helfen kann und ein guter Rückhalt bin", sagt die 39-fache Nationalspielerin. "Ich denke, das gibt mir Sicherheit und vor allen Dingen der Mannschaft."
Und so machte Frohms klar deutlich, was sie vom Team erwartet. "Es ist schon unser großes Ziel, ins Finale einzuziehen, und dann, hat Horst Hrubesch immer gesagt, 'macht's auch keinen Sinn, da zu verlieren'".