DFB-Frauen-Team im Wandel: Was sich seit der EM verändert hat
Seit der Europameisterschaft im Sommer ist bei den DFB-Frauen vieles gleich geblieben. Und doch hat sich Entscheidendes verändert. Einen Beweis dafür lieferte der gestrige Abend in Caen.
Leidenschaft, Mentalität, Kampfgeist – all das, was dieses Team schon bei der EM 2025 ausgezeichnet hat, war wieder da. Deutschlands Fußballerinnen können immer noch ackern, sie sind gallig und kämpfen um jeden Ball.
Unverändert ist auch ihr Faible für Musik. Siege – oder auch ein 2:2, das sich wie einer anfühlte – feiern sie noch immer am liebsten zu Schlagerhits.
Wer Deutschlands Fußballerinnen auf Instagram folgt, konnte nach dem Spiel einen Blick in die Kabine erhaschen. Dort sangen sie: "Wir sagen danke schön" – ein Party-Banger der Kultband Die Flippers.
DFB-Frauen: Das alte Problem mit dem Passspiel
Doch so sehr dieses Team für Leidenschaft und Spaß steht, so zuverlässig schlichen sich auch in beiden Halbfinalspielen gegen Frankreich dieselben Unsauberkeiten ein. "Ich komme immer wieder darauf zurück: Wir müssen uns im Passspiel verbessern", sagte Bundestrainer Christian Wück hinterher.
Und wird dabei wohl an Klara Bühl gedacht haben, die in der eigenen Hälfte einen Pass spielte, der so gar nicht zu ihrem sonstigen Spiel passte – direkt in die Füße der Französin Grace Geyoro. Zum Glück ohne Folgen.
Nicole Anyomi – eine adäquate Alternative zu Lea Schüller
Ansonsten machte die Elf von Wück vieles richtig. Ein schneller Rückstand – wie diesmal nach nur drei Minuten – hätte Deutschland früher leicht aus dem Konzept gebracht. Bei der WM 2023 fehlte es den Fußballerinnen an Resilienz. Unter Wück ist das anders. Er hat sein Team offenbar mental gut eingestellt.
Immerhin reagierte das deutsche Team gefasst. Kein wildes Anrennen, kein Chaos. Stattdessen Geduld und zwei schöne Tore. Eins von Klara Bühl, das andere von Nicole Anyomi.
Für die Stürmerin war es das erste Tor im DFB-Trikot seit zwei Jahren – und einer dieser Momente, die Wück verdeutlichen sollten: Es gibt eine adäquate Alternative zu Lea Schüller.
DFB-Frauen: Wück krempelt den Kader um
Auffällig war, dass Wück in Vorbereitung auf die Spiele gegen Frankreich an seinem System geschraubt hat – nicht radikal, aber clever.
Carlotta Wamser, bei der EM noch Rechtsverteidigerin, rückte nach vorne. Jule Brand, sonst auf dem Flügel, durfte sich im Zentrum austoben. Dort, wo Wück bei der EM die größte spielerische Schwachstelle identifiziert hatte.
Der Move ging auf – im Hinspiel besser als im Rückspiel, aber er funktionierte. Ihre Spielweise, manchmal intuitiv, manchmal riskant, ist genau das, was Wück schätzt.
"Sie ist eine Spielerin, die Fußball spielen möchte, ohne große Regeln oder Einschränkungen", sagte er einmal der "Bild am Sonntag". Für ihn ist das keine Gefahr. Er sieht darin einen Wert. "Die Mentalität eines Straßenkickers", sagte Wück, sei "die, die wir sehen wollen".
Feinjustierung statt Baustellenschild
Nach dem Einzug ins Finale der Nations League war Wück hörbar zufrieden. Er sprach seiner Mannschaft ein "großes Kompliment" aus, lobte den "nächsten Entwicklungsschritt". Etwas auszusetzen, hatte er aber trotzdem.
Der Bundestrainer hätte sich in der einen oder anderen Drucksituation mehr Abgebrühtheit gewünscht. Aber das sei "Jammern auf sehr hohem Niveau".
Dass Wück so etwas sagen kann, ist der eigentliche Fortschritt. Vor ein paar Monaten drehte es sich im DFB-Team noch um das große Ganze – um eine fehlende Spielidee, um Defizite in der Ausbildung junger Spielerinnen, um die Frage, wohin sich der deutsche Frauenfußball überhaupt entwickelt.
An diesem Abend aber ging es um Details, um Nuancen – und genau das war neu.
Nach dem 1:0 im Hinspiel und dem besseren Ende in der Gesamtwertung steht die DFB-Elf nun im Finale der Nations League. Dort wartet in einem Monat Europameister Spanien – und man darf gespannt sein, ob Christian Wück auch dann wieder so wenig zu kritisieren hat.
