Bayern-Verlängerung von Kompany – das macht er besser als seine Vorgänger
Vincent Kompany sitzt in der Mitte. Zu seiner Linken: Sportvorstand Max Eberl und Vorstandsvorsitzender Jan-Christian Dreesen. Zu seiner Rechten: Sportdirektor Christoph Freund und Präsident Herbert Hainer. Wie eine glückliche Familie präsentierte sich der FC Bayern München am Dienstag.
Der deutsche Rekordmeister hat auch allen Grund: Kompany hat seinen Vertrag als Cheftrainer um zwei Jahre bis 2029 verlängert. So erfreulich diese Nachricht für alle im Verein ist, so selten war so eine Verkündung in den letzten Jahren.
Zuletzt verlängerte Hansi Flick einen Vertrag als Trainer im April 2020. Da war er kurz vorher im November interimsweise für Niko Kovač eingesprungen und erhielt im Frühjahr die Absolution, auch über das Saisonende hinaus Chef an der Münchner Seitenlinie zu sein – es war daher eher eine finale Beförderung zum Cheftrainer, als eine Verlängerung.
FC Bayern verlängerte zuletzt mit Louis van Gaal
Sucht man nach einer "richtigen" Verlängerung, muss in der Historie des Vereins weit zurückgeblättert werden. Bis in den Herbst 2010. Damals weiteten die Münchner den Arbeitsvertrag von Louis van Gaal um ein Jahr bis 2012 aus. Nur wenige Monate später war der Niederländer Geschichte, wenngleich er in seiner Zeit eine Grundlage für den sportlichen Erfolg der folgenden Jahre gelegt hatte.
Doch was sagt es über einen Verein aus, wenn die wichtigste Person für die sportliche Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit nie mehr als einen Vertrag unterschrieb oder frühzeitig gehen musste? Und was macht Kompany, neben den sportlichen Erfolgen, besser als seine Vorgänger?
Einer, der darauf eine Antwort hat, ist Christopher Spall. Er ist Marken- sowie Kommunikationsexperte und beschäftigt sich mit der Identität von Organisationen und Personen.
Ganz grundlegend ordnet er ein, dass sich der FC Bayern markentechnisch seit Jahren zwischen zwei Extremen bewegen würde. "Auf der einen Seite steht das Bild des Familienklubs, geprägt durch Uli Hoeneß. Auf der anderen Seite steht der Weltklub." Hier nennt Spall gegenüber watson besonders Karl-Heinz Rummenigge, der mit seinen Ämtern im internationalen Fußball die Verbindungen zu anderen Ländern, Ligen und auch Kontinenten hielt. So war er Vorsitzender der European Club Association oder Mitglied des Uefa-Exekutivkomitees.
FC Bayern: Nominierung von Kahn und Salihamidžić als großer Fehler
Spall hat bei diesen beiden Extremen jedoch auch eine Gefahr erkannt: "Wenn das Pendel in der Vergangenheit zu dominant auf eine Seite schlug, war das nie gesund für den Verein und damit auch nicht für die Reputation der Marke."
Ein Beispiel, das der Markenexperte anführt, ist die Benennung von Oliver Kahn als Vorstand und Hasan Salihamidžić als Sportvorstand. Das sei aus "heutiger Sicht eine absolute Fehlentscheidung". Warum? "Weil nur nach Familiengesichtspunkten entschieden wurde und weniger nach Kompetenz, um so eine Weltmarke zu führen", ist sich Spall sicher.
Doch nun soll sich mit der Verlängerung von Kompany beim FC Bayern wieder alles beruhigen. Zumindest auf der Trainerposition. "Es ist das Signal an die Spieler, alle Mitarbeitenden und Fans, dass der FC Bayern auf den Weg der Kontinuität zurückgekehrt ist und das auch mit dem Festhalten an passenden Persönlichkeiten untermauern will", ist sich Spall sicher.
Neben einer Verlängerung mit Kompany würde dazu auch eine Ausdehnung des Vertrags von Harry Kane passen, meint der Kommunikationsexperte. Der Engländer habe nicht nur einen enormen sportlichen Wert, sondern verkörpere auch die DNA des Klubs perfekt. "Beide sind wunderbare Repräsentanten des FC Bayern."
Doch warum hat es ausgerechnet Vincent Kompany geschafft, nach etwas über einem Jahr eine Vertragsverlängerung zu erhalten? Und warum ist diese vorher bei Thomas Tuchel oder Julian Nagelsmann ausgeblieben? Vor allem, weil die sportliche Ausbeute mit der deutschen Meisterschaft bei allen ähnlich ist.
Kompany hat den FC Bayern und dessen Werte verstanden
Spall hat eine klare These dazu: Kompany kennt die Werte des Vereins, hat sie verstanden und verkörpert diese. Einerseits stellt Spall fest: "Es geht um den absoluten Erfolgswillen; jedes Spiel zu gewinnen, das ist absolute Bayern-DNA. Es geht aber auch darum, unter Druck stehen zu bleiben. Das wurde durch Persönlichkeiten wie Stefan Effenberg oder Franz Beckenbauer verkörpert."
Neben diesen sportlichen Aspekten habe Kompany aber auch den Part abseits des Platzes, den zwischenmenschlichen Aspekt beim FC Bayern, verstanden. Ganz wichtig sei es, "sich als Teil der Familie zu verstehen und nicht als Held der Erzählung. Und hier kommt Vincent Kompany ins Spiel", lobte Spall. Kompany wisse, dass er auf der großen Bühne des FC Bayern "niemals der Held" sei, sondern vielmehr ein Sidekick:
Im Gegensatz dazu hätten andere ehemalige Persönlichkeiten die Situation in München so nicht angenommen. "Ich erinnere da an Jürgen Klinsmann, bei dem es sowohl als Spieler als auch als Trainer zum Bruch mit dem Klub kam", warf Spall ein und fügte an: "Thomas Tuchel muss der Held in der Erzählung sein, sonst ist es nicht seine Geschichte."
Verpflichtung von Kompany war nicht typisch für den FC Bayern
In der laufenden Saison kommt bei Kompany zusätzlich der enorme sportliche Erfolg dazu. Die Münchner gewannen alle elf Pflichtspiele, darunter Partien gegen Klub-WM-Sieger Chelsea und Dauerrivale Borussia Dortmund. Wenn nun also auch der sportliche Weg stimmt, prophezeit Spall "eine lange Liaison".
Obwohl er aktuell ein "perfektes Match" zwischen den Bayern und Vincent Kompany sieht, gestand er auch ein, dass er zu Beginn der Amtszeit im Sommer 2024 skeptisch war. "Kompany zu verpflichten, war keine typische Bayern-Entscheidung. Dafür fehlten der Glanz, die Gloria und die Titel. Ich war skeptisch."
Doch am Ende habe sich Kompany im Alltag bewährt. Besonders die Haltung und der Erfolgswille des Belgiers würden perfekt zum Klub passen. "Und es scheint, dass mit Vincent Kompany auch ein Hauch des Guardiola-Spirits nach München zurückgekehrt ist. Schließlich wurde der heutige Bayern-Trainer vom Katalanen fußballphilosophisch ausgebildet."
Und auch hier schließt sich ein Kreis, war Guardiola doch neben Jupp Heynckes einer der letzten Cheftrainer, mit denen der FC Bayern unbedingt verlängern wollte und der nicht frühzeitig gehen musste. Bei beiden gelang es je 2016 und 2018 nicht, bei Kompany nun schon, ehe andere Vereine die Fühler nach dem Belgier ausstrecken konnten.